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Beyoncé hat dieses Wochenende zerfickt—sorry, aber man kann es nicht anders sagen

Beyoncé verteilte mit ihrem Superbowlauftritt nicht nur High Fives an alle Schwarzen außer- und innerhalb der USA, sondern auch perfekt manikürte Mittelfinger an das rassistische System.

Ist es nicht nett von Beyoncé, dass sie Lady Gaga, Coldplay und Bruno Mars die Chance gegeben hat, Vorgruppe für ihr Konzert zu sein? Und dann auch noch zur Überbrückung der Langweile davor und danach ein Footballspiel arrangieren ließ? Seien wir mal ehrlich: Etwas anderes war der Superbowl nämlich nicht—oder Superball? Muss ich erstmal googlen wie das heißt. Wie gesagt, keiner von uns hat sich das amerikanische Großspektakel angesehen, weil keiner tatsächlich Interesse an dem Spiel mit dem seltsam geformten Ball hat, dessen Regeln kein Mensch kennt und das schleierhafterweise „Football“ heißt, obwohl der Ball größtenteils in den Händen getragen wird. Wer etwas anderes behauptet lügt oder ist ein prätentiöser Möchtegernsportexperte. Sorry.

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Jedenfalls verfielen sämtliche Beyoncé-Fans (also die ganze Welt) in Schappatmung, seit bekannt gegeben wurde, dass Queen Bey den Superbowlveranstaltern den Arsch retten wird, nachdem diese tatsächlich Coldplay als Act für die Halftime-Show angekündigt und ziemlich rüde Rückmeldungen dafür kassiert hatten (zu Recht). Wer muss es also mal wieder richten? Natürlich Beyoncé—und das gilt nicht nur für das unfähige, mit schlechtem Musikgeschmack gesegnete Team der Eventplanung des Superbowl. Auch in Zeiten politischer Resignation, rassistischer Polizeigewalt und sozialen Missständen ist es mal wieder Queen Bey, die mit wehendem Cape und Mähne angecatwalked kommt, um die Nation zu retten.

Nein, ich übertreibe nicht. Leider übertreibe ich nicht. Wir sprechen hier schließlich von einem Land, in dem Klatsch und Tratsch in den Nachrichten gezeigt wird, Donald Trump Wählerstimmen bekommt (wenn auch glücklicherweise nicht ganz so viele wie gefürchtet) und der Mörder eines Teenagers zum Promiboxen eingeladen wird. Jemand wie Beyoncé hat tasächlich einen größeren Einfluss auf die Gesellschaft, als es so mancher Politiker hat. Wenn Beyoncé also ein systemkritisches Black-Lives-Matter-Video veröffentlicht und das größte Medienereignis der Nation zu ihrer eigenen politischen Kampagne umfunktioniert, ist das ein nicht zu unterschätzender Beitrag in einem Diskurs der Amerika immer weiter spaltet.

So veröffentlichte Beyoncé überraschend einen Tag vor dem Superbowl das Video zu ihrer ersten Single seit über einem Jahr, das sowohl musikalisch wie auch visuell alle Level an Großartigkeit vorweisen kann und zudem noch eine deutliche Message bezüglich Race, Identität und schwarzer Kultur besitzt. Wie amerikanische Medien es formulierten, präsentierte sich Beyoncé in dem fast fünf Minuten langen Video „unapologeticly black“ also „unmissverständlich schwarz“. Das Video ist gespickt mit sowohl in ästhetischer wie auch inhaltlicher Hinsicht starken Bildern. So wird in der einen Szene schwarze Kultur zelebriert, in der nächsten das gesellschaftliche und politische System Amerikas direkt kritisiert, das zwar schwarze Kultur liebt, jedoch keine schwarzen Menschen.

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Man könnte sagen, dass „Fomation“ eine Hymne an die Schönheit schwarzer Kultur und schwarzer Frauen, gleichzeitig jedoch auch ein perfekt manikürtier Fingerzeig auf deren Probleme ist, was im Intersprech unter den Hashtags #blacklivesmatter #blackgirlmagic und #blackpride auf Twitter diskutiert wird. Und das in ungewohnt direkter Art, wo Beyoncé bisher eher als gefällig und harmlos in ihren politischen Bestrebungen beschrieben werden könnte.

Böse Zungen könnten Beyoncé nun gewisse effekthascherische Absichten unterstellen, ein solches Video zu veröffentlichen. Man könnte fast von Heuchelei sprechen. In der Vergangenheit wurde sie immer wieder von der schwarzen Community hart dafür kritisiert, sogenanntes „whitewashing“ zu betreiben, beziehungsweise zu unterstützen. Und man muss einräumen, dass in diesen Vorwürfen auch der ein oder andere Funken Wahrheit steckt. Dennoch tut dies der Botschaft keinen Abbruch, die sie dennoch durch ein solches Video populär macht. Es ist egal, ob Beyoncé auf ihren Albumcovern ihre Haut bis nahe der Unkenntlichkeit aufhellen lässt oder blonde Perrücken trägt—sie stößt mit ihrem Video eine Diskussion an, die seit Ewigkeiten in den USA brodelt und schafft ein Bewusstsein, vor allem in Kreisen, die sonst vermutlich keine Berührungspunkte mit diesem Thema hätten. Und das ist verdammt wichtig. Es mögen viele vielleicht für nicht gut befinden, aber es ist eben nun mal ein Fakt, dass Beyoncé zu den vermutlich einflussreichsten Menschen Amerikas zählt. Es kann also nicht schaden, jemanden mit einer Reichweite wie der ihrigen auf seiner Seite zu haben.

Jedenfalls haut Beyoncé erstmal so eine Ansage raus—einen Tag vor der großen Show, für die sich eingefleischte Fans bereits mit Inhalatoren, Perückenkleber und Ventilatoren zur Vorbereitung eingedeckt haben. Und dann performt sie das Ding natürlich auch. Beyoncé verwandelte den Superbowl somit nicht nur in die zu erwartende One-Woman-Show (Coldplay, Bruno Mars und Lady Gaga waren übrigens auch da und gewonnen haben die Denver Broncos, falls das irgendjemand interessiert), sondern auch zu einem Statement.

Der Superbowl hat die höchsten Einschaltquoten in den USA. Weltweit schalten sogar an die 800 Millionen Menschen zu. 800. Millionen. Menschen. Dass Beyoncé ein Massenereignis in diesem Ausmaß wählt, um einen Track zu premieren, der nicht nur eine High Five an alle Schwarzen außer- und innerhalb der USA ist, sondern auch ein wieder mal perfekt manikürter Mittelfinger an das marode, rassistische System, ist nicht nur verdammt cold, sondern auch ziemlich klug. Aber vor allem: ziemlich wichtig.

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