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Interviews

Lakmann im Interview: Arbeit und Alltag einer deutschen Raplegende

„Was ich mache? Ich stehe auf, mache meine Kinder fertig, schmiere Butterbrote... räume die Wohnung auf. Dann kiffe ich mir Einen. Was soll ich dir erzählen?“

Aristoteles hat gesagt: „Wo sich deine Talente mit den Bedürfnissen der Welt kreuzen, dort liegt Deine Berufung.“ Demnach hat Lakmann seine Berufung ganz im Sinne Aristoteles’ gefunden, als er sich vor knapp 20 Jahren dazu entschied, sein Leben Rap zu widmen. Und unterm Strich scheinen sich die musikalischen Bedürfnisse der Gesellschaft auch gar nicht groß verändert zu haben. Egal, welche Trends und Hypes moderne Erfindungen wie Internet, Facebook und Twitter mit sich brachten, es gab immer ein Bedürfnis nach echtem Rap und Lakmann-Musik. Das ausverkaufte Berliner Cassiopeia im Februar 2016 ist nur ein Beweis dafür.

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Kurz zur Geschichte: Lakmann ist schon im Game aktiv, als es das Game offiziell noch gar nicht gibt, Deutschrap in den Kinderschuhen steckt, Rap Randgruppenmusik ist, und man für die Hängehosen, schrägen Caps und XXL-Shirts belächelt wird. Lakmann ist auch da, als sich die Zeit der Jams, fünf Elemente und Competition dem Ende zuneigt, die Industrie dem Genre gefährlich näherkommt und sich am heranwachsenden Rap vergeht. Im „Anfangsstadium“ leistet er als Teil von Creutzfeld & Jakob seinen Beitrag und ist damit einer der ersten Rapper, der die Scheinwelt der Majordeals und Vorschüsse kennenlernen darf, nur um zu erkennen, dass sein Verständnis von Rap nicht mit Industrie und Charts konform geht. Vom Bunker in die Charts… und wieder zurück.

Egal, denn LAK macht Musik in erster Linie für sich selbst. Er rappt auch noch, als sich die Kommerzialisierung des Image-Raps vollzieht und böse dreinschauende Rapper zumindest eine Zeitlang die Bravo-Cover zieren. Und im Gegensatz zu vielen anderen Protagonisten spielt Lakmann auch dann noch „All In“, als der HipHop-Hype verblasst, das splash!-Festival angeblich vor der Pleite steht, Indie- und Deutschrock-Bands die Charts anführen und Rap von der Industrie für tot erklärt wird. Während viele wie „Durch den Monsun“ von der Bildfläche verschwinden, zeigt sich in Witten ein „Langweilman“ von den Entwicklungen unbeeindruckt.

Und auch heute, in einer Zeit, in der Rap so groß ist wie nie zuvor, ist von den Bühnen unseres Landes ein lautes „Ahhhhhhhh“ zu vernehmen. LAK aka der Rapdinosaurier ist immer noch am Start. Für uns die Bestätigung, dass sich das Wort „Lakmann“ heute unbedenklich mit dem Wort „real“ austauschen lässt. Mitte Februar hat Lakmann sein zweites Soloalbum Aus dem Schoß der Psychose veröffentlicht, seitdem ist er auf Tour. Genau der richtige Moment, um ihn in Berlin zum Interview zu treffen, um über das Leben, Rap und das alltägliche Leben neben Rap zu sprechen.

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Noisey: Du bist jetzt knapp 20 Jahre im Game und Rapper von Beruf. War Rap immer deine Haupteinnahmequelle?
Lakmann: So gesehen, ja. Früher hab ich noch gedealt und das auch nicht wenig…

Was heißt „nicht wenig“?

(Hält die Hand vor das Aufnahmegerät) Also, Kilos lagen bei mir schon rum. Das mache ich aber schon lange nicht mehr. Aber wenn du darauf hinaus willst—nein, sonst habe ich tatsächlich nichts gemacht, was als Broterwerb oder Beruf gilt. Krass, wa?

Das Wort Beruf kommt von Berufung, und im Gegensatz zu dir können nur wenige Leute ihre Berufung auch zum Beruf machen. So gesehen hast du Glück. Du bist aber ja nicht nur Rapper, sondern auch Papa. Heutzutage auch ein völlig unterschätzter Beruf. Wie darf ich mir deinen Alltag vorstellen?
Was ich mache? Ich stehe auf, mache meine Kinder fertig, schmiere Butterbrote, packe die Schulranzen, mache die Tiere, räume die Wohnung auf. Dann kiff ich mir Einen. Was soll ich dir erzählen?

Nur die Wahrheit, bitte. Glaubst du, dass man heute im Deutschrap alt werden kann? Ich glaube, das ist sehr schwierig. Wir sind hier ja nicht in Amerika…
Ja, schwierig vielleicht, aber gleichzeitig ist meine Generation tatsächlich die erste in Deutschland, die es schaffen könnte, mit Ende 40, Anfang 50 noch aktiv Rap zu machen. Dr. Dre ist gestern 51 geworden, dem sagt auch keiner, dass er hängengeblieben ist.

Es sind aber wirklich nur sehr Wenige, die ausschließlich von Rap leben. Sido hat Bars und Vodka, Bushido hat Geschäfte, und seit Neustem machen ja alle Filme, wie Kollegah oder KIZ. Alle scheinen darum bemüht, ihre Wirtschaftlichkeit durch andere Felder zu erweitern.
Ich kann nur Rap. Und selbst wenn nicht auf der Bühne, kann man immer noch im Background arbeiten: Bookings, Vertrieb, Label. Alles, was sowieso immer einen Teil unserer Arbeit ausmacht. Ich rede ja jetzt auch nicht davon, kommerziell in den Medien und Charts stattzufinden, aber ich glaube schon, dass ich mir auch im Alter noch ein Berufsfeld mit Rap erschließen kann. Die Generation, die vor mir kam, ob Stieber Twins, Philip oder RAG, die stehen alle mit beiden Beinen im Leben und haben ihren Platz in der Gesellschaft gefunden. Außerhalb von Rap.

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Ja, und schaut man mal, wer aus deiner Generation, beispielsweise von „Beatz aus der Bude“ (97/98) jetzt noch am Start ist, bleibt da auch nicht viel. Da wäre ich damals wirklich gern dabei gewesen. Ich wünschte, dass ein „Rap am Mittwoch“ heute genauso viel Flair hätte und auch wirklich nur Leute dahin gehen würden, die sich für Battlerap interessieren.
Yeah, „Beatz aus der Bude“. DJ Lifeforce hat das organisiert. Wir waren vorher mit ihm, DCS und RAG auf der „Westwinde Wehen Tour“. Und als er das dann im Underground gemacht hat, hat er uns gefragt. Es war einfach eine andere Zeit damals.

Ich war zehn Jahre alt war, da warst du schon mit Savas am abcyphern. Vor Aggro. Aber lediglich ihr beide seid wirklich Berufsrapper geworden. Dafür gibt es viele, die es knapp 20 Jahre später immer noch versuchen. Lars, Tatwaffe, O-Flow. Bei anderen frage ich mich wiederum, was aus denen wohl geworden ist. Bei SD zum Beispiel.
SDiddy habe ich auch gefeiert. Damals noch gemeinsam mit Spontan.

Wäre ein Reunion-SD-Feature denkbar, wenn er sich aus seiner Versenkung melden würde?
Würde ich direkt machen. Wirklich. Der hat danach aber auch noch was mit Savas gemacht…

Ja, bis es dann—suprise—irgendwie Stress gab. Bestimmt ging es um Frauen.
Nee, um Kohle … Es ist ganz interessant, das mal so zu betrachten. Bei allen geht immer dann was zu Bruch, wenn es um Kohle geht. Viele wechseln ihr Team, changen den Back-up, machen Label neu. Immer nur so lange, wie es läuft. Ich habe nie jemanden ausgetauscht. Was sind Papiere und Verträge? Tinte trocknet und verblasst. Eine auf Vertrauen basierte Arbeitsweise ist mir viel wichtiger als kommerzieller Erfolg. Mir sind auch Liveauftritte viel wichtiger als Verkaufszahlen und Charts. Du weißt es, auf der Bühne bin ich wie befreit. Da bin ich weder hängengeblieben, noch können mich Trends oder Hypes aus der Bahn werfen. Für mich ist es immer noch das gleiche Gefühl, wie von Anfang an und das ist eben mein Beruf.

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Liebe. Das fühlt man auch vor der Bühne. Ich finde nur, wenn du wirklich Rap als Beruf betreibst, musst du zwangsläufig schauen, dass genug Geld reinkommt. Du müsstest doch eigentlich mitnehmen was geht. Für Aus dem Schoß der Psychose gab es aber keine Promo, keine Videos, nichts. Ich meine, ich persönlich finde die Anti-Atittude spitze, aber als Fan möchte man ja auch, dass du davon leben kannst, damit es auch auf lange Dauer weiterlaufen kann.
Diese ganzen Promo-Moves, Blogs, Vlogs und Hypes trüben doch nur die Wahrnehmung für das Produkt. Jede Ära hat eigene Werkzeuge, um Sachen zu vermarkten. Ich kann nur versuchen, das aktuelle Marktgeschehen in Relation zu mir selbst, meinem Alter, meiner Generation und meinem Lifestyle zu sehen, und da ist es nun mal so, dass das, was heute normal ist, nicht zu meiner Person passt. Und das ist auch OK. Du musst gucken, mit was du dich identifizieren kannst. Nur so kann man dieser Maschinerie entfliehen. Wenn Image, Masche oder Kalkül dahintersteckt, ist es zum Geschäft geworden und man wird sich selbst untreu. Ich bin sehr dankbar, dass ich Musik in erster Linie für mich machen kann und wenn das dann auch noch den Leuten gefällt und sie das kaufen: Doppelbonus. Klar, es könnte finanziell besser laufen, aber es ist kein Überlebenskampf. Viele Rapper machen doch heute nur noch Musik, weil sie Erwartungen erfüllen müssen.

Es geht eben heute nicht mehr um die Musik. Die Deutschrap-Maschinerie lebt von Image, Hype, Trend, Beef und Selbstdarstellung. Rap ist Pop geworden.
Ja, man. Genau das Gleiche sag ich auch. Rap ist Pop. Ach, Anna, weißt du, ich habe für mich gelernt, was wirklich wichtig ist. Geld ist für die öffentliche Wahrnehmung tatsächlich wichtiger als für das persönliche Glück. Klar, es ist gut, wenn man es hat und es ist wichtig für meine Kinder und es ist auch scheiße, wenn man keins hat. Aber du darfst auch nicht vergessen, dass wir in unserer Jugend wirklich viel Geld hatten. Ich war 20 und hatte 125.000 DM auf dem Konto. Philip hat sich von seinen ersten Kohlen einen alten Volvo C70 geholt. Damals gab es nicht nur Vorschüsse vom Label, die gab es auch vom Verlag und nach drei Monaten hattest du schon wieder Anspruch auf einen neuen. Das hat dann ja auch gereicht, um fünf, sechs, sieben Jahre solo zu leben. Wir haben 55.000 Platten verkauft, es kam GEMA-Kohle rein, Liveauftritte, dann noch gedealt. Ich war nie abhängig von der Industrie, und damit wäre ich nicht glücklich geworden, auch wenn da mehr Geld geflossen wäre.

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Glaubst du, dass du weniger melancholisch schreiben würdest, wenn du mit Rap kein Geld verdienen müsstest? Ich glaube das irgendwie.
Meinst du? Ich glaube nicht. Und so schlimm ist der Hustle auch nicht. Jetzt, in einer reflektierenderen Phase meines Lebens, zeichnet mich nicht der erhobene Zeigefinger, aber tatsächlich eine Schwermütigkeit aus. Was für mich persönlich aber extrem substanziell für Musik ist und die Lebensdauer ausmacht. Ich rede jetzt von meiner Solomusik. Bei den anderen Sachen ist die Melancholie ja nicht so vordergründig. Aber ich komme aus einer Generation, wo Rap noch Kulturspiegel war. Rebellion, Musik für die „Unterdrückten“ und „Loser“. Ich will jetzt nicht die Ghetto-Karte ziehen, aber ich sehe Rap eben wirklich noch als Tool. Und für mich ist der Kern guter Musik seit jeher Leid, Hass, Herzschmerz und Rebellion.

Oder wie Mach One sagt: „Guter Rap gedeiht im Dreck.“
Gut gesagt. Ich meine, ja klar, ich könnte dir jetzt ein ganzes Battlerap-Album machen, ohne persönliche Note. Das klatsch ich dir hier in fünf Minuten hin, wie ein „Bunker Bars“. Das kostet mich nicht viel, erfüllt aber auch nicht wirklich meinen Anspruch an Musik.

Wenn es kein großer Aufwand ist, so ein hingewichstes L.A.K.-Battle-Rap-Noisey-Exklusiv würde ich direkt mitnehmen. Dein Anspruch an Musik ergibt sich aus der Generation, aus der du kommst. Aber heutzutage gibt es im Rap eine Werteverschiebung, die Zeit nun mal mit sich bringt. Die Inhalte haben sich genauso verändert wie die Protagonisten. Der Zeitgeist, auch wenn ich das Wort ungern benutze, ist nun mal heute ein anderer.
Im künstlerischen Werk zeigt sich das heute so: Die Songs werden kürzer, die Lyrics weniger, dafür immer öfter wiederholt, egal ob auf BoomBap oder Trapbeats. Es bleibt viel liegen, was das lyrische Talent und Sprache als Stilmittel angeht. Es stimmt, Vieles, was früher wichtig war, ist es heute nicht mehr.

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Wenn ein Rapper nicht auf Facebook präsent ist, kein Image bedient, keine Promo macht und keine Skandale provoziert, dann läuft er unter dem Radar. Nicht der Rapper, den alle am besten finden, bekommt am meisten Geld. Verkaufst du deine Features?
Wenn ich broke bin, ja. Was soll ich sagen. Auch wenn ich sonst drumherum kommen will.

Was kostet eine Lakmann-Feature?
In einer Phase vor dem neuen Album habe ich tatsächlich 500 Euro für einen 16er genommen. Das hat mir da aber auch wirklich gut getan. Ich mein, 500 Euro für einen 16er, das ist für mich schon … Aber ich meine, das war auch echt ein fresher Text …Weißt du, wie der ging?

„500 Euro / 500 Euro / ich schreib' jetzt 4 Bars / danach hab' ich 500 Euro/ 500 Euro / 500 Euro“

Kein Wort umsonst. Ich komme aus einer Zeit, wo für Features eben noch kein Geld genommen wurde. Wenn ich jetzt zu großen Leuten wie Sido gehen würde, weil ich jetzt auch einen Monsterremix machen will, dann würde ich ja auch nicht erwarten, dass er jetzt Geld von mir will. Und ich möchte nur mal erwähnen: Ich habe nie zuerst gefragt.

OK, steht im Protokoll. Und für Features Geld zu nehmen ist heute normal. Weißt du, ich bin sehr froh, dass man zum Beispiel anhand von YouTube-Kommentaren noch ein Gefühl dafür bekommen kann, was die Leute abseits von Trends und Charts feiern. Und da bist du wirklich ein Phänomen. Keiner disst Lakmann. Auch das neue „Besieg den Beat“ zum Beispiel. Alle feiern es. Die Leute checken schon noch, was gut ist, egal was chartet. Das freut mich.
Naja, jetzt wo ich wieder mehr released habe, werden die negativen Kommentare aber auch mehr.

Das kannst du mit anderen aber nicht vergleichen. Marvin Game hat im Interview zu mir gesagt: „Lakmann hat das, was sich ausnahmslos alle Rapper wünschen, aber 99,9 Prozent niemals bekommen: Respekt aus der ganzen Szene.“
Ja, Anna, was soll ich dazu sagen? Da kann ich nicht widersprechen.Könnte ich Respekt in Geld ummünzen, wäre ich bestimmt ein reicher Mann, keine Frage.

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