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Interviews

Chakuza muss niemandem mehr etwas beweisen

Müsste es Chakuza heute nicht blendend gehen? Nur weil man erfolgreich ist, verschwinden die Dämonen nicht.

Meine erste Assoziation, als ich den Titel von Chakuzas neuem Album las, war „Warum Exit?“. Müsste es dem 33-Jährigen nicht blendend gehen? Nach Jahren der musikalischen Irrelevanz als verbitterter Gangstarapper setzte er seine Karriere auf eine Karte. Heraus kam die musikalische 180 Grad-Wende Magnolia, in der Chakuza sich als erwachsener Künstler komplett neu definierte. Bei Fans und Kritikern fand der neue Chakuza gleichermaßen Anklang. Auch das anschließende Straßenprojekt Zodiak zusammen mit Raf Camora funktionierte, weil man merkte, dass es ein Ventil war, dass es nach Magnolias Verkopftheit brauchte.

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Zwar ist es so, dass Chakuza seine Diskographie bereinigt hat, die alten Damönen sind aber immer noch da. Entscheidend in dieser Phase war der Ausflug nach Holland zu seinem Tourmanager Max Wählen. Max spielt bei der holländischen Indieband In Vallis und brachte in ihr Künstlerhaus einen wieder mal mit allem hadernden Chakuza mit. Dort entstand das komplette Album Exit. Zeit, einmal nachzufragen, wie der Gemütszustand bei Chakuza ist.

Noisey: Wie oft pendelst du gerade zwischen Berlin und Holland?
Chakuza: Ich war gerade noch zwei Wochen in Holland. Wir haben vier Live-Sessions gedreht, eine EP aufgenommen und Blogs gedreht. Wir haben ständig was zu tun dort. Außerdem chille ich da auch ganz gerne. Ich finde immer wieder eine Ausrede, um dahin zu fahren. (lacht)

Wenn man sich die letzten drei Jahre deiner Karriere anschaut, ist viel passiert. Wie würdest du die Zeit beschreiben?
Aufregend und anstrengend zugleich. Ich habe viel Neues kennengelernt. Live spielen mit Band, Festivals—das kannte ich ja vorher nicht. Danach wurde es erst mal anstrengend, weil ich mich neu orientieren und etwas Neues auf die Beine stellen musste und nicht wusste, wie. Trotzdem hat es im kleinen Kreis funktioniert, du musst dann natürlich viel mehr arbeiten als vorher. Aber das Endresultat stimmt.

Du sprichst wahrscheinlich Magnolia an. Für Außenstehende hat sich dieses Album wie ein Befreiungsschlag von dir angefühlt. Würdest du heute sagen, dass das deine wichtigste Platte war?
Mein wichtigstes Album ist City Cobra, ganz klar. Dazwischen war nichts und dann kam Magnolia. Das war dann die wichtigste Platte und jetzt ist für mich die wichtigste Platte Exit, weil es wieder was Neues ist und eine neue Zeit anbricht.

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War der Erfolg von Magnolia eine Bestätigung für dich, weil du dich musikalisch komplett gewandelt hast und trotzdem Erfolg hattest?
Bestätigung, ja—aber ich hatte auch richtig Arschwasser. Jetzt kann ich sagen, dass es eine Bestätigung war, aber damals hatte ich pure Angst. Wenn es nicht angenommen wird, dann ist es vorbei, weil ich keinen Bock mehr hatte, die alte Mucke zu machen.

Wann hat sich die Angst gelöst?
Sehr lange nicht.

Erst als die ersten Zahlen kamen?
Joa, das auch. Aber ich hänge mich nicht nur an Zahlen auf. Mir war es wichtig, dass ich mit dem Album ankomme bei den Leuten und dass ich nicht zu viel auf den Deckel bekomme. Habe ich auch nicht, ich habe viele neue Leute dazu gewonnen. Und die, die weggehen wollten, sind Gott sei Dank auch weggegangen.

Du meinst die Fans, die dir den Rücken gekehrt haben?
Ja, es nervt mich, wenn die sagen: Mach mal wieder ein Album wie City Cobra. Ich werde nie wieder ein Album wie City Cobra machen. Warum sollte ich denn ein Album wie… machen? Dann nehme ich mir meine künstlerische Freiheit sowieso weg. Dann bin ich ein Fabrikant und kein Musiker. Mein nächstes Album wird auch nicht wie Exit.

Hast du das Gefühl, dass die Leute Zodiak verstanden haben?
Zum Teil schon. Viele haben sich gefreut, dass ich wieder den Asozialen auspacke und dachten sich: Schau mal, der Idiot ist doch nicht erwachsen geworden. Aber ganz ehrlich, mehr als in Tausend Interviews zu sagen, dass es nur ein Projekt ist und wir Bock drauf hatten, kann ich auch nicht machen. Dann hast du halt auch nicht alle Latten am Zaun, wenn du das nicht verstanden hast. Sorry, ist so.

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Was hat dir die Arbeit mit Raf gebracht?
Ich habe mich bei Zodiak komplett frei gefühlt. Das war auch der Plan. Exit ist auch parallel zu Zodiak entstanden. Ich habe mir aber da die Freiheit zurückgeholt und nicht darüber nachzudenken, wem es gefällt und wem ich es noch Recht machen muss.

Du hast bei unserem letzten Interview erzählt, dass das nächste Album eine Mischung aus Magnolia und Zodiak wird. Ist es so gekommen?
Von der Freiheit her, ja. Ich bin da ganz anders an die Sache herangegangen. Es war überhaupt nicht verkopft. Ich habe jeden Song an jeweils einem Tag geschrieben und aufgenommen und wir haben nichts dran verändert. Zodiak ist ja sehr rauh und Magnolia sehr lieblich. Ich wollte für Exit einen rauhen Sound haben und mal wieder näher am Mann sein und nicht zu verblümt.

Das bedeutet, du bist einfach nach Holland gefahren, um zu schauen, was geht.
Genau, um einfach irgendwas zu machen. Die erste Session ging ja voll in die Hose, weil wir nur Scheiße fabriziert haben. Ab der Zweiten hat es funktioniert. In fünf Tagen sind fünf Songs entstanden.

Dein Tourmanager hat dich in ein Künstlerhaus in Holland angeschleppt, in dem seine Band lebt.
(lacht) Genau so war es. Der Tourmanager ist immer so eine Sache, aber Max und ich haben uns richtig gut verstanden. Wir sind auf Tour auch Freunde geworden. Ich wollte seine Mucke hören und er hat sie mir widerwillig vorgespielt. Und so sind wir dann dahin. Die Jungs dort sind aus dem tiefen Indie-Bereich und als Max sagte, dass er mich mitbringen würde, war das für die natürlich erst mal komisch. Ich habe denen gesagt, wie es im HipHop funktioniert und die haben mir erklärt, wie es im Indie funktioniert. Dann wird das so ein Brei und es geht in die Hose, wie beim ersten Mal. Irgendwann hat sich jeder stark damit beschäftigt und es hat funktioniert. Die haben mich herausgefordert und ich habe die herausgefordert. Irgendwann war es ein großer Spaß, weil ich mich wieder gefühlt habe, wie beim ersten Album. Ich musste mich wieder richtig bemühen, weil da zum Beispiel Takte waren, die man an sich so nicht rappt.

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Wann war denn der Punkt da, als es Klick gemacht hat?
Es gab den Song „Dunkel/Hell“, der in der Session zustande gekommen ist. Das war der einzig gute Song. Ich habe gesagt, wenn wir diesen Song gut hingekriegt haben, dann schaffen wir das auch bei anderen Songs. Irgendwann vor der zweiten Session lag ich in der Sonne, war aber ziemlich abgefuckt, weil es geschäftlich nicht gut lief und ich generell keinen Bock auf niemanden hatte. Ich habe dann ein, zwei Anrufe getätigt und habe gesagt, dass ich auf alles scheißen will, es jetzt nur dieses Haus gibt und alles andere mich nicht interessiert. Die Jungs und ich machen das jetzt, egal, was die anderen denken.

Warum jetzt der Exit?
Ich war an dem Punkt, dass ich keine Kompromisse mehr eingehen wollte. Ich muss jetzt das machen, was ich will. Ich bin 33. Wie viele Alben werde ich noch machen? Ich will mich ja auch weiterentwickeln. Keine Ahnung, wo die Reise noch hinführt, aber ich will mit 37 nicht mehr rappen. Das ist ganz klar. Ich will aber immer noch Musik machen, und das geht nur, wenn ich das mache, womit ich zufrieden bin. Ich weiß, dass es ein langer Weg wird, aber ein schöner.

Was willst du denn für Musik machen?
Ich will mich neu erschaffen. Bei Exit habe ich mich auch neu erfunden. Die Art, wie wir Musik gemacht haben, habe ich vorher auch nie so gemacht. Das macht mir Spaß und genau darum geht es ja. Ich will nicht immer an Verkaufszahlen und an Geld denken. Mich nervt das ganze verfickte Rapgame, es geht immer nur darum, wer auf welchem Platz chartet. Scheiß drauf! Gerade ist es so: Am Anfang steht der Gedanke an das Geld, an die Chartplatzierungen und dann machst du Musik. Das ist aber falsch. Erst kommt die Musik und dann macht man sich Gedanken, was passiert.

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Rapgame und Rapkunst sind ja noch einmal zwei verschiedene Dinge. Hast du das Gefühl, dass du das Rappen ausgeschöpft hast?
Ja. Natürlich könnte ich ein Album machen, dass City Cobra 2 heißt und ich könnte den Käse genauso einrappen wie damals, aber es juckt mich nicht. Ich muss niemandem mehr etwas beweisen, es geht jetzt nur noch darum, mich weiter zu entwickeln.

Exit erscheint am Freitag. Ihr könnt es bei Amazon oder iTunes vorbestellen.

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