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Acht Gründe, warum das Tomorrowland Festival erbärmlich ist

"Fuck, ich bin doch eh erst 30 und auf einem beschissenen Festival, nicht in meinem Büro."

Als leidenschaftlicher Festivalbesucher habe ich es nach 15 Jahren voller Veranstaltungen, von Rock über Metal bis hin zu D'n'B und Hardstyle, geschafft. Ich habe Tickets für DAS Festival ergattert. Für Tomorrowland. Aber wenn man schon fährt, dann muss Gönnung so richtig sein und da meine Freunde und ich am Tomorrowworld 2014 in Atlanta schon die Dreamville-Dröhnung hatten, buchten wir gleich das Global Journey Packet samt 4-Sterne-Hotel. Mit von der Partie war der Beer-Pong-Tisch, DJ-Pult und—ohne Werbung für das geile Teil machen zu wollen—unser 115dB Gerät: der Teufel Rockster. Gemeinsam mit unserer Motivation waren also alle Voraussetzungen perfekt. Nur das Festival war es nicht. Versteht mich nicht falsch. Bühne, DJs, Sound, Logistik, alles perfekt. Aber solltest du auch aus der "richtigen" Festivalriege sein—sowie wir—dann sind hier acht Gründe, warum du auf dieses Festival getrost verzichten kannst.

1. Der Preis

Fix ist, du gehörst nicht zu den Auserkorenen, die ein Ticket über den offiziellen Webshop bekommen, denn so jemanden haben wir auch dort nicht getroffen. Keine Ahnung, ob diese Tickets wirklich existieren oder es nur Verschwörungstheorien sind. Somit bleibt dann nur noch die Möglichkeit, eine Global Journey zu buchen, deren Preise bei 800 Euro inklusive Hotel beginnen. Oder du kaufst am Schwarzmarkt. Gehörst du jedoch zur glücklichen Sorte Mensch, bekommst du dort Tickets um schlanke 500 Euro, wahrscheinlich sinds aber ab 700 Euro aufwärts. Hand aufs Herz: Kein LineUp der Welt, keine Bühnendeko oder Pyroshow kann das wirklich wert sein.

Bei den Pyro- und Lichtshows wurde nicht gespart. Auf der Hauptbühnen allein wurden mit Sicherheit jeden Abend fünfstellige Eurobeträge in die Luft verpulvert.

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2. Die Preise

Bist du dann endlich am Gelände angekommen und hast die wirklich imposanten Eindrücke der Marketingmaschinerie verdaut, geht es erstmal zum Getränkestand. Haltest du dann dein Bier in den Händen, wenn man den halb angefüllten 0,4 Liter Becher gelben Wassers mit Kohlensäure so nennen kann, müsst du bezahlen. In Perlen. Die du vorher per Kreditkarte auf dein Armband geladen hast. Der Deal: 20 Euro sind 13 Perlen. Für das Bier sind viereinhalb Perlen fällig. Ist das viel oder wenig in harter Währung? Ich konnte es nie wirklich sagen. Das kann natürlich auch daran liegen, dass ich meiner Mathelehrerin nie geglaubt habe, die meinte, dass ich Bruchrechnen täglich brauchen werde. (Es sind knappe sieben Euro!)

3. Die Party

Hat man nun ohne chemischen Zusatz endlich das Level zum Partymachen erreicht—ja ich brauch Alkohol zum Feiern, ich trage nämlich auch Laufschuhe zum Laufen—macht man sich auf den Weg zu den Bühnen. Überraschend leicht kommt man auch fast ganz nach vorn. Die Frage ist nur, ob man das auch will. Denn normalerweise sind ganz vorne die wirklich Feierwütigen, also wir. Nein, dort ist es anders. Da warten Leute, die stehend essen und auf ihr Smartphone schauen, auf bessere Tage. Wer jetzt denkt, klar auf der Chillout-Bühne kein Problem: Nope, es war überall so, besonders einprägsam war das Erlebnis in der Pussy Lounge bei einem Hardstyle-Act.

4. Es ist verboten

Wir hatten Glück mit dem Wetter. Bei 32 Grad und Sonnenschein, haben wir uns also nach dem ersten Schock auf der Bühne zum See in Mitten des Geländes platziert und gewundert, warum kein Mensch im Wasser ist. Da es in Belgien unser erstes Mal war, haben wir gefragt. Die einfache Antwort: Weil es verboten ist. Diese Antwort bekamen wir aber nicht von den Securitys, sondern von den Besuchern. Von allen, die wir fragten. Scheiße, wo wäre die Menschheit, wenn wir uns immer an alles gehalten hätten, was verboten ist. Gerade an einem ach so alternativen Platz wie "Tomorrowland".

Bei den Pyro- und Lichtshows wurde nicht gespart. Auf der Hauptbühnen allein wurden mit Sicherheit jeden Abend fünfstellige Eurobeträge in die Luft verpulvert.

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5. Alles ist verboten

Vielleicht lag es an uns, aber irgendwie schien einfach alles verboten zu sein, was auf einem Festival Spaß macht. Gleiches erlebten wir bei Trinkspielen am Wegrand, Pogos, Circles, Crowdsurfing und so weiter. Sogar bei einem Spiel "Spontan-Wenn-Ich-Du-Wäre" wurde uns gesagt, wir sollen nicht so kindisch sein. Fuck, ich bin doch eh erst 30 und auf einem beschissenen Festival, nicht in meinem Büro. Ist es nicht gerade der Charme eines Festivals, dass die Anarchie regiert, aber trotzdem alle miteinander klar kommen? Und ja, als alter Querulant war ich in dem scheiß See. Aus Prinzip.

Eine der bewegendsten Szenen war als der Rolly-Fahrer Crowdsurfen wollte und er zu Zatox richtig abgeravet ist. Der zerstörte Traum kam mit der Security.

6. The Cake is a lie

Für alle, die Portal gespielt haben, ist die Sache jetzt fast klar. Für die anderen hier die Erklärung: Schaut man die Aftermovies sieht man überall schöne Menschen. Ohne Zweifel muss ich als fleißiger Muckibuden-Geher anerkennen, dass die Dichte an top-trainierten Jungs nicht mal im Gym höher ist. Aber das eigentliche Problem aller Single-Männer ist, dass 80 Prozent der Ladys mit ihrem Bären dort sind. Generell wirkt das Festival eher wie ein Pärchen-Cluburlaub. Wär ich Single, würde dieser Punkt wohl ganz oben stehen. Zusätzlich muss ich auch allen Mädels raten, am besten in befreundeter männlicher Gesellschaft aufzukreuzen. Denn wenn du mit deinen Freundinnen allein dort bist, zieht ihr wie eine Laterne die mit Testosteron gemästeten und mit Ecstasy geladenen Jungbullen im Schwarm an. Muss aber auch nichts Schlechtes sein, vielleicht ist dort auch dein Prince Charming dabei.

7. Gibt es Blackwater noch?

Klar, Security muss sein. Bei aller Liebe für uns Festivalgeher, hin und wieder eskalieren Situationen einfach. Aber braucht man wirklich vier komplett in schwarz gekleidete Bodybuilder samt Ausbildung bei den Marines, die bei Blackwater angestellt sind? Nur, um jemanden im Swat-Style eine von der Deko gestohlene Sonnenblume abzunehmen? Oder könnte man hier zuerst den Mund aufmachen. Ach so ja, Deko als andenken mitzunehmen, ist ja verboten—steht sogar in den AGB.

8. Die Leute

Nun ja. Fasst man alle vorhergehenden Punkte auf einen gleichen Nenner zusammen, ist wohl nicht das Festival beziehungsweise der Veranstalter direkt schuld, sondern eher das Publikum. Nicht, dass alle unfreundlich wären oder einen ständig ansteigen. Es ist einfach—na ja, wie soll man sagen—als würde man in einem gut gepflegten Country- oder Golfclub, ein Festival für die Kids und Junggebliebenen veranstalten. Korrekt, versnobt, verstaubt. Da helfen alle Drogen der Welt als Multiplikator nicht, wenn die Durchdrehmotivation bei null liegt. Null mal null ergibt bekannterweise null—ja, meine Mathelehrerin hat nicht komplett versagt. Als wären alle Streber der Welt auf einen Punkt zusammengekommen, um hier ihr Banker- oder Rechtsanwältinnengehalt auf den Kopf zu stellen.

Wir halt.

Fazit

Ich möchte das Festival nicht schlecht reden, es war eines der geilsten, auf dem ich jemals war. Aber nur aufgrund der DJ-Dichte, der geilen Bühnen und Anlagen und meiner Truppe. Alleine wäre das der Horror. Ein Festival für ein bestimmtes Klientel, zu dem ich nicht gehöre und gehören will. Wenn du so jemand bist, der auf einem Festival absichtlich die Schlammpfütze sucht, grinsend im Regen tanzt, sich einmorpht oder im Borat-String herumläuft, als erster im Pogo tanzt, als Crowdsurfer noch andere mit nach oben nimmst, findest dass Dixi-Klos wie die Hölle riechen muss, Bier auch kochend heiß mit Genuss trinkst, jedes Trinkspiel zelebrierst, als wäre es das letzte, nicht schreiend zur Dusche läufst, wenn einmal ein ganzer Becher Spritzwein auf dir seine Ruhestätte gefunden hat—dann bist du trotz aller Schönheit des Festivals am Ende des Tages vom Tomorrowland doch irgendwie enttäuscht. Leider.

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