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Noise aus der Schwitzhütte—Container im Interview

Unter seinem Pseudonym Container hat der Amerikaner Ren Schofield in den vergangenen zwei Jahren Techno mit Noise-Musik verrührt. Ein Gespräch über die Noise-Szene, Kassettenkultur und Rock als Inspiration.

Ren Schofield als Technoproduzent zu bezeichnen, wäre absurd. Der US-Amerikaner produziert seit der Jahrtausendwende Musik in unterschiedlichsten Gruppen und Kontexten, seine Diskografie ist entsprechend umfangreich. Ursprünglich aus der Noise-Szene kommend hat sich Schofield unter seinem Alias Container zwischenzeitlich einen hervorragenden Namen in Sachen gerader Clubmusik gemacht. Auf sein 2012 auf Spectrum Spools veröffentlichtes Album LP ließ er zwischenzeitlich zwei herausragende EPs folgen, die jüngste Veröffentlichung erschien auf Liberation Technologies—dem Sublabel von Mute Records.

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Wie relevant Mute für seine eigene musikalische Sozialisation eigentlich war, sei ihm erst kürzlich klar geworden, sagt Schofield. Mit seiner Adhesive-EP reiht er sich nun perfekt—und gleichzeitig eher zufällig—in den Katalog von Liberation Technologies und Mute Records ein. Containers Musik gleicht einem ununterbrochenen rhythmischen Aufbäumen: Seine Tracks sind meistens von Beginn an ‚voll da', entwickeln sich in Nuancen und bestechen abseits ihrer Rhythmik eher durch ein ständiges, dreckiges Rauschen, Kratzen, Gelärme—was mehr als nur eine Reminiszenz an die Noise-Szene ist.

„Zugängliche Partymusik", bemerkt Schofield zu seiner Musik als Container, was ungeübte Ohren durchaus vor Probleme stellen kann—dieser Zugang will erst einmal erarbeitet werden. Ein Skype-Gespräch mit Container über die Noise-Szene seiner Heimat Providence, Kassettenkultur und Rock als Inspiration.

Ren, wo bist du gerade?
Ich hänge hier bei mir zu Hause rum …

Wo ist das? In Providence, Rhode Island?
Ja, auf der Südseite.

Bist du dort auch aufgewachsen? Du lebst in deinem Heimatort?
Meine Eltern leben hier, ich bin hier auch größtenteils aufgewachsen. Ich war mal für sechs Jahre weg, kam 2012 aber zurück nach Providence.

Was gefällt dir an Providence? Mal abgesehen davon, dass deine Eltern und alte Freunde dort leben?
Ich schere mich nicht so sehr um Großstädte. Ich mag Orte wie Providence aus unterschiedlichen Gründen. Der Preis ist einer davon. Ich kann hier zum Bruchteil der Kosten verglichen mit New York City leben. Und wenn ich dann doch mal nach New York möchte, ist das nur drei Stunden entfernt.

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Wie sieht die Musikkultur bei euch aus? Gibt's noch Orte, die dir als Teenager wichtig waren—und die heute auch noch besuchst? Oder muss man nach New York, wenn es um Musik- und Subkultur geht?
Unsere lokale Musikszene ist ziemlich gut. Vieles passiert in alten Lagerhäusern: meistens wechseln die Orte, weil Leuten ausziehen oder rausgeschmissen werden. Aber das gibt es hier seit rund zwanzig Jahren, deshalb gehört das in der Szene hier einfach dazu.

Also anders als derzeit in Detroit?
Du meinst musikalisch?

Nein, ich meine wirtschaftlich. Hat es ökonomische Ursachen, dass die Leute oder Unternehmen Providence verlassen?
Ganz im Gegenteil! Es gibt viele leerstehende Lagerhäuser die schon vor langer Zeit aufgegeben wurden. Das hängt vor allem mit dem Niedergang der Schmuckindustrie zusammen. Aber die meisten Räume wurden in den letzten Jahren verkauft und in Immobilien umgewandelt. Es gibt noch eine Handvoll Orte, an denen Shows veranstaltet werden, aber die sind auch von der Räumung bedroht.

Das klingt nach Gentrifizierung. Geht eurer lokalen Subkultur dann langsam der Raum aus? Gibt es noch richtige Konzerträume für die Musik, die du selbst veröffentlichst, oder die aus der Noise-Szene als solche kommt?
Zum Glück gibt es noch „Machines with Magnets". Das ist super dort. Ich bin da aber ganz entspannt—wenn die einen Räume verschwinden, wird andernorts neuer Raum gefunden.

Du hast über die Jahre ja in den unterschiedlichsten Konstellationen Musik gemacht. Wann hat es bei dir angefangen?
Als Teenager—so um 2000—fing das an. Ich bin dann nach der High School mit unterschiedlichen Bands auf Tour gegangen, aber seit 2007 habe ich mich dann mit meinen Soloprojekten beschäftigt. Mit Container ging es 2009 los.

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Das war dir das vielversprechendste oder interessanteste Projekt? Du hast ja auch bis 2011 als Age Wave veröffentlicht. Wie unterscheiden die sich musikalisch?
Age Wave war ziemlich kurzlebig, da gab es ein Tape und eine 7". Ich habe da eigentlich nur mit einem Synthesizer rumexperimentiert, den ich zu der Zeit bei mir rumstehen hatte. Mit Container habe ich mich in den ersten beiden Jahren eigentlich kaum befasst. Ab und an arbeitete ich dafür an Beat-bezogenen Sachen. Als ich mich dem Ganzen dann aber immer mehr zuwandte, wurde mir Container an sich natürlich auch viel wichtiger.

Mit welcher Hardware arbeitest du als Container?
Ich benutze eine Roland MC-909, durch die ich manipulierte Signale von Kassettenaufnahmen schicke und Tape-Loops verbinde. Dieses Setup habe ich für alle Container-Platten benutzt.

pic.twitter.com/7Qd6xHV3Hf— Ren Schofield (@gentledefect) January 23, 2014

Unterscheidet sich die Arbeit im Studio von deinen Live-Sets? Hast du während der Produktion schon die Live-Performances im Sinn?
Alles entsteht bei mir in Hinsicht auf die Live-Performance. Ich habe noch andere Geräte im Studio: Gerade erst habe ich mir einen Korg MS-20 Analogsynthesizer besorgt. Und dann habe ich noch Maschine Drum, Gitarren, einen Bass, ein Schlagzeug, alle Arten schrottiger Keyboards und Tape-Decks. Das brauche ich aber nur für die Sachen abseits von Container. Das höchste der Gefühle wäre es, eines dieser Dinger zu sampeln, auf Kassette zu bringen und das dann wieder bei Container einzuspeisen.

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Wie waren denn so die Reaktionen auf Container?
Die war schon zu Beginn gut. Eine der ersten Container-Shows war in diesem Hausprojekt in North Carolina, „Meadows of Dan". Da spielt man praktisch in einem Schlafzimmer. Ein echt kleiner Raum in den sich dann jeder reinquetscht—das ist auch immer noch meine liebste Container-Show. Im Berghain zu spielen ist natürlich auch lustig: Das klingt gut, ist riesig und so, und da kann man eigentlich alles machen—solange man 'ne Kick Drum am laufen hält. Die letzte Tour mit ITAL war auch super. Es gab ein paar schwierige Shows in Kanada, aber ansonsten war das ein großer Spaß. Großteils in Bars, ein paar Lagerhausclubs, eigentlich kaum reine Techno-Clubs.

Gerade dein Berghain-Set schien ziemlich kontrovers. Es gab dazu im Clubforum eine längere Diskussion, die sich größtenteils darum drehte, dass dein Set rhythmisch zu inkohärent war.
Echt? Das ist interessant.

Manche schienen mit den experimentellen Container-Elementen überfordert und hatten eher eine gerade Bassdrum erwartet.
Das meinte ich: Die meisten Leute sind glücklich im Vierviertel-Takt.

Für die meisten dürfte deine Musik zu fordernd sein …
Ich versuche eigentlich, zugängliche Partymusik zu machen. Ich finde Bemerkungen, die Musik sei fordernd oder merkwürdig, recht komisch.

Ich meine eher die Aggressivität und Energie hinter den Container-Veröffentlichungen. Da geht es um eine gewisse Körperlichkeit oder Härte, die anderen elektronischen Musiken abgeht. Irgendwie fühlt sich das eher nach Punk an.
Meistens arbeite ich ja nur solange ziellos vor mir her, bis ein Teil ins Andere greift und ich das dann nur ausbauen muss. Manchmal entwickle ich Stücke auch ausgehend von einer grundsätzlichen Idee. Beim Großteil der Zeit ist das aber praktisches Herumprobieren. Zuletzt habe ich mich mehr mit Live-Drumming beschäftigt: wie klänge ein Beat, den man in einer Rockband oder so spielen würde? Das versuche ich dann umzusetzen. Und dann kommt am Ende doch alles anders als erwartet. Die letzte 12" war jedenfalls viel mehr von Rockmusik als von Techno inspiriert.

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Ist Techno nicht die neue Rockmusik?
Ach stimmt, ich vergaß.

Momentan jedenfalls. Die Kultur und Haltung hinter Techno ist natürlich eine andere als im Rock. Aber sind dir zuletzt Veränderungen innerhalb der Szene aufgefallen? Kommen andere Leute zu deinen Sets als noch vor ein paar Jahren?
Als das mit Container begann, kamen größtenteils dieselben Leute, die auch schon meine Noise-Sachen gut fanden. Heute befruchten sich die Szenen aber viel stärker. Wenn ich beispielsweise in Philadelphia oder so spielte, tauchten all meine alten Freunde aus der Noise-Szene auf. Heute kommen auch noch diejenigen dazu, die mit dieser Subkultur eigentlich nichts am Hut haben, aber meine Musik aus anderen Kontexten kennen. Es kommen definitiv mehr Menschen als zu Beginn, und ich muss sagen, dass mir diese Mischung gut gefällt.

Wie kam es eigentlich zu deinem neuen Release Adhesive? Kanntest du Paddy O'Neill, den A&R von Liberation Technologies, schon vor der Veröffentlichung? Oder Mute-Gründer Daniel Miller?
Die kannte ich gar nicht. Paddy schrieb mir eine E-Mail und fragte, ob ich Lust drauf hätte. Musikalisch fügte sich das ziemlich gut und schneller als sonst zusammen. Ich habe die Platte im vergangenen Sommer in meinem unisolierten Studio aufgenommen—das war unerträglich heiß, fast wie in einer Schwitzhütte. Das könnte natürlich erklären, warum ich damit so schnell fertig war.

Bist du Daniel Miller seitdem mal begegnet? Ich stelle mir vor, dass er auch auf dich einen gewissen musikalischen Einfluss hatte …
Daniel habe ich auch noch nicht getroffen. Mir ist erst in den letzten Jahren bewusst geworden, wie weit der Mute-Katalog zurückreicht und wie einflussreich er war. Als ich aufwuchs beschäftigte ich mich eigentlich nur mit der Musik, die ich direkt vor Augen hatte—lokale Bands, Labels und Leute, die ich kannte.

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Was hast du heute so vor Augen?
Naja, in den letzten Jahren habe ich viel Musik entdeckt: Alte Sachen, mit denen ich mich früher nie beschäftigt habe. Szenen, in denen ich mich selbst nicht bewegt habe. Im Laufe des Jahres möchte ich ein Vinyllabel gründen und darauf Platten von Leuten machen, die ich selbst kenne und die noch nichts veröffentlicht haben—von denen ich aber denke, dass sie es dringend machen sollten. Wenn das dann Form annimmt ist das ein Beispiel dafür, was ich wirklich „vor Augen habe".

Sind dieses neue Label und deine Kassetten-Releases eine Art Kreativwerkzeug? Will sagen: Findest du es inspirierend mit anderen zu arbeiten, und baut Container dann musikalisch darauf auf?
Weiß nicht. Bei den Tapes geht es ja eher um das Medium an sich. Ich habe dann eine gute Entschuldigung, um für ein paar Tage nicht an eigener Musik, sondern an einem Siebdruck zu arbeiten. Das Vinyllabel soll großartige Künstler einem größeren Publikum vorstellen. Der Großteil meiner Inspiration ziehe ich aber aus den Liveshows von Freunden.

Wie sieht es neben dem Label mit neuen Container-Sets aus?
Das liebe ich natürlich. Ich muss noch ein paar mehr Shows spielen, damit ich mir das mit dem Label leisten kann. Gerade diese Woche spiele ich noch zwei Container-Shows. Mit meiner anderen Band, Form A Log, spiele ich im Februar und März ein paar Shows in den USA und Europa. Und gleich danach startet dann eine Westküstentour mit Container. Also ja, da kommt noch einiges. Immer her damit!

Container, Adhesive EP, Liberation Technologies, 20. Januar 2014, Vinyl / MP3

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