Mary Simmerling weiß noch genau, welche Kleidung sie am 4. Juli 1987 getragen hat. Es ist ein warmer Morgen, als sie den knielangen Jeansrock von der Stange nimmt und ein weißes T-Shirt aus der Schublade zieht. Dazu ein paar weiße Tennisschuhe und silberfarbene Kreolen. Es ist ein Tag wie jeder andere, als sie aus dem Haus geht.
Wie sich durch die Veröffentlichung des Gedichts zeigt, ist Mary nicht das einzige Vergewaltigungsopfer, die wiederholt mit der Frage "Was hattest du an?" konfrontiert wird – und dem auf diese Art eine Mitschuld unterstellt wird. Für das Phänomen gibt es längst einen eigenen Namen: Victim Blaming.Der Begriff wurde in den Siebzigern in den USA als Verteidigungsstrategie bei Vergewaltigungsprozessen etabliert, die dem Opfer die Schuld zuschreibt, um den Täter zu entlasten. Bis heute wird diese Strategie auf verschiedenste Art und Weise fortgeführt – sei es medial oder im täglichen Leben: Als Kim Kardashian beispielsweise 2016 in ihrem Hotelzimmer überfallen wurde, schrieb die Tageszeitung Österreich, dass sie mit ihrer "aufreizenden Kleidung und ständigen Protz-Postings" selbst schuld an dem Überfall wäre.What I was wearing by Mary Simmerling
was this:
from the top
a white t-shirt
cotton
short-sleeved
and round at the neckthis was tucked into
a jean shirt
(also cotton)
ending just above the knees
and belted at the topunderneath all this
was a white cotton bra
and white underpants
"Ich machte mich für die Arbeit fertig, während er anfing, im Bad mit mir zu flirten. Als ich ihn aus dem Weg stupste und ihm sagte, ich habe jetzt keine Zeit, geriet alles sehr schnell außer Kontrolle."
"Ich musste zur Arbeit, also vermutlich Shorts und ein großes T-Shirt. Ich bin sicher, ich rieche furchtbar, dachte ich mir danach. Das war das Einzige, woran ich denken konnte, denn es war die einzige Möglichkeit, um mich von dem abzulenken, was mir eben passiert war."
"Ein Jeanshemd, Jeans und dazu Toms. Wenn ich den Leuten das antworte, werden sie jedes Mal ganz verlegen – als könnten sie nicht glauben, dass ich es mit meinem Outfit nicht provoziert habe. Es ist fast lustig. Fast."
"Beim ersten Mal ein Kinderkleid der Cousine meines Vaters, als ich fünf Jahre alt war. Beim zweiten Angriff trug einfach Jeans und ein T-Shirt; damals war ich 18 Jahre. Beim dritten Mal ein Kleid. Ich dachte, mit einer anderen Frau wäre ich sicher, aber ich wachte auf, als sie mich gerade vergewaltigte."
"Ich musste zur Arbeit, also vermutlich Shorts und ein großes T-Shirt. Ich bin sicher, ich rieche furchtbar, dachte ich mir danach. Das war das Einzige, woran ich denken konnte, denn es war die einzige Möglichkeit, um mich von dem abzulenken, was mir eben passiert war."
"Ein T-Shirt und eine Cargohose. Es ist lustig. Alle fragen mich, ob das bedeutet, dass ich jetzt schwul sei und ob ich mich gegen ihn zur Wehr gesetzt habe. Manche wollen auch wissen, wie ich das mit mir habe machen lassen können. Aber noch nie wollte jemand wissen, was ich dabei getragen habe."
"Ich ging ein paar Tage danach nicht zur Arbeit. Als ich meiner Chefin davon erzählte, stellte sie mir diese Frage. Ich sagte zu ihr: Ein T-Shirt und eine Jeans, Bitch. Was trägst du auf einem Basketball-Spiel? Ich ging aus dem Büro und kam nie mehr zurück."
Einen blauen Pyjama. Ich fühlte mich nicht gut und er kam vorbei, um sich ‘um mich zu kümmern’. Ich hab ihm vertraut und er hat mich vergewaltigt."
"Einfach eine Schuluniform aus Wolle. Mein Stiefvater missbrauchte mich manchmal nach der Schule, bis meine Mutter von der Arbeit nachhause kam. Später, als mein Freund mich während meiner Studienzeit vergewaltigte, trug ich schwarze Jeans und ein weißes T-Shirt. Wir waren gerade von einem Football-Spiel zurückgekommen."
"Jogginghosen, ein Universitäts-Shirt und ein Baseball-Cap. Wir wollten einfach nur chillen, wie immer – trinken und dabei einen Film schauen. Ich trank viel zu viel und als ich aufwachte, war er über mir."
"Einen roten Rock und einen roten Pulli. Sie gehörten meiner Mitbewohnerin; ich hatte mir das Zeug für ein Date von ihr geliehen. Ich war sehr aufgeregt, weil ich ihn wirklich gern mochte. Ich dachte, er sei ein guter Typ. Als ich sagte, er soll bitte langsamer machen und zu weinen began, hörte er trotzdem nicht auf."
"Ein süßes Minikleid. Ich habe es vom ersten Moment an geliebt. Ich hatte auch die perfekten High-Heels. Ich wollte einfach einen guten Abend mit meinen Schwestern haben und dabei gut aussehen. Er hat mich auf mehrere Shots eingeladen. Als nächstes weiß ich nur, wie ich auf dem Boden herumgekrochen bin und nach diesen dummen Kleid gesucht habe."
"Ich trug eine Djellaba – dieselbe, die ich meistens trage. Es war das Kleidungsstück, in dem ich mich am wohlsten fühlte. Es erinnerte mich an mein Zuhause, meine Familie, meine Identität. Jetzt erinnert es mich an ihn."
"Ein weißes T-Shirt und schwarze Hosen. Es war immer dasselbe Outfit. Und es war immer nach dem Freizeitheim. Ich vertraute ihm. Meine Mutter vertraute ihm auch."
"T-Shirt und Jeans. Es passierte dreimal in meinem Leben. Dreimal waren es verschiedenen Menschen. Jedes Mal trug ich ein T-Shirt und eine Jeans."
Folge VICE auf Facebook, Instagram und Twitter."Ein Kleid. Monate später beschwerte sich meine Mutter vor meinem Kleiderschrank, dass ich überhaupt keins meiner Kleider mehr trug. Ich war sechs Jahre alt."