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Rudis Brille

Besser nicht am Ball bleiben—Gedanken zum Akademikerball 2016

„Man müsste einen Stacheldraht um die Hofburg spannen, mit einem Loch, so wie in der Südsteiermark. Diese „bauliche Maßnahme“ wäre ein guter Gag.“

Foto: David Prokop | VICE Media

Alle Jahre wieder beschäftig genau ein Ball alle politischen Lager samt Exekutive: Der WKR Ball—nun besser bekannt als Akademikerball. An sich ist dies ja schon einmal ein Widerspruch in sich, denn was an dem Ball ist so akademisch? Das haben sich sicher schon viele gefragt, denn die Diskussionen im Vorfeld sind alles andere als das—aber auch das ist polemisch.

Die „Offensive gegen Rechts" rief am Mittwoch—wie auch schon die Jahre zuvor—zum Protest gegen den Akademikerball in der Hofburg auf. Dieses Jahr soll die Demonstration um die Sperrzone länger und größer sein, denn der „FPÖ-Burschenschafterball" sei „nicht legitim" und dürfe nicht in der Hofburg abgehalten werden—so die Offensive. Man wolle daher auf der Straße ein „starkes Zeichen gegen die FPÖ" setzen und rechne mit 6.000 bis 10.000 Teilnehmern.

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Foto: Kurz Prinz | VICE Media

Für Wien heißt das Ganze: Säbelrasseln und hochnervös Kommunikationsfallen vermeiden. Fast schon panisch agieren Parteien und Exekutive, denn man weiß noch zu gut was vor zwei Jahren geschah: Damals agierte die Polizei dermaßen stümperhaft, dass die Lage aus dem Ruder lief und der halbe erste Bezirk verwüstet wurde, samt medialem Desaster und dem üblichen politischen Kleingeld. 2015 lief das Ganze dann weit ruhiger ab—ein paar Blumentröge mussten ja ohnein erneuert werden, so hässlich wie die waren. Was mich angeht, ich werde wieder zur Demo gehen, denn ich finde immer noch, dass ein Ball wie dieser nichts, aber auch gar nichts, zur Verbesserung unserer politischen Kultur beiträgt. Er ist in seinem Kern eine Ansammlung von national und rechts orientierten Personen, die sich nicht nur zum Marschgebläse, sondern auch zum Gedankenaustausch trifft.

Die—nachweislich dem Rechtsextremismus zuzuordnenden—rechten Burschenschaften sind ja an sich die Gründerväter des Balles, die FPÖ gibt seit einigen Jahren den Ehrenschutz, es finden (und fanden) sich Vertreter vieler rechts außen stehenden Parteien Europas ein. So sind auch Vlaams Belang oder Front National unter den Ballgästen, dazu auch noch weitere „echte" Nationale, die in ihren Publikationen schon mal gerne den Holocaust in Frage stellen oder den Tag der Befreiung als große Niederlage beweinen. Eben aus diesem Grund wird auch jährlich—seit 2008—demonstriert. Im Herzen von Wien und der Republik, in der Hofburg, hat ein solcher Ball nichts verloren, so das überwältigende Argument der Ballgegner. Die Gegenseite kontert damit, dass jede politische Partei das Recht habe, im Sinne der freien Meinungsäußerung eine „schöne, repräsentative" Veranstaltung abzuhalten. Die freie Meinung ist da aber ein sehr dehnbarer Begriff. Denn wo die ihre kritisiert wird, muss sie bitteschön auch wieder vorbei sein. „Gutmenschen" und „linkslinke Chaoten" haben schließlich nichts zu sagen.

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Gerade heuer bekommt das Ganze natürlich noch eine ganze spezielle Würznote, denn wir stehen globalpolitisch gesehen mitten im Umbruch. Das Flüchtlingsthema beherrscht seit Monaten sämtliche Medien, die Obergrenzen werden nur so heruntergeschraubt, dass „oben" ja eigentlich nur mehr die Worthülse darstellt, die mit „unten" befüllt wird. Die Ereignisse rund um die Kölner Silvesternacht werden auch hierzulande eifrig kommentiert. Das Niveau erinnert an den Marianengraben—tiefer geht es nicht mehr. Ein Phänomen der letzten Wochen ist auch, dass nun Menschen, die an sich sicher nicht dem rechten Umfeld zuzuordnen waren (dachte ich) plötzlich zu Geschichtenerzählern wurden: Geschichten vom grabschenden Asylanten im Bus oder vom dealenden Flüchtling am Bahnhof, von den Gratisfahrscheinen und von den Ungerechtigkeiten. Und sie bekommen Beifall, Beifall von so vielen, dass einem übel werden muss.

In Deutschland werden früher oder später Pegida und Identitäre wohl zu einer offiziellen Bewegung verschmelzen. In Österreich—man mag ja fast froh darüber sein—hält die FPÖ die ganz rechts außen stehenden Hooliganbewegungen noch an der kurzen Leine, wer weiß wie lange noch. Die Pegida, die dank eines kommunikativ verkümmerten Vorstitzenden bei uns alsbald im Meer von Spott und Hohn versank, formiert sich—gerade in Deutschland—neu und damit natürlich auch die Gegenbewegung der Zivilcourage. Aber alle sprechen nun vom „Ende der Willkommenskultur"—ein Wort, das ich immer gehasst habe—denn auf „Willkommen" folgt immer „Auf Wiedersehen" oder „Schleich di". Wir haben jetzt die „Schleich di"-Kultur, denn mittlerweile will niemand mehr irgendwen willkommen heißen, der nicht aus unserem, ach so tollen, Kulturkreis kommt.

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Das alles beherrscht uns vor diesem unsäglichen Ball, einem Ball, der von der Polizei geschützt werden muss. Einer Polizei, dessen Präsident einst „Spefuchs" bei den „Franko Cheruskern" gewesen war (einer durchaus rechtsextremen Burschenschaft) und der, ich behaupte einmal, nur aus Berufsräson nicht selbst am Ball das Tanzbein schwingt.

Foto: Kurt Prinz | VICE Media

Aber—um ganz ehrlich zu sein—ein wenig inhaltliche „Auffrischung" täte den Organisatoren ab und zu nicht schlecht. Klar, wir sind alle Antifaschisten, keiner will den Ball, man will eine Message rüberbringen, aber erreicht die unsere Wohlstandsgesellschaft noch? Wenn wir die guten alten „Antifaschista"-Parolen rufen, dann ist das gut, aber weicht nicht der „Faschismus" dem neuen, ichbezogenen Neoliberalismus, dem Wertedenken der neuen FH-Spießer, die sich hinter ihren politikbefreiten Modeblogs verstecken? Wenn man die schönen und Beschönten am Vorabend des Balles fragt, wohin sie gehen am Abend, dann heißt es: „Da müssen wir einen Bogen um den ersten Bezirk machen", anstatt dass sie kurz innehalten und ein paar Meter mitgehen und sich eigentlich auch fragen sollten, warum der Rest der Belegschaft da ist—sowohl Demonstranten als auch Narbengesichter. Denn dort, in der Trennung der Gesellschaften, steckt die Wurzel allen Übels.

Aber das machen die Wenigsten, so bleibt es in Händen der Polizei, zu trennen, was nie zusammengehören wird. Diesmal sogar mit Hilfe eigener Kamerateams. Da wird also eifrig aufgenommen werden und in den Nachwehtagen des IS-Terrors und seiner mitgebrachten Grundgesetzänderungen kann man sich leicht als kleiner Staatsfeind wiederfinden—ohne Anspruch auf Gnade. Die in der Hofburg, die am liebsten nach hungaro-polnischem Vorbild die Presse- und Meinungsfreiheit nach ihrer Auffassung formen würden, die bleiben beschützt, die schwärmen von Zucht und Ordnung, von Nationalstaaten und von Grenzzäunen. Wenn es nicht so teuer wäre, man müsste einen Stacheldraht um die Hofburg spannen, mit einem Loch, so wie in der Südsteiermark. Diese „bauliche Maßnahme" wäre ein guter Gag, und am besten verteilt man eine Demozeitung. Ein Titel fiele mir auch ein: „Lügenpresse". Darauf könnte stehen: Der Beginn der „Schleich di"-Kultur, wir beginnen bei euch, daneben ein Bild von HC, ach wär das schön!!

Auf eine friedliche Demo!

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