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In Dresden haben Islamkritiker Christen mit Moslems verwechselt

"Unglaublich! Islamische Gebete in der #Lutherkirche #Dresden"
Fotos: Imago | Epd || Imago | Blickwinkel || Collage

Wenn die Dresdner Patrioten durch die Straße ziehen, um gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung zu protestieren, berufen sie sich gerne auf das Abendland. Das jüdisch-christliche geprägte Europa müsse sich gegen die "Islamisierung" zur Wehr setzen. Wie sich nun zeigt, kennen die selbsternannten Bewahrer des Abendlandes die eigene Religion allerdings nicht sonderlich gut.

Seit Montag teilen Rechte im Netz das Video eines eritreisch-orthodoxen Ostergottesdienstes. Darin lauschen Gläubige dem liturgischen Gesang eines Pfarrers in der Martin-Luther-Kirche in Dresden. Später betreten Frauen mit der für orthodoxe Christen charakteristischen weißen Kopfbedeckung die Kirche. Das Video filmt eine offensichtlich aufgebrachte russischsprachige Frau, sie redet sich in Rage, sagt, der Gottesdienst sei nicht "erwünscht" und "respektlos".

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Es dauerte nicht lang, bis der Mitschnitt als Beweis für die Islamisierung des Abendlandes im Netz herumgeistert: Auf YouTube verbreitete der Kanal "Dresden wehrt sich" das Video zwischenzeitlich, auf Facebook teilte es die Seite "Deutschland wehrt sich", deren Administrator schrieb: "Sollte es sich hier nicht um einen schlechten Scherz handeln, bin ich absolut sprachlos." Seit Montag teilten mehr als 150 Nutzer den Mitschnitt, darunter auch der NPD-Kreisvorsitzende aus Bautzen, Marco Wruck, und der AfD-Politiker Maximilian Krah. "Sowas hat hier nichts zu suchen", "Unglaublich! Islamische Gebete in der #Lutherkirche #Dresden" und "Normalerweise müsste jeder einzelne von denen dort von einem Blitz in den Arsch getroffen werden", wetterten die erregten Kommentatoren.

Der Pfarrer der Lutherkirchgemeinde, Eckehard Möller, stellte in der Sächsischen Zeitung klar, dass es sich bei den Gläubigen um geflüchtete Christen aus dem ostafrikanischen Eritrea handelt. Die Kommentare seien "böswillige Unterstellungen". Die Glaubensgemeinschaft, eine der ältesten christlichen Konfessionen, werde wöchentlich zu Gottesdiensten eingeladen und genieße Gastrecht.

Die Lutherkirchgemeinde prüft nun, ob sie gegen die Urheberin des Videos rechtliche Schritte in die Wege leiten kann. Die rechten Politiker haben das Video inzwischen von ihren Facebook-Seiten gelöscht, nachdem User die wütenden Islamkritiker über ihren Irrtum aufgeklärt hatten. AfD-Politiker Krah schrieb, dass er beim Verbreiten des Videos "nicht erkennen konnte, ob hier der Muezzin ruft". Die judeo-christlichen Apologeten sind also zwar gut darin, den Islam zu kritisieren – aber haben noch Probleme, christliche Gesänge von islamischen Vorbetern zu unterscheiden.

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