Alex, 34: "Die Leute um mich herum sind verstummt"
Ein bisschen wusste ich auch, dass das passieren würde. Ich weiß, dass meine Freunde hier sehr pro Palästina eingestellt sind. Aber irgendwas in mir hat doch auf ein bisschen mehr gehofft. Auf ein bisschen mehr Mitgefühl auch für mich. Ich finde, dass Mitgefühl sich nicht auf eine Seite schlagen sollte. Aber das teilen die halt nicht. Ich glaube nicht, dass sie mich als Feind sehen. Aber sie haben mich jetzt erstmal hinten angestellt. Für mich und für viele von uns bedeutet das, dass wir unsere Beziehungen zu den Menschen hier hinterfragen. Ich merke jetzt, dass ich mir vieler dieser Freundschaften nicht sicher sein kann. Ich meine, wenn du in schweren Zeiten nicht mein Freund sein kannst, dann bist du vielleicht kein richtiger Freund. Ich kann mir vorstellen, dass die andere Seite ebenso unter der ganzen Sache leidet. Sicher haben auch viele palästinensische Menschen in Deutschland das Gefühl, dass man ihnen feindselig begegnet. Es ist gerade sehr düster. Wirklich sehr düster.""Wenn du in schweren Zeiten nicht mein Freund sein kannst, dann bist du vielleicht kein richtiger Freund."
Ahmad, 35: "Ich fühle mich ein Stück weit entmenschlicht"
Was ich besonders in Deutschland sehe, aber auch in anderen Ländern, ist, dass man nur über Palästina spricht, wenn Israelis etwas passiert. Aber kaum jemand spricht über Palästinenser, wenn Palästinensern etwas passiert. Den Wert eines Menschenlebens sollte aber nicht eine Landesgrenze bestimmen und auch nicht Religion oder Kultur. Ich wünsche mir, dass sich die Menschen in aller Ruhe informieren und etwas besser verstehen, wer wir Palästinenser sind. Wo wir herkommen, warum es einen Konflikt zwischen Israel und Palästina gibt. Dieser Konflikt besteht nicht zwischen Juden und Muslimen. So ist es nicht und so war es nie. Das ist nur Propaganda, die dafür sorgt, dass Menschen die eine oder die andere Seite anfeuern, als wäre das hier nur ein Fußballspiel.""Man spricht nur über Palästina, wenn Israelis etwas passiert."
Angelina Mass, 28: "Ich fürchte mich vor dem Erstarken des Antisemitismus in Deutschland"
"Seit dem 7. Oktober besuche ich keine Veranstaltungen mehr, bei denen viele Menschen sind, weil ich mich dort nicht wohl fühle."
Daniella, 20: "Ich bin Palästinenserin und das ist unsere Fahne. Viele Menschen wissen vielleicht nicht, dass die Fahne der Hamas ganz anders aussieht"
"Jetzt fühle ich mich überhaupt nicht mehr sicher. Nicht einmal in meiner Wohnung."
Ella Taub, 29: "Ich fühle mich von der deutschen Öffentlichkeit umarmt"
Das sieht man schon an meiner Person: Ja, ich war drei Jahre lang in der israelischen Armee. Gleichzeitig ist der Freund meiner Mutter Palästinenser. Dann wiederum habe ich meine halbe Kindheit in Luftschutzbunkern verbracht. Während der Zweiten Intifada habe ich nach einer Bombenexplosion Leichen in den Straßen Tel Avivs gesehen. Und damals gab es keine Grenze zu Gaza. Aber wenn wir versuchen, all das zu erklären, klingt das für manche wie eine Rechtfertigung. Aber das ist es nicht. Ich weiß, dass die Menschen in Israel Frieden wollen. Es fühlt sich aber so an, als ob wir auf beiden Seiten Gefangene unserer korrupten Regierungen sind. Ich fühle mich von der deutschen Öffentlichkeit umarmt. Die Deutschen, besonders die über 30, verstehen ihre eigene Geschichte und wissen genau, warum Israel existiert. Deshalb wissen sie auch, warum diese Situation kompliziert ist. Sie erforschen ihre eigene Vergangenheit und wollen daraus lernen. Ja, ich fühle mich hier sehr verstanden.""Der Freund meiner Mutter ist Palästinenser."
Sami, 49: "Am Ende geht es hier um Politik, aber am wenigsten um Religion"
"Man geht davon aus, dass man sich als Palästinenser grundsätzlich erst mal von der Hamas distanzieren muss, während gleichzeitig Kritik am Staat Israel mit Antisemitismus gleichgesetzt wird."
Kiki*, 34: "Ich habe das Gefühl, dass ich, sobald ich den Davidstern ablege, einen Teil von mir verlieren würde. Also trage ich ihn weiter als stillen Protest"
Ich bin nicht extrem religiös, aber ich trage meinen Davidstern mit Stolz. Meine Mutter bat mich, ihn abzulegen, weil es gerade nicht die richtige Zeit sei, um zu zeigen, wer ich bin. Ich verstehe, dass sie Angst um mich hat, aber ihr Satz machte mich auch nachdenklich. Ich habe das Gefühl, dass ich, sobald ich den Davidstern ablege, einen Teil von mir verlieren würde. Also trage ich ihn weiter als stillen Protest. Ich war mit dem Davidstern schon immer etwas vorsichtig in Berlin, um nicht in unangenehme Situationen zu geraten. Die Freunde, die damals deswegen über mich gelacht haben, sind jetzt dieselben, die mir rieten, mich hier nur anonym zu äußern. Das ist doch furchtbar. Meine Vorsicht und meine Ängste haben sich bestätigt.Aber ganz will ich mich nicht verstecken. Der 7. Oktober hat eher das Gegenteil bei mir bewirkt. Ich frische mein Hebräisch wieder auf, ich habe sogar schon meinen Hanukkah Menorah vorbereitet, was ich noch nie gemacht habe. Ich bin mehr denn je bereit, zu zeigen, wer ich bin und mit den Konsequenzen zu leben. Aber das bringt mich auch in ein Dilemma, weil ich nicht alleine bin. Ich muss auch an meine Familie denken.Als Jüdin, die in die Synagoge geht, bin ich es in Deutschland gewohnt, dass die Polizei uns beschützt. Trotzdem war ich überrascht, wie unsicher ich mich nach dem 7. Oktober gefühlt habe und fühle. Obwohl man mir ja gar nicht ansieht, wer ich bin. Aber die Sicherheitsbehörden tun ihr Bestes.""Als Jüdin, die in die Synagoge geht, bin ich es in Deutschland gewohnt, dass die Polizei uns beschützt."
Mahmoud, 26: "Seit dem 7. Oktober stehe ich unter Stress, fühle mich hilflos, frustriert und unbeachtet"
Dass man jetzt nicht für Palästina demonstrieren darf und die Polizisten so gewalttätig gegen die Palästinenser vorgehen, das überrascht mich. Vor allem in Deutschland, das aufgrund seiner Geschichte versucht, Antisemitismus und Rassismus zu bekämpfen. Das muss doch für jede Art von Rassismus gelten. Aber man darf seine Flagge nicht zeigen und den palästinensischen Schal nicht tragen. Dabei tut das doch niemandem weh. Was kann man dann machen, wenn man das Gefühl hat, dass man unterdrückt wird, dass jeder um dich herum hier in Deutschland gegen dich ist? Ich habe das Gefühl, wenn ich draußen das Palästinensertuch trage, werde ich beobachtet. In dem Sinne: "Warum bist du hier?" Auf Social Media hat jemand geschrieben: "Geh' nach Hause, du Flüchtling!" Aber ich bin kein Flüchtling und ich verstehe auch nicht, warum man das als Schimpfwort verwendet. Man weiß nicht: Hat man Angst, ist man traurig, oder wütend? Es ist alles auf einmal. Das muss auf jeden Fall aufhören."*Name geändert.Folge VICE auf TikTok, Facebook, Instagram, YouTube und Snapchat."Was kann man machen, wenn man das Gefühl hat, dass man unterdrückt wird, dass jeder um dich herum hier in Deutschland gegen dich ist?"