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Eine Typisierung von Leuten, die Musiker nach ihrem Konzert zutexten

„Hey, echt coole Show, aber…“—Diese Typen gehen Musikern nach der Show auf den Sack.

Foto: eric molina / Flickr | CC By 2.0

Selbst wenn ein Musiker ein ignorantes, selbstverliebtes Arschloch ist, das den Tag damit beginnt und beendet, sich vor dem Spiegel Luftküsse zuzuwerfen, will er dennoch wissen, wie gut oder schlecht er denn wirklich ist. Vielleicht kann er nicht unbedingt die Wahrheit vertragen, aber ehrliches Feedback ist für eine Band nicht ganz unwichtig. In der scheinbaren Anonymität der sozialen Medien lesen Bands selten konstruktive Kritik, sehen oft ein gutgemeintes „Gefällt mir“ und dürfen sich manchmal auf derbe Beleidigungen ihres Aussehens betreffend freuen. Ein Konzert stellt also DIE Möglichkeit des Austausches mit willigen Hörern dar. Große Headliner genießen Schwärme treuer Fans, die begeistert Merchandise kaufen und dem Sänger stolz erzählen, wie sehr sie sich mit seinen Texten über Trennungsschmerz identifizieren können. Kleinere Supportbands haben es da schon schwieriger. Denn wenn die Band unter zurückhaltendem Applaus die Bühne verlässt, das Licht wieder angeht und die Konservenmusik ertönt, kristallisieren sich fünf nervige Typen von Menschen heraus, die jetzt zum Merch-Tisch oder später zur Bar rennen, um sich den verschwitzten Musikern mitzuteilen.

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Der einnehmende Schmarotzer​

Gerade ist die Band dabei, ihre Sachen zusammenzupacken, um sich vollends dem gerechten Aftershow-Rausch hinzugeben, da zirkelt er in ihren Kreis: ein zwielichtiger Typ, der von Komfortzonen so wenig versteht wie von Musik. Einen Arm um den Bassisten gelegt, offenbart er mit beschwörendem Blick und debilen Grinsen, dass der Gig echt „total crazy“ war. Er kenne da jemanden, dessen Bruder mal mit so einer Frau zusammengewohnt hat, deren Ex-Freund sie mit der Praktikantin eines Labels betrogen hat. Er könne ja mal seine Kontakte spielen lassen, weil da „auf jeden Fall“ ein Deal drin sein würde. Müsste man aber natürlich erst einmal bei einem gemeinsamen und vor allem kostenlosen Backstage-Bier, Schnaps und Catering bereden. Nein, muss man eigentlich nicht, weil die Wahrscheinlichkeit, dass sich irgendwelche wichtigtuerischen Wichtigtuer an junge Bands ranschmeißen, um ihnen Träume vorzusäuseln sehr viel größer ist, als dass sich wirklich etwas ergibt.

Foto: icanteachyouhowtodoit / Flickr | CC By 2.0

Der windige Journalist

Während des Konzerts springt plötzlich ein Typ zwischen der Band rum, blendet sie mit seiner Kamera und versperrt ihnen tollpatschig die Laufwege. Nach der Show erzählt er ihr dann, dass er von diesem krassen Musikblog sei und eine Konzert-Review schreiben wolle. Ja genau, eben der Typ, der vorher die Band erfolgreich damit genervt hat, ihn auf die Gästeliste zu schreiben. Der Weg ins Musik-Olymp ist ein weiter und so greifen junge Bands nach jedem noch so kleinen Strohhalm. Jetzt macht dieser Strohhalm bescheuerte Witze, peinliche Bemerkungen und fragt frech nach einem Gratis-Shirt. Er würde dann auf jeden Fall den Link schicken, sobald der Artikel online ist. Also zwei Wochen später, wenn die Band realisiert, dass absolut niemand diesen Blog liest und das sogar absolut gerechtfertigt ist.

Der verwirrte Götzenanbeter

Zugegeben, es gibt nichts Besseres für das hungrige Ego eines Musikers, als frisch verschwitzt nach der Show ein Bad in der Menge zu nehmen und sich von allen versichern zu lassen, wie geil er gespielt hat. Im Idealfall fällt diese Ehre attraktiven Groupies zu. Viel öfter muss sich eine Band aber mit dem rotzbesoffenem Club-Alki begnügen, der seit 30 Jahren zum festen Mobiliar des Hauses gehört und immer wieder versichert, dass die Musik was Großes ist: „Des is Potenzial, Leute, des is ka Witz!“ Wenn jemand es schaffen kann, dass ihr euch als Bands selbst für eure Musik schämt, dann ist es dieser Typ.

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Foto: Fred Benenson / Flickr | CC By 2.0

Der klugscheißende Equipment-Nerd

Selten ist Musik so emotional erlebbar wie auf einem Konzert. Die Musiker öffnen ihre Seele, geben sich ihren Akkorden hin, durchleben noch einmal den Liebeskummer, den sie gerade so blumig besingen. Das alles ist dem klugscheißenden Equipment-Nerd total egal. Seine Augen fixieren lieber die Gitarre, die Saiten, die Humbucker und folgen dem Kabel bis zum Topteil. Nach der Show kommt er dann angeschlendert und fragt den Saitenzupfer, warum er den Gain so stark aufgedreht hatte, mit so einer Gitarre-Amp-Kombination könne er doch einen viel „crunchigeren“ Sound erreichen. Natürlich nur, wenn er sich den vorderen, „total überschätzten“ EMG 81-Pickups ausbaue und durch etwas Passenderes ersetze. Wenn er das seltene Glück hat, in eben diesem Gitarristen seinen Equipment-fetischistischen Seelenfreund gefunden zu haben, wird jetzt unverkrampft losgeschwafelt, bis sie sich mangels anderer Gemeinsamkeiten in peinlich-stummer Übereinkunft wieder voneinander trennen. In den meisten Fällen wird es dazu jedoch nie kommen, eher antwortet der Gitarrist berechtigt genervt: „Echt? Halt die Fresse!“

Der ehrliche Hater

Musik wird auf einem Konzert emotional erlebbar? Verdammt richtig, vor allem wenn sich ein Typ mit höhnischem Lächeln an der Bar vor dem Sänger aufbaut und ihm sagt, wie scheiße er doch singe. Bei einer Metalshow wird dann noch gerne die Frage hinterhergeschoben, warum er denn bitte so lächerlich grunze wie ein Schwein? Überhaupt sei dieses ganze Rumgespringe doch „voll lächerlich“. An solch konstruktiver Kritik kann sich eine Band eigentlich nur noch im Internet erfreuen, also bietet sich jetzt die perfekte Möglichkeit, den Typen für all die dummen Facebook-Kommentare anderer Vollidioten stellvertretend büßen zu lassen. Verbal natürlich. Und emotional. Sehr emotional.

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