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Was wurde eigentlich aus Dubstep, Mala?

Nach Skrillex und Brostep galt Dubstep als tot und vergessen. Dem Genre hätte nichts Besseres passieren können.

Half Dubstep einst auf die Beine und hat nun ein neues Album veröffentlicht: Mala. Aus Südlondon. Natürlich.

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EDM

die Musik wirklich, wie mancher behauptet, getötet? Rückblende: "And now, wake the fuck up!", schreit eine Stimme, bevor der Drop schnell springende und geifernde Wobble-Bass-Töne über steppende Beats spuckt. "Cockney Thug" von Rusko 2009 war einer der Tracks, die den Weg für aggressiv-prollende Dubstep-Entwürfe bereitete. Deren wachsende Beliebtheit in der damaligen Szene brachte unter anderem von Simon Reynolds in seinem Buch "Energy Flash" mit dem Rauchverbot in Englands Clubs und dem schon zu dieser Zeit ansteigenden Konsum von Drogen wie Ketamin und MDMA in Verbindung. (Auch in

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Lauren Martins "Oral History" des Dubstep

wurde diese Theorie angeführt.) Wobbelnde Bässe und brachiale Drums waren auch in den Anfängen schon charakteristische Stilmittel, die mit der Zeit aber immer monströser und ins Zentrum geschoben wurden.

Um 2012 schliffen Stars wie Skrillex und Justin Bieber protzige Sägezahnbässe und cleane, großspurig aufgeblasene One-Drop-Beats glatt, sie wurden vermarktet und werbewirksam in Szene gesetzt. Mercedes warb etwa zur damaligen Fußball-Europameisterschaft der Herren über einem bratzig-opulenten Track mit pathetischen Bildern für die Mannschaft aus Deutschland—und seine A-Klasse. Plötzlich landete ich, der Dubstep schon seit Jahren verfolgte, auch in Deutschland auf ausgewiesenen Dubstep-Partys, auf denen DJs plötzlich und ausschließlich die überdrehte Variante der Musik auf die Tanzfläche spuckten. Die aufgedrehte Neon-Rave-Atmosphäre überdeckte die untergründig wühlenden Bässe, die mich bislang an Dubstep fasziniert hatten—sie trugen zwar Rave in sich, gaben mir aber auch die Möglichkeit, abzutauchen.

Mit großspurigen Synthesizersalven attackierten die neuen Tracks jetzt meine Ohren, während die Bässe, die am ganzen Körper spürbar waren, im Hintergrund versackten. Viele der SympathisantInnen von Dubstep der frühen Stunde sahen den Tod des Genres nahen und wollten sich nicht mehr mit dem identifizieren, was in Folge des Mainstream-Erfolgs unter dem Begriff verstanden wurde. Heute, vier Jahre später sind die Tracks, die sich Elemente von Dubstep einverleibt haben und denen mit Trap und Breitwand-House noch mehr Party-Köpfe gewachsen sind, Teil von EDM (Electronic Dance Music). Vor allem in den USA füllen sich so Stadien. Das Reden über Dubstep ist aber immer leiser geworden.

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Auch manche ProduzentInnen, die Dubstep in den ersten zehn Jahren geprägt haben, sahen sich um 2010 teilweise dazu bewogen, sich von dem populärer werdenden, aggressiven Auswuchs, dem kommerziellen Dubstep also, zu distanzieren. Manche warfen Begriffsunterscheidungen ins Gespräch (schlechter Brostep VS guter Dubstep) und feilten weiter an ihrem zurückgelehnten, düsteren und basslastigen Klang. Andere öffneten sich für Einflüsse aus House, Techno oder Pop-Musik.

"Limit To Your Love" von James Blake setzte sich schon 2011 an die Spitze einer Bewegung, die Dubstep-Beats und virbrierende Bässe mit helleren Melodien und Gesang kombinierte. Die Ära des Post-Dubstep war ausgerufen, obwohl Dubstep noch lange nicht am Ende war. Die folgenden, immer neuen Musik-Hybride, die mit Bass im Zentrum entstanden, entwickelten sich in verschiedene Richtungen. Heute werden sie schlicht unter einem Sammelbegriff zusammengefasst: Bassmusik.

"Es ist unglaublich, was für einen Einfluss diese kleine Bewegung aus London weltweit hatte", resümiert der Produzent und DJ Mala im Interview mit THUMP eine der Folgen von Dubstep. "Der Begriff Bassmusik hat vorher nicht existiert. Die Betonung auf den Bass kam aus dieser Bewegung, von der Dubstep Teil war."

Und Mala, der gerade mit Mirrors ein neues Album veröffentlicht hat, war von Anfang an mittendrin. Als eine der prägenden Figuren in der Dubstep-Szene, hat Mark Lawrence alias Mala eine weit- und tiefgreifende Perspektive auf die Entwicklung des Genres. Als es den Begriff Dubstep noch nicht gab und Produzenten wie Horsepower Productions oder El-B um die Jahrtausendwende UK Garage und 2Step in eine düstere, minimalistische Richtung bewegten, während die Party-Reihe FWD>> Raum für Experimente gab, gehörte Mala zu den regelmäßigen Besuchern.

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Zusammen mit Coki produzierte Mala als Digital Mystikz eigene Musik, die zum ersten Mal 2004 auf Platte erschien. Kurze Zeit später schufen sie zusammen mit dem Kollegen Loefah DMZ—eins der stilprägenden Labels, auf dem sie ausschließlich eigene Tracks veröffentlichten. Im Folgejahr kam die gleichnamige Party-Reihe dazu, die zur maßgeblichen Institution in Sachen Dubstep wurde und mit dem Motto "meditate on bass weight" die wachsende Szene anzog.

Als zu dem Zeitpunkt in Südlondon jene Musik die Clubs zum Vibrieren brachte, die UK Garage herunterbrach; die je nach Empfindung entweder 140 BPM schnell oder 70 BPM langsam war; und die UK Rave-Tradition genauso aufnahm wie die Sound System-Kultur, blieb all das von den großen Medien unbeachtet, erinnert sich Mala. Dass die Szene trotzdem wuchs und Dubstep später über Südlondon hinaus ein Begriff wurde, lag daran, dass sich immer mehr Menschen für den Klang begeisterten. Neben denen, die bei Labels oder als ProduzentInnen, DJs, FotografInnen oder im Journalismus arbeiteten, hatten auch die hörenden Fans ihren Anteil, wie der 36-Jährige Produzent und DJ unterstreicht: "Die Leute, die zu den Partys kamen und von Anfang bis zum Ende blieben, dieses vollkommen überzeugte und treue Publikum, haben geholfen, Öl ins Feuer zu gießen."

Junge Dänen gehen anno 2010 nicht gerade sachte zu Dubstep ab. Foto: imago/UIG

Ab 2006 wurde schließlich auch internationales Publikum in kleineren Kreisen auf Dubstep aufmerksam. Da hatten Mala und Digital Mystikz längst mit ihren düsteren, meditativen und tonnenschweren Tracks einen charakteristischen Zweig des Genres geprägt, der einen mit dem Einrasten auf 140 BPM mit vielfältiger Percussion, geraden wie gebrochenen Beats sowie hin und wieder wobbelnden Basslinien in tanzende Trance zog—und immer noch zieht. Mala spielte DJ-Sets in Deutschland, hin und wieder auch in Begleitung mit Sgt. Pokes, der mit dem Mikrofon in der Hand das Publikum anheizte. Diese Auftritte mit DJ und MC, wie auch die Wichtigkeit, die Dubplates, also eigens für die DJs geschnittenen Platten, zukommen, drücken die Nähe zur Sound System-Kultur aus, die aus dem Reggae und Dub kam.

Als Dubstep und Charts sich nicht mehr ausschlossen und Elemente des Genres berechnend zu kommerziellem Erfolg aufgebügelt wurden, war von Dubplates keine Rede mehr. Mala machte aber weiter, ohne sich den Erfolgsrezepten anzupassen. "Als es riesig und Mainstream wurde, haben manche das Interesse verloren, während andere neu darauf abgefahren sind", sagt er heute ohne Regung. "Im Endeffekt passiert das aber die ganze Zeit mit jeder Musik, die durch diese Art von Kreislauf geht." Die Meinung, dass der Erfolg von Skrillex & Co der Szene geschadet habe, teilt er nicht: "Ich habe es nie so empfunden, dass der kommerziellere Sound auf irgendeine Art der Musik, die ich mache oder für die ich stehe, geschadet hat. Es ist eine seltsame Haltung, mit jemandem ein Problem zu haben, der von etwas inspiriert ist und es in etwas Eigenes umwandelt. Ist das nicht etwas, was wir alle tun? Wenn man etwas mit Menschen teilt, dann sollte man davon ausgehen, dass man gesamplet und kopiert wird. Das gehört zum Leben dazu."

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Als Dubstep in harter, aggressiver und gleichzeitig gefälliger Form auch in österreichischen und deutschen Werbe-Fernsehen seinen Platz fand, wählte Mala für sein Debüt-Album einen für ihn ungewöhnlichen Ansatz: Mala In Cuba von 2012 war aber nicht, als Abgrenzungsversuch zu der damaligen Entwicklung zu verstehen. Vielmehr war es Zufall, dass die Idee des Radio-Moderators und Inhabers des Labels Brownswood, Gilles Peterson, Mala mit MusikerInnen auf Kuba zusammenzubringen, in diesen Zeitraum fiel. Aus Aufnahmen mit dem Pianisten Roberto Fonseca und anderen MusikerInnen baute er später in Verbindung mit eigenen Elementen die Tracks für das Album. Daraus ist Musik entstanden, die kaum überraschend mit dem anderen Output von Mala wenig vergleichbar ist, auch wenn manche Rhythmusstrukturen und die Arbeit mit dunkler Atmosphäre und Dub-Effekten seine Arbeitsweise erkennen lassen.

Für sein zweites, aktuelles Album, bekam er wieder die Chance, zu reisen, andere Musiken zu entdecken, aufzunehmen und zu etwas Eigenem zu machen. "Es ist eine wunderbare Art, ein Album zu machen. Du versetzt dich in ein unbekanntes Land und hast beeindruckende Erfahrungen. Das Konzept ist die Wirklichkeit. Vielleicht bin ich aber auch nur faul", sagt er und lacht.

Die Arbeit für Mirrors führte Mala dieses Mal nach Peru, von dem er vorher kaum etwas wusste, wie er zugibt. Und hört man ihn von der Vielfalt der Kulturen, Landschaften und Musiken reden, wird erkennbar, dass man gar keine Ahnung von einem einzigen "Peru" bekommen kann. Auch wenn er mit seinem Album verschiedene Einflüsse hörbar machen möchte, so geht es ihm nicht darum, das eine Bild von peruanischer Musik zu präsentieren. "Ich war nicht dort, um ein Album zu machen, das peruanisch klingt, sondern um Eindrücke zu gewinnen und etwas Neues in mir zu finden, wie ich an Musik herangehe, und um etwas zu machen, das hoffentlich eigenständig ist." Durch Martin Morales, einen Bekannten von Gilles Peterson, der auf seinem eigenem Label, Tiger's Milk, Musik veröffentlicht, die in Peru entstanden ist, bekam Lawrence einen Einblick und erste Kontakte zu MusikerInnen.

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Auf dem Cover von Mirrors, einer Fotografie von Jorge Luis Dieguez alias Fido, setzen sich jetzt Sanddünen gegen einen blauen Himmel ab und nehmen eine rosa Färbung an. Es wirkt surreal und sanft, friedlich auch durch die Menschenlosigkeit. Mala wollte sich aus dem Aufnahmeprozess mit den MusikerInnen so weit wie möglich herausnehmen; sie spielen und singen lassen, was ihnen in den Sinn kommt; ihnen nicht sagen, was und wie sie spielen sollen. Er nahm gewissermaßen die Rolle eines Spiegels ein, der ein bearbeitetes und neues Bild zurückwirft, ohne das alte vollends zu überstrahlen. So ist auch die Musik auf diesem Zweitwerk ein Ineinander von verschiedenen Instrumenten und Melodien, aber auf einer gemeinsamen Ebene. Die immer wieder auftauchenden Melodien der Panflöten bei Tracks wie "Kotos" oder "Cusco Street Scene", aber auch der Cumbia-Rhythmus bei "Loony" harmornieren einhellig im Halbschatten zwischen Dunkelheit und Licht mit den tiefschürfenden Beats, gespenstischen Synthesizern und wühlenden Bässen von Mala.

Sowohl Mirrors als auch Mala in Cuba sind auf Gilles Petersons Label Brownswood erschienen, was ungewöhnlich für Mala ist. Er vertritt einen starken Unabhängigkeitsgedanken und hat die meiste seiner Musik auf eigenen Wegen herausgebracht. Dabei hat er sein Label Deep Medi 2006 nicht nur für sich allein geschaffen. "Ich versuche, Produzenten zu helfen, indem ich ihnen eine Plattform biete, auf der sie wirklich sie selbst sein können. Vielleicht kommt das aus meinem früherem Job in der Jugendarbeit", erklärt er. "Dabei geht es viel darum, zuzuhören, die Menschen zu sehen, und sicher zu gehen, dass sie sich wohl und selbstsicher fühlen, um zu experimentieren und sich auszudrücken. So sehe ich auch meine Rolle als Labelbetreiber."

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An Musik, die er herausbringen möchte, mangelt es nicht. Im vergangenen Jahr zeichnete sich Deep Medi unter anderem für das gemeinsame Album von Kahn, Commodo und Gantz verantwortlich, die als Trio als auch jeder für sich für einen Klang stehen, der sich der Anfänge von Dubstep bewusst ist und nach eigenen Abzweigungen in Richtung Zukunft sucht. Neben ihnen gibt es noch eine Menge anderer ProduzentInnen, deren Bassmusik-Entwürfe an die Hochphase von Dubstep erinnern wie Ishan Sound, Kaiju, Nomine oder V.I.V.E.K.. Und das, obwohl der Hype um aufgepumpten, harten Dubstep größtenteils verpufft ist. Sieh dir nur mal Skrillex an: Zwischen Jack Ü und "Bangarang" liegen Welten.

"Dubstep ist nicht mehr trendy, oder? Und das ist super!", freut sich Mala. "Wir haben sozusagen den Sturm der Medienaufmerksamkeit überstanden. Die Leute haben nie aufgehört, interessante und kreative Musik zu machen. Ich denke, es ist gerade eine tolle und kreative Zeit, weil der Fokus auf die Musik—auf das Wort Dubstep—weg ist und sich Leute wieder frei und wohl fühlen und wieder anfangen, zu experimentieren. Es wäre die richtige Zeit für alle, die Dubstep abgeschrieben haben, wieder herumzuschnuppern und reinzuhören, was da draußen los ist."

Mala Mirrors ist bei Brownswood/rough trade erschienen.

Dieser Artikel ist zuerst bei THUMP erschienen.

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