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Track By Track mit Azealia Banks' ‚Broke With Expensive Taste‘

Azealia Banks hatte ihr Album ursprünglich für September 2012 angekündigt, im November 2014 ist es tatsächlich da. Wir haben überprüft, ob es sich lohnt, sich das Album anzuhören.

Kannst du dich eventuell an eine Rapperin namens Azealia Banks erinnern? Vielleicht hat deine Mutter mal von ihr erzählt, weil du mit Sicherheit noch zu jung warst, als diese Dame urplötzlich von null auf weltberühmt schnellte, alles aufgrund eines—zugegebenermaßen verdammt guten—Songs namens „212“.

Damals rieselte es für Azealia Banks jede Menge Vorschusslorbeeren für eine wie auch immer geartete Karriere und einen vermutlich gar nicht so schlecht finanziell ausgestatteten Majorvertrag bei Interscope Records. Zwischenzeitlich galt sie als die Rettung des (weiblichen) Raps und bis heute gibt es da draußen gar nicht so wenige, die sie für talententierter halten als Iggy Azalea und Angel Haze zusammen. Andererseits hat letztere ein künstlerisch stabiles, wenn auch nicht supererfolgreiches und erstere ein künstlerisch schwaches, aber dafür inklusive Nummer-eins-Single kommerziell sehr erfolgreiches Debüt rausgehauen, während Azealia … Ja was eigentlich? Drei Jahre lang nichts gemacht hat? Außer erst ihr Label und dann ihre Fans zu verscheuchen?

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Auch wenn das nicht jeder mitbekommen haben dürfte: Azealia Banks hat am vergangenen Freitag ihr Album Broke With Expensive Taste veröffentlicht. Und zwar ausschließlich digital und ohne vorherige Ankündigung, denn was Beyoncé kann, kann Azealia schon lange.

Wir bei Noisey waren immer im Az-Lager, aber auch wir hätten kaum noch geglaubt, dass diese Frau jemals ein Album veröffentlicht. Das ist also eine Überraschung. Und Grund für uns, das Werk genauestens zu analysieren, hier ist also ein Track by Track zu Azealia Banks' Debütalbum Broke With Expensive Taste.

„Idle Delilah“

Erst klackert und bluppt es sich äußerst sexy in Azealia Banks langerwartetes Erstwerk hinein, dann kommt der Beat noch hübsch versetzt hinzu und 45 Sekunden lang hat man richtig Bock auf das Album. So wie 2012. Mann, wie die Zeit vergeht, wenn man Spaß hat. Dann kommt Azealias Gesang. Ja, Gesang, nicht Rap. Ich korrigiere einen Satz von weiter oben: Azealia kann doch nicht unbedingt, was Beyoncé kann. In der zweiten Strophe kommt noch eine zum Beat versetzte Gitarre und damit ist so viel verschoben, dass es sich fast schon wieder fügt. Leider nur fast. Der Refrain, oder was wir als Refrain interpretieren, macht dagegen mit gechoppten Vocals im Elektrohouse-Style wieder Bock und danach gibt es eine in höchster Geschwindigkeit gerappte Strophe, die nur durch ein völlig absurdes Glockenspiel/Xylophon wieder kaputt gemacht wird. Achterbahn.

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„Gimme A Chance“

Der zweite Song spricht ja schon vom Titel her für sich. Az hat es sich in den letzten zwei bis drei Jahren mit ziemlich vielen Menschen verscherzt, aber hey, wir geben ihr gern eine Chance. Auch hier ein auf einem ziemlich radikal gespielten Bass basierender Beat, der erstmal eine Herausforderung ist. Nach 25 Sekunden dann noch eine Bläsersatz, der von James Last stammen könnte. Im Refrain wird gescratcht wie 1983 in Wildstyle und im Hintergrund spielt sich ein Elfjähriger für seine Xylophon-Prüfung warm. Nach etwas über zwei Minuten dann semi-karibische Rhythmen unter spanischem Gesang. WTF? Chance vertan.

„Desperado“

Hi, Flying Lotus! Drum’n’Bass-Beat und Freejazz-Saxophon, das nicht billig gesamplet klingt. Darüber trockener Azealia Banks-Rap in dem Stil, für den sie mal berühmt geworden ist. Nach 2.30 ein geniales Break mit Melodien und runtergepitchten Beats. Dann wieder Drum’n’Bass. Alles irgendwie retro und eben deshalb irgendwie futuristisch. Mehr davon!

„JFK“ feat. Theophilus London

Schon vor dem ersten Ton Freude: Erstens, lautet auch Shindys bester Track „JFK“, was Azealia Banks allerdings höchstwahrscheinlich schwanz ist. Zweitens hat Theophilus London neulich ein Album veröffentlicht, das viel besser war als erwartet. Der Beat dann auch irgendwie positiv Post-House, geflüstert düsterer Azealia-Sprechgesang, bisschen mehr nach vorne-Rap von Theophilus. Nach 2.30 das inzwischen schon obligatorische Break, woraufhin sich „JFK“ weiter in einen astreinen Discohouse-Track entwickelt. Gut. Gut!

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„212“ feat. Lazy Jay

Keine Ahnung, ob es an mir liegt, ob es Nostalgie ist (wie gut ging es mir eigentlich vor drei Jahren?), aber „212“ ist vermutlich einer der wenigen Songs, der niemals sterben wird. Es macht immer wieder Bock, dieses Lied zu hören. Ist natürlich trotzdem langweilig bis absurd, ein drei Jahre altes Lied auf einem Album zu veröffentlichen.

„Wallace“

Hier kriegen wir auf den ersten Eindruck dann mal was vollkommen anderes. Yung Skeeter hat einen minimalistischen, fast auschließlich auf Tombs basierenden Beat gebastelt, Azealia singspricht mit einem beeindruckenden Flow und hier funktionieren sogar die Klanghölzer. Das ist möglichst weit vom Mainstream weg und genau deshalb verdammt gute Musik.

„Heavy Metal and Reflective“

Den Track kennen wir bereits, da Azealia ihn im Juni als Single veröffentlicht hat. Das war dann ihr endgültiger Bruch mit allen Major-Vergangenheiten. Zu Recht hat „Heavy Metal and Reflective“ ordentliches Feedback erhalten, der Beat brummelt sich durch dystopische Tiefen, Azealia macht, was sie kann. Wäre dieser Track wie geplant 2012 oder Anfang 2013 rausgekommen, wäre er seinem Genre ähnlich vorausgewesen, wie einst „212“. Schade eigentlich.

„BBD“

So, Azealia hat sich hier langsam eingegroovt. Der Track „BBD“ hängt auf einen ziemlich anziehenden Niveau irgendwo zwischen Trap-Beat und experimentellem Elektro fest. Was komplett daneben gehen könnte, funktioniert. Dazu inhaltlich die gewohnt große Fresse—Bad Bitches Do it. Nice.

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„Ice Princess“

Der Track wurde von AraabMuzik produziert und das hört man. In Slowmotion schleppt sich der Bass und bietet Azealia genug Raum für ihre Raps. Der Refrain wurde leider ziemlich aufgeblasen, hier bleibt dann auch nichts mehr vom Vers-Beat übrig. Was positiv beginnt, wird zum klassischen Weiter-Skipper, wer es in den zweiten Vers schafft, beweist schon Stärke. Wahrscheinlich von Interscope als Single gedacht.

„Yung Rapunxel“

Der Songtitel ist das Pseudonym der Sängerin und der Song ziemlich alt. Erste noch von Interscope veröffentlichte Single für das Album, im April 2013 erschienen. Manch einer erinnert sich vielleicht. Klanglich ganz deutlich in Richtung „212“ gedrängt, was einmal funktioniert hat, sollte doch bitte nochmal funktionieren. Vermutlich hat es genau aus dem Grund nicht funktioniert. Dem Durchbruch muss schließlich noch einmal auf allen Ebenen einer draufgesetzt werden und so entsteht ein Song, der von allem zu viel hat, was ihn eher nervig als hörbar macht. Das Video ist trotzdem ziemlich cool.

„Soda“

SCNTST hat „Soda“ produziert und hier ganze Arbeit geleistet. Das ist genau dieses House-trifft-Rap-Ding, das Azealias Nische ist, wenig aufgesetzte Wut, stattdessen ausgereifte R’n’B-infizierte Vocals auf einem nicht verschrammelten, teils sogar melodiösen Housebeat und Azealia zeigt in ihren Lyrics Gefühle und Verletzlichkeit.

„Chasing Time“

Auch eine Vorabsingle, erschienen am 22. September 2014, also vor ein paar Wochen. Ist allerdings wohl weitestgehend an der Menschheit vorbeigegangen, die mit Ebola, IS und so weiter ja auch echt genug zu tun hatte. Eigentlich schade, denn auch das hier ist ein guter Track. Azealia singt erheblich mehr als sie rappt, aber genau in der Tonhöhe, die ihr liegt und auf einem beeindruckenden Niveau. Der Beat ist wieder leicht verschwurbelt und gebrochen, aber auch das genau zum richtigen Grad. Hätte vor einer Weile eine richtig erfolgreiche Single werden können. Video kommt übrigens bald.

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„Luxury“

Hui, hier geht’s aber mal wieder düster-technoid los. Kein Wunder, der Track wurde schließlich von Machinegun produziert. Für so eine außergewöhnliche Zusammenarbeit hatten wir vor ein paar Jahren unserer Hoffnungen in Az gesteckt, schade dass all das jetzt den leichten Beigeschmack von Abgestandenem hat und sei es nur aus dem Wissen heraus, dass uns die Songs schon längst hätten erreichen können.

„Nude Beach A-Go-Go“

Was zur Hölle? Ernsthaft, was zur Hölle?

„Miss Armor“

Miss Banks konzentriert sich wieder auf das, was sie kann. Und zwar in diesem Track ziemlich gekonnt. Klar, das klingt alles ein wenig wie „212“ in einer Alternativ-Version, aber es klingt halt trotzdem noch gut. Lone, der ja durchaus auch ein talentierter Solo-Künstler ist, hat sich hier ein wenig zum Dienstleister gemacht. Alles solide, aber beim nächsten Mal darf er ein bisschen mehr in die Vollen gehen.

„Miss Camaraderie“

Miss Banks konzentriert sich wieder auf das, was sie kann. Und zwar in diesem Track noch gekonnter. Klar, das klingt alles ein wenig wie „212“ in einer Alternativ-Version, aber es klingt halt trotzdem verdammt gut. Lone, der ja durchaus auch ein talentierter Solo-Künstler ist, zeigt hier, was er drauf hat. Er treibt Azealia vor sich her, macht ihr ordentlich Feuer unterm Arsch und bringt sie so zu Höchstleistungen. Gegen Ende des Tracks lässt er das Spielkind in sich an die Tasten, was zu einer spaßigen Persiflage der noch weiter vorne auf dem Album leicht daneben gegangenen Bläsersätze wird.

Fazit

Ich könnte jetzt behaupten, dass ich schon immer im Team Azealia war und wusste, dass sie ein gutes Album veröffentlichen wird, wenn es denn jemals dazu kommt, aber auch ich hatte zwischenzeitlich Zweifel. Ob da überhaupt noch was kommt. Aber das Album mit dem wunderbaren Titel Broke With Expensive Taste überrascht mich und zwar positiv. Der Einstieg ist etwas schwierig, und wenn ich irgendwo kürzen würde, dann bei den ersten beiden Tracks. Aber dann ist Azealia drin und liefert ein ziemlich solides Debüt mit zwischenzeitlichen Ausschlägen nach oben, und nur wenigen nach unten. Um den ewigen Vergleich mit den Femcee-Kolleginnen Iggy Azalea und Angel Haze zu bemühen: das beste Debüt aus dem Kreis der drei Rap-Queens. Leider definitiv zu spät. Was für Wellen hätte das schlagen können!

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