FYI.

This story is over 5 years old.

Stuff

Eine Tour durch Klagenfurts schlimmste Restaurants

Wir haben Klagenfurts Restaurants mit den schlechtesten Bewertungen ausprobiert und würden es wieder tun.
Tori Don mit Gulli-Fliegen. Alle Fotos vom Autor.

„Du bist doch Kärntner, fahr dort hin und geh in die schlechtesten Restaurants von Klagenfurt!", haben sie gesagt. „OK", habe ich gesagt. Nachdem das ja schon in Wien, Salzburg und Zürich für die ein oder andere Grausligkeit gut war, sollte Kärnten da nicht die Ausnahme darstellen. Klagenfurt ist zwar nicht gerade meine Gegend, aber dafür gibt es doch das Internet—zur Not kann man sicher auch echte Menschen fragen.

Anzeige

Noisey kennt Kärntens Clubkultur.

Also habe ich dieses Internet nach Restaurants in Klagenfurt durchforstet, die von ehemaligen Kunden möglichst vernichtende Kritiken einstecken mussten. Leider erwies sich das als nicht ganz so einfach—wird ein Lokal überhaupt mal verrissen, wird es mindestens doppelt so oft wieder als bestes Essen aller Zeiten gefeiert. Das alles wirkt sehr verdächtig. Ist Klagenfurts Gastro-Game einfach zu stark? Sind die positiven Bewertungen gefälscht? Oder haben die meisten Gäste einfach kein Internet? Glaubt man diesem nämlich, sind miese Restaurants in Klagenfurt tatsächlich eine Rarität. Es ist viel zu heiß und ich will das nicht alleine durchstehen, also erbarmen sich meine Mama und mein Bruder, mich zu begleiten. Das kann lustig werden oder eine totale Katastrophe.

Hofbräu zum Lindwurm

Wie gesagt, abgrundtief schlechte Restaurants gibt es hier offenbar wirklich nicht. Aus diesem Grund haben negative Kritiken wie „Wasserränder am Tisch" („Erschreckend!") für das Hofbräu zum Lindwurm schon gereicht, um es auf meine Liste zu schaffen. Weitere „Ungenügend"-Bewertungen prangerten die mangelnde Hygiene des Lokals an, sprachen von ungenießbarem Essen oder waren schlicht und einfach auf Italienisch geschrieben. Ich habe Italienisch noch nie gemocht und aus der Schule ist nichts übrig geblieben, jedenfalls las es sich sehr grantig. Andererseits liest sich alles Italienische irgendwie grantig. Egal, jedenfalls war ich auf das Schlimmste gefasst.

Anzeige

Diese Münchner Hofbräuhäuser scheinen ein Mäci-ähnliches Franchise-System zu haben, zumindest erkenne ich das Logo sofort wieder. Als wir im Gastgarten Platz nehmen, ist schnell ein übermotivierter Kellner in Lederhosen am Start, der nicht lange fackelt und gleich die Getränke aufnimmt, während im Hintergrund eine spanische Version von „Verdammt ich lieb' dich" dudelt. Mindestens genau so sehr wie der verstärkte Einsatz von Flamenco-Gitarren im Refrain irritiert mich auch die Freundlichkeit des Kellners. Ich hatte fast vergessen, dass das hier normal ist.

Zumindest draußen sind wir die einzigen Gäste. Auf der Speisekarte findet sich ein „Knechtessen" um 5,90 Euro, ein „Hackleressen" um 7,90 Euro und ein „Politikermenü" um 9,90 Euro. Das soll ein Schmäh sein, glaube ich. Mein Bier schmeckt OK und unser Sonnenschein-Kellner scheint mehr als bereit für die Essensbestellungen zu sein. Irgendwas an dieser blau-weiß-karierten Oktoberfest-Deko macht meinem Bruder Hunger auf Weißwurst, meine Mama entscheidet sich für Käsespätzle, ich nehme das Billigste, das keine Beilage oder Suppe ist—Verhackerts, zum Preis eines „Knechtessens". Die Wahl meiner Mama ist fast schon eine Provokation, weil sie selbst genau weiß, dass keine Käsespätzle der Welt so gut sein können wie ihre.

Meine Mama nimmt diese ganze Restauranttester-Sache sehr ernst und beginnt plötzlich alles zu bekritteln. Dass der Blumentopf am Tisch unhygienisch und ihr Wasser nicht kühl genug ist zum Beispiel. Ich finde ihr Engagement so süß, dass ich sie in jeder Nörgelei noch zusätzlich bekräftige. Leider hat meine Mama auch so was wie eine natürliche Begabung dafür, irgendwie immer das Falsche zu bestellen. Ihre Käsespätzle schwimmen jedenfalls in Fett und schmecken wie eine Speckschwarte. Das ist wirklich alles, was ich hier rausschmecken kann—der weiße Teil einer Scheibe Speck. Mama schlägt sich wacker, gibt sich dann aber doch geschlagen.

Anzeige

Mein Verhackerts ist angerichtet wie Eiskugeln, schmeckt aber trotzdem wie Verhackerts. Ich bin essensmäßig nicht heikel, mein Bruder am wenigsten. Weißwürste finde ich nicht gerade super, mein Bruder äußert sich jedoch nicht weiter, was in der Regel auf Zufriedenheit hindeutet. Inzwischen spielt's eine Austropop-Version von „Always On My Mind" und ich frage mich, ob all der italienische Hass womöglich eher der Musikauswahl galt.

Firenze

Das Firenze ist das einzige Restaurant auf meiner Liste, das ich noch von früher kenne. Ich glaube mich daran zu erinnern, hier mal eine ganz mittelmäßige Kater-Pizza gegessen zu haben—aber ist nicht jede Kater-Pizza mindestens OK bis phänomenal? Ich glaube schon, muss hier also trotzdem was essen. Die miesen Bewertungen im Internet ergeben sich aus Beschwerden über noch gefrorenes Essen und die unfreundliche Bedienung. Außerdem wieder mit dabei: italienischer Grant, was bei einem italienischen Restaurant immerhin was heißen muss.

Weil meine Mama und mein Bruder normale Menschen sind, ist es für sie eindeutig Dessert-Zeit. Ich will aber richtiges Essen ausprobieren, also bestelle ich eine Portion Spaghetti Napoletana um 6,50 Euro. Das kleine Bier schmeckt ziemlich abgestanden und kostet 2,80 Euro, im Hofbräu waren es noch 2,90. Ich finde das günstig, mein Bruder findet es teuer. Wir einigen uns darauf, dass es wohl je nach Bundesland variiert.

Während die beiden mit ihrer Nachspeise schon fast fertig sind und ich noch immer auf meine Nudeln warte, beschließe ich, einen Toiletten-Check zu machen. Das hätte ich wohl lieber bleiben lassen sollen. Von den drei Pissoirs ist eines offenbar defekt und mit einem vergilbten Fetzen abgedeckt, in einem stehen noch drei Zentimeter goldener Pisse, was wohl der Grund für den stechend-scharfen Geruch ist. Es reckt mich kurz, ich wasche mir ohne ein Geschäft verrichtet zu haben die Hände und gehe wieder.

Anzeige

Inzwischen stehen meine Nudeln am Tisch. Es ist nun mal, was es ist—Nudeln mit wässriger Tomatensoße und geriebenem Käse. Jeder Student kennt das nur zu gut. Es schmeckt nach nichts, ungefähr gleich viel kann ich darüber sagen. Meine Mama ist immer noch in vollem Restaurantkritiker-Modus und befragt den Kellner akribisch genau nach den Bestandteilen ihres Desserttellers. Später bemängelt sie noch die Konsistenz der Panna Cotta. Mir wird langsam klar, dass das in Kombination mit den Speckschwarten-Spätzle von vorhin kein gutes Ende nehmen kann.

Shiva

Das Shiva war tatsächlich das Lokal auf meiner Liste, auf das ich mich mit Abstand am meisten gefreut hatte. Das hatte vor allem mit den schlechten Bewertungen zu tun, die ich im Internet gefunden hatte. Da gab es zum einen Behauptungen, ein senil scheinender Besitzer würde recht aufdringlich die Gäste anlabern und um gute Bewertungen auf TripAdvisor bitten. Alleine die Reaktion meiner Mama darauf hätte ich zu gerne gesehen.

Hauptsächlich wollte ich aber ins Shiva wegen folgender Beurteilung: „Schlechtestes Essen in dem ich je geschlafen habe." Dieser Satz warf so einige spannende Fragen auf. Ist das die beste Restaurantkritik, die ich je gelesen habe? Wahrscheinlich. Welche Kriterien muss ein Gericht überhaupt erfüllen, damit man gut darin schläft? Bin ich Essen vielleicht die ganze Zeit über komplett falsch angegangen? Und was denken eigentlich die Italiener darüber? Wir werden es nie erfahren, das Shiva hat nämlich Mittagspause und ich keine Zeit.

Anzeige

Mimi

Nachdem mir jetzt langsam die Lokale ausgehen, bleibt mir gar nichts anderes übrig, als zu drastischeren Maßnahmen zu greifen—ich muss mich vom Internet entfernen und Kontakt zu realen Personen aufnehmen. Mein Bruder hat schnell einen Freund am Telefon, der von einem „ziemlich grindigen" Japaner erzählt. Ich bin begeistert und fünf Minuten später stehen wir vorm Mimi.

Es hat gefühlte 40 Grad und wir setzen uns in den Innenhof. Einer der Tische im inneren Bereich nutzt ein junger Typ offenbar als Schreibtisch—er sitzt dort zwischen Bücherstapeln und Staub am Laptop und packt die Hitze nicht. Ich noch weniger. Später stellt er sich als der Kellner heraus und reicht uns die Speisekarte, die einem in all ihrer Comic Sans-Pracht erst mal nahelegt, nicht zu viel Butterfisch zu essen. Das verwundert mich, also google ich „zu viel Butterfisch". Das erste Ergebnis lautet „oranger, öliger Stuhlgang", worauf ich nicht wirklich Lust habe. Kein Butterfisch für mich.

Ich entscheide mich für ein Gericht namens „Tori Don" und texte unserem Tori, dass es ein Gericht mit seinem Namen gibt. Mein Bruder kriegt plötzlich Lust auf Maki, meine Mama ist endgültig raus, woran der Gulli neben unserem Tisch nicht ganz unschuldig sein dürfte. Durch die absurden Temperaturen werden die daraus hervortretenden Duftschwaden nochmal zusätzlich konzentriert und treiben ihr die Bleiche ins Gesicht.

Während ich also versuche mein eigentlich gutes aber eben sehr schweres Hühnchen mit Reis runterzukriegen und mein Bruder mit gatschigen, warmen Avocado-Maki kämpft, ist meine Mama am Klo und speibt sich die Speckschwarte aus dem Leib. Weil ich dumm bin und nie lerne, mache ich abermals einen Toiletten-Check—meinen Appetit bekomme ich hier jedenfalls nicht wieder zurück. Ich schaffe mein Tori Don nicht ganz, teile aber gerne mit den Fliegen aus dem Gulli.

Anzeige

Als meine Mama schließlich zurückkommt, wird es Zeit zu gehen. Ich merke schnell—mir treibt es zwar alles aus, aber am meisten leidet hier der Kellner. Er schnauft richtig, als er die Rechnung bringt.

Was bleibt

Wenn man in Klagenfurts Restaurants meckern möchte, tut man das auf hohem Niveau. Selbst die speckigen Spätzle meiner Mama sind wahrscheinlich noch irgendwo eine Frage des Geschmacks. Wenn man negative Erfahrungen vermeiden will, sollte man sich vielleicht nicht gerade einen der heißesten Tage des Jahres aussuchen, um sich in der Mittagssonne mit deftigem Essen vollzustopfen. Aber mal ehrlich—selbst die schlechten Restaurants sind hier gar nicht so schlecht.

Franz auf Twitter: @FranzLicht