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Air Max Day 2015

Berlin: Die Heimat des echten Drum'n'Bass

Es geht hier nicht NUR um Techno.

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Was zur Hölle ist eigentlich dieser Air Max Day? Für diejenigen, die die Sneaker-Geschichte nicht auswendig kennen: Der 26. März 1987 war der Tag, an dem der erste Air Max—mit seiner sichtbaren Luftblase—veröffentlicht wurde und von da an für die nächsten knapp 30 Jahre für große Begeisterung sorgen sollte. Der Air Max 1 definiert im Prinzip den Moment, in dem Nike die Sneaker-Firma wurde. Die Gestaltung des Schuhs wurde von dem legendären Designer und früheren Athleten und Architekten Tinker Hatfield angeführt, Nikes heutigem Vizepräsidenten für Design und Special Projects. Hatfield hat außerdem die besten Air Jordans und den legendären Air Max 90 designt.

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Wenn du so bist wie ich und nicht Unmengen an Geld hast, dann willst du wahrscheinlich, dass die Schuhe, die du dir kaufst, auch die besten sind. Die Anziehungskraft des Nike Air ist dabei ganz natürlich, denn wer würde nicht gerne auf „Air“, also Luft, laufen. Jede Generation des Air Max steht für den jeweiligen Höhepunkt der Nike Air-Technologie, wobei so viel Luftpolsterung wie wissenschaftlich möglich verwendet wurde. Und das zu einem angemessenen Preis und in robuster Verarbeitung.

Ein leichter Laufschuh mit der besten Ausstattung von der beliebtesten Marke der Straße war immer anziehend für Europas Sportkleidung tragende Fans elektronischer Tanzmusik. In den ersten Jahren war es so, als würde jeder Fortschritt in der Air-Technologie, jeder neue Air Max, die technologischen Fortschritte in der Musik, zu der getanzt wurde, aufgreifen. Und wer würde die futuristischen Beats nicht auch in Form futuristischer Schuhmode an den Füßen tragen wollen? Sicher, es gibt wichtigere Dinge im Leben, aber da die Jahre seit 1987 sowohl in der elektronischen Musik als auch im Sneaker-Design die aufregendsten überhaupt waren, sind gute Musik und gute Schuhe ein sehr guter Start.

Es war ein warmer Nachmittag im Juli 1998, als ich in einer gemieteten Mercedes E-Klasse über die A4 raste. Das war das Fahrzeug meiner Wahl, wenn ich mit meinen Kumpels Miguel Ayala, Ronin und Glacius, auch als Precision Crew bekannt, das Land durchkreuzt habe. Unser Ziel: Berlin, wo wir im prestigeträchtigen WMF Club spielen sollten. Das Berliner Kollektiv Hard:Edged hat jeden Freitag ihre Drum’n’Bass-Events in diesem hochmodernen Club im Johannishof veranstaltet, einem ehemaligen Gästehaus für den DDR-Ministerrat. In Drum’n’Bass-Kreisen gab es immer ein wenig Rivalität zwischen meiner Heimatstadt Frankfurt und Berlin; die Tatsache, dass wir vier als Team gebucht wurden, um in Deutschlands inoffizieller Hauptstadt des Nachtlebens zu spielen, war also Kompliment und Herausforderung zugleich. Hard:Edged hatten den Ruf, den Laden komplett abzureißen und während die meisten Drum’n’Bass-Veranstaltungen auf dem europäischen Festland Headliner aus dem Mutterland dieser Musik benötigten, um genug Leute anzuziehen, konnten Hard:Edged sich auf die lokalen Talente verlassen. Und sie haben sichergestellt, dass es keine Missverständnisse gab: riesige Boxentürme, 360-Grad-Projektionen, das volle Programm.

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Aber Berlins Liebe zu Drum’n’Bass begann lange vor dem WMF. Das „Toaster“ in der Neuen Schönhauser Straße hat 1994 eröffnet und dort haben die meisten zum ersten Mal die neuesten White Labels aus Großbritannien gehört. Berlin war jedoch immer etwas anspruchsvoller und das Publikum kannte seinen Sound, hatte einen gesunden Menschenverstand dafür, wenn sich etwas wiederholte und hat dich verachtend angeguckt, wenn du einen Fehler bei deinem Mix gemacht hast. Eine Sache, die ich für relevant hielt, war die Infrastruktur, die Berlin bot, damit Jungle wachsen konnte: Zusätzlich zu einigen spezialisierten Plattenläden gab es wöchentliche Sendungen auf öffentlichen Radiostationen wie Kiss FM und Fritz und eine von CGB-1 fachmännisch bediente Neumann VSM 66 Schneidemaschine für Dubplates, an der dieser vor dem Wochenende Doppelschichten schob.

Um 1995 überkam Deutschland ein riesiger Jungle-Hype und die Medien haben sich auf diesen Klang der Zukunft gestürzt. Jungle wurde als „die schwarze Alternative zu Techno“ gepriesen, die CDs lagen jedoch in den Läden wie altes Brot. Auch wenn das nicht der einzige Grund für den nachfolgenden Rückgang war, war dies ein Zeichen, dass die komplexen Breaks und Basslines vielleicht etwas zu anspruchsvoll für „untrainierte“ Ohren waren. Also dauerte es nicht lange, bis Jungle nicht mehr als das nächste große Ding angesehen wurde und gegen Ende 1996 war es wieder im Underground verschwunden. Trotzdem öffnete im darauffolgenden Jahr in einer alten Brauerei in Prenzlauer Berg mit dem Club „Icon“ der erste Laden seine Türen, der explizit ein Jungle-Publikum angesprochen hat. Dies war ein Zeichen, dass Berlins Jungle-Szene trotz der negativen Reputation stärker wurde. Dank der einzigartigen Beschaffenheit des Berliner Nachtlebens konnte Jungle sich mit House und Techno vermischen, was eine unvergleichbare Form von gegenseitiger Befruchtung erlaubte, die man nirgendwo sonst beobachten konnte. Es ist kein Wunder, dass Hard:Edged bei der Loveparade 1997 mit einer Crew aus Schwergewichten aus Großbritannien vertreten war und allen Pessimisten gezeigt hat, dass das Genre immer noch mächtig Punch hatte.

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Was den Style anging, so sah das Drum’n’Bass-Publikum in Berlin anders aus als das in London. Obwohl die lokalen Aktivisten sich der Tatsache bewusst waren, dass der Sound aus Großbritannien stammte, haben sie den Dingen schnell ihren eigenen Stil verliehen. Das Fanzine „Easy“ erschien 1994 zum ersten Mal, um die neuesten Entwicklungen zu dokumentieren, das lange existierende Musik- und Lifestyle-Magazin „De:Bug“ folgte 1997. Die Modemarke „Irie Daily“ aus Kreuzberg war ebenfalls omnipräsent auf Dance-Veranstaltungen in Berlin, auch dank ihrer Verbindungen zu einigen Aushängeschildern der Szene.

Anders als Großbritannien hatte Berlin keine eigene Ragga-Szene und die meisten deutschen Jungle-Fans kamen durch Hardcore und Techno zu der Musik, woher auch die Vorliebe der Berliner Szene für T-Shirts und Plattentaschen von Jeff Mills Detroiter Kollektiv Underground Resistance stammt.

Deswegen waren auch die MCs nicht so bekannt wie in London und die Kleidung war weniger protzig. Die Bestandteile, die einen Jungle-Anhänger ausgemacht haben, waren alle da, nur etwas abgeschwächt. Das bedeutete Air Max 95er—ein Sneaker mit einem radikal neuen Styling und einer Luftblase im vorderen Bereich, die so vorwärtsgewandt zu sein schien, wie die Musik—schlabberige T-Shirts und Baseballcaps. Tatsächlich können die Grundzutaten aus zurückhaltender Sportkleidung und nicht übertriebener Freizeitkleidung auch heute noch an vielen Clubgängern in Berlin gesehen werden, bei denen die Musik im Vordergrund steht. Obwohl du beim Betrachten von Flyern aus dieser Zeit auch den Unterton einer Cyber-Ästhetik wahrnehmen kannst, die aus der Trance-Welt aufgegriffen wurde. Ein weiterer Sub-Trend war das Tragen von Camouflage und Militärkleidung, besonders Cargo-Pants, was eine Verbindung zu den Berliner Industrial-, Punk- und Technoszenen darstellte.

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Der Style der Berliner Jungle-Szene war pragmatisch und robust, jedoch mit einem eindeutigen Club-Vibe, der die Grundlage des Sounds genommen und an die Muster von House und Techno angepasst hat. Und ich vermute, dass das bis heute sein Vermächtnis ist.

Seit der Hochphase des Jungle ist einiges passiert: Es sind ein paar Top-10-Hits daraus entstanden, es ist ein paar Tode gestorben und in diesem Prozess zu einer globalen Szene geworden. Und irgendwie gibt es immer einen Bedroom Producer mit genug Skills und Vision, um dem Jungle-Sound neues Leben einzuhauchen, wenn es am dringendsten benötigt wird. Aber das ist eine andere Geschichte.

Mehr in dieser Serie:

Amsterdam: Die Heimat von Gabber
London: Die Heimat des Shuffle

Fotografin: Alex De Mora
Creative Director: Kylie Griffiths
Assistenten: Ellie, Sian und Thomas
Produktionsassistentin: Tabitha Martin
Haare: Johnnie/Morocaan Oil
Make-up: Lucy/Mac Cosmetics
Make-up-Assistenten: Lydia Harding und Celia Evans
Models: Perri, Rhimes und Anne-Marie