Eine Mutter, ein Sohn und zwei Diagnosen
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Eine Mutter, ein Sohn und zwei Diagnosen

Joshua schwor sich, seiner Familie nichts von seiner HIV-Erkrankung zu erzählen. Als dann bei seiner Mutter eine seltene Krebsart festgestellt wurde, änderte sich alles.

Inspiriert durch unsere Dokumentation „HIV stoppen? Die Truvada-Revolution" haben wir uns mit Leuten getroffen, deren Leben vom HI-Virus nachhaltig verändert wurden. Für diesen Artikel unterhielt sich die Autorin Harriet Alida Lye mit ihrem Bekannten Joshua* und dessen Mutter Beverly—dabei ging es darum, wie zwei Krankheiten die Mutter-Sohn-Beziehung verändert und vor allem gestärkt haben.

Ich bin spät dran. Ich habe mich auf den Weg zu Joshuas Wohnung gemacht, die sich in einem Teil von Toronto befindet, den er selbst ein, „florierendes Oxymoron nur leicht unterhalb der Crack-Grenze", nennt. Als er runterkommt, um mich rein zu lassen, hat er ein schelmisches Grinsen im Gesicht. „So", sagt Josh, „Jemand ist da, aber nicht mehr lange! Sorry!"

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Als wir hoch zu seiner Wohnung kommen—zwei Geschosse über einem Cookie Store—, steht dort ein 22-jähriger Junge in der Mitte des Zimmers. Mark ist schlaksig, hat dunkle Locken und nach vorne hängende Schultern. Josh macht eine knappe Geste der Vorstellung und verabschiedet Mark dann mit einem Kuss, bevor wir überhaupt Hände schütteln können. Als Josh die Türe schließt, sagt er halb lachend-halb seufzend: „Ich habe den Jungen gerade erst vom Krankenhaus abgeholt! So hatte ich mir meinen Donnerstagnachmittag nicht vorgestellt."

Joshua ist ein 32 Jahre alter, schwuler, weißer Mann, der abwechselnd mit seiner lesbischen Mutter in Torontos sogenannter „Gayborhood" und seinem Vater auf dessen Bauernhof zwei Stunden nördlich der Stadt aufgewachsen war. Als er 26 war, wurde bei Josh HIV diagnostiziert. Ein Jahr später haben wir uns kennengelernt.

Während wir auf dem Balkon sitzen, erklärt Joshua, dass er und Mark sich Montagnacht über Tinder kennengelernt haben. Nachdem sie ein paar Stunden gechattet hatten, kam Mark vorbei. „Ich arbeite in einem HIV Forschungsverbund", so Josh, „dementsprechend weiß ich ziemlich viel darüber, wie HIV übertragen wird. Wir alberten ein bisschen rum, aber machten nichts, was irgendwie riskant war. Erst als er vögeln wollte, sagte ich ihm, ‚Ja, das wäre fantastisch, aber es gibt da eine Sache, die du wissen musst.' Also kam erst mal alles zu einem Halt."

Ich habe mich mit Joshua darüber unterhalten, wie es war sich seiner Familie zu öffnen. Außerdem haben wir über Sex als HIV-positiver Schwuler und über die unerwarteten Folgen gesprochen, Teil der HIV-positiven Community zu werden.

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VICE: Wie lief die Unterhaltung mit Mark ab?
Joshua: Mark begann die Unterhaltung mit der Frage, „Bist du sauber?" Ich lachte und sagte, „Ja klar, ich habe gerade erst geduscht!" Sauber ist ein extrem stigmatisierter Begriff. Wenn ich nämlich etwas anderes als ja sage, impliziert das direkt, dass ich dreckig bin. Wie auch immer, wir hatten diese lange Unterhaltung und ich sagte ihm alles, was ich weiß, berichtete von meiner Erfahrung und wie meine Werte sind—das ist wichtig, was das Übertragungsrisiko angeht. Dann machten wir weiter rum. Er blieb über Nacht, wir wachten auf und machten noch mehr rum. Es war sehr schön. Ich gab ihm einen Kaffee aus und ging dann zur Arbeit. Drei Stunden später schrieb er mir eine SMS: „Ich werde langsam ziemlich nervös …" Er fragte mich, was ich davon halten würde, wenn er sich einer PEP unterzieht, einer Postexpositionsprophylaxe, um das Infektionsrisiko um 80 Prozent zu reduzieren. Ich sagte ihm aber, dass das Risiko bereits so gering ist, dass es nicht nötig sei. Er ist dann heute trotzdem für die Tests ins Krankenhaus gegangen.

Hast du solche Reaktionen zuvor schon erlebt?
In unterschiedlicher Ausprägung, ja. Normalerweise verwende ich eine App, um Leute kennenzulernen. Wir wissen alle, dass persönliche Treffen ein akkurateres Bild von einem zeichnen können. In so einem Partykontext, wenn man tanzt und betrunken ist, dann kann ich auch mal jemanden kennenlernen und wir beide finden uns vielleicht total toll, aber ich weiß dann nicht wirklich, ob mein Gegenüber auch die Schwere von dem erfasst, was ich ihm erzähle. Das ist unglaublich wichtig, weil HIV so kriminalisiert wird. Ein Ex-Freund könnte mich verklagen und behaupten, dass ich ihm nie von meiner Krankheit erzählt habe, und dann habe ich keine beglaubigte Erklärung von ihm—so eine wird tatsächlich von HIV-Rechtshilfen empfohlen, da man sonst ganz ohne Beweise nicht abgesichert ist. Ich könnte wegen sexueller Gewalt in einem besonders schweren Fall angeklagt werden. Das wiegt etwa so schwer wie Mord. Für mich ist also am einfachsten, Apps zu benutzen, weil ich auf meinem Profil angeben kann, dass ich positiv bin. Das bedeutet auch, dass ich nicht so viele Leute kennenlerne.

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Hast du Angst, wegen Nichtoffenbarung verklagt zu werden?
Ja.

Du denkst darüber also regelmäßig nach?
Ständig. Deswegen reiße ich auch niemanden in Bars auf.

Du hast mir erzählt, dass die Reaktion deiner Mutter auf dein Coming Out „bekomm bloß kein AIDS" war. War das auch etwas, worüber du dir selbst Gedanken gemacht hast?
Nein, nicht vor meinem Coming Out. Aber danach reichte die Angst davor, mich mit HIV anzustecken, aus, um körperlichen Kontakt komplett zu vermeiden. Das hieß, dass jede sexuelle Begegnung mit einem anderen Mann mit einer Menge Schuld und Scham verbunden war. Es ist nicht die dominanteste STI der Welt, aber bestimmt die, die den stärksten Eindruck hinterlassen hat. Es ist die einzige, die sich wirklich in meinem Kopf festgebissen hatte. Es war wie eine Art Moralklausel, die all meine sexuellen Gedanken beeinflusste.

Ich habe in drei Monaten 20.000 Dollar ausgegeben. Ich habe alle meine Kreditkarten ausgereizt und mir ein Gemälde auf Raten gekauft. Das hielt mich am Boden: Ich musste noch drei Jahre auf dieser Welt bleiben, um das Bild abzubezahlen.

Wann hast du herausgefunden, dass du HIV-positiv warst?
Ganz sicher wusste ich es am 26. Februar 2008. Es war ein Dienstag und so gegen 16 Uhr. Ich hatte es aber in gewisser Weise schon ein paar Wochen zuvor herausgefunden, als ich eine aufgeregte Nachricht von der Klinik bekam, in der es hieß, dass es ein Problem mit meinen Ergebnissen gab und meine Proben noch einmal gegengetestet werden müssen. Ich war gerade erst auf Prince Edward Island angekommen und stand alleine am Ufer. Ich erinnere mich noch an den genauen Moment, in dem ich mich dann dafür entschieden habe, doch nicht zu springen.
Der einzige Grund, warum ich mich nicht umgebracht habe, war der, dass ich nicht wollte, dass meine Eltern meinen Studienkredit abbezahlen müssen. Das schien mir einfach die moralisch untragbarste Situation zu sein, in die ich sie hätte bringen können. Das hier war mein Fehler und sie sollten nicht dafür zahlen müssen. Ich habe später herausgefunden, dass ein Studienkredit in Fällen wie Selbstmord verfallen kann. Zum Glück habe ich ein furchtbar schlechtes Gedächtnis!
Es dauerte so lange, den Virus bei mir zu identifizieren, weil ich nur sehr schwach positiv war. Meine Viruslast ist so gering, dass ich zu einer Kategorie gehöre, die Long-term non-progressors oder, ob du es glauben willst oder nicht, Elite Controller genannt wird. Ich habe unglaubliches Glück gehabt und bislang weigere ich mich, mit Medikamenten anzufangen, weil manche Menschen, selbst in Behandlung, nicht so eine geringe Viruslast erreichen, wie ich jetzt.

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Wie sah dein Leben nach der Diagnose aus?
Die ersten beiden Jahre habe ich unglaublich auf mich achtgegeben, weil ich fest davon überzeugt war, jetzt sterben zu müssen. Ich war nie ein großer Fan von Drogen oder Alkohol und dafür bin ich auch sehr dankbar. Ich kenne nämlich eine Menge Leute, die sich nach dem positiven Befund kopfüber in diese Art von „Selbstmedikation" gestürzt haben. Die dachten sich, „Ich werde sowieso bald sterben, warum also nicht einfach bis dahin das weitermachen, was ich liebe?" Die Sache, die ich aber mehr liebe als alles andere, ist Geld ausgeben. Ich habe in drei Monaten 20.000 US-Dollar verprasst. Ich habe alle meine Kreditkarten überzogen und mir ein Gemälde auf Raten gekauft. Es war eine Art subtiler Selbstbestrafung, aber es hielt mich am Boden: Ich musste noch drei Jahre auf dieser Welt bleiben, um das Bild abzubezahlen.
Aber nur ein paar Stunden, nachdem ich das Endergebnis bekommen hatte, bestand meine Mutter darauf, mit mir essen zu gehen. Sie wusste nämlich nicht, was es bei ihrer Geburtstagsfeier drei Tage später zu essen geben sollte. Während unseres Abendessens brach sie plötzlich in Tränen aus, weil sie nicht wusste, ob sie zum Dessert Schokoladenkuchen oder Créme Caramel möchte. Allen die Entscheidung war schon unglaublich stressig für sie. In diesem Moment entschied ich mich dafür, es meiner Familie nicht zu sagen. Ich konnte diesen dramatischen Augenblick meiner eigenen Sterblichkeit einfach nicht mit ihren Alltagssorgen vereinbaren. Ich habe drei Jahre lang niemandem in meiner Familie davon erzählt.

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Glaubst du, es hat dir geholfen, ihnen nicht davon zu erzählen?
Ich bin mir nicht sicher. Ich wollte warten, bis ich es etwas unter Kontrolle hatte. Ich wollte warten, bis ich das Gefühl hatte, es selber begriffen zu haben. Ich wollte nicht, dass das, was mit mir passierte, zu einem Problem für jemand anderes wird.

Einige meiner geschätztesten Mentoren sind total positiv eingestellte, coole und schlaue Menschen. Das liegt daran, dass sie gelernt haben, mit dieser Ungewissheit zu leben.

Was hat dich dann dazu gebracht, deine Familie doch einzuweihen?
Die Krebs-Diagnose meiner Mutter. Sie ist im Bezug auf ihre Gesundheit schon immer etwas empfindlich gewesen: Sie hat zum Beispiel keine Kopfschmerzen, sondern ihr Kopf durchleidet womöglich tödliche Höllenqualen und steht kurz vor der Explosion, was dann natürlich auch noch alle Leute um sie herum töten würde. Aber als sie mich anrief, um mir mitzuteilen, dass bei ihr ein seltenes Lymphom festgestellt wurde, war ich wie gelähmt. Ihre dritter Satz am Telefon war dann folgender: „Keine Sorge, wir werden noch viel Zeit miteinander verbringen, du musst mich ja zu den ganzen Terminen ins Krankenhaus fahren und dort mit mir warten!" Es fühlte sich an, wie von einem Amboss erschlagen zu werden. Gerade erst hatte ich den Eintruck gehabt, dass sich in meinem Leben alles fügt und ich nach vorne blicken und mich auf etwas freuen kann, und dann war das alles plötzlich wie weggewischt.

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Hättest du deiner Familie ohne die Diagnose überhaupt etwas gesagt?
Wahrscheinlich schon. Ich hatte das Gefühl, dass ich ihr von der Infektion erzählen musste, um mein Bedürfnis nach Abstand während ihrer Behandlung zu rechtfertigen. Irgendwie fühlte ich mich gezwungen, mit ihr mitzuhalten, denn sie sagte immer so Sachen wie „Nichts ist so angsteinflößend wie Krebs". Daraufhin meinte ich: „Weißt du was? Du bist nicht die Einzige hier, die sich mit dem Tod auseinandersetzen muss." Als sie anfing, sich über ihr Leiden und ihr Leben zu beschweren, sagte ich zu ihr, dass es wichtig wäre, den Krebs nicht zu einem Teil ihrer Identität zu machen. Ich weiß zwar auch, dass das echt verlockend ist, aber meiner Meinung nach ist das nicht der richtige Weg.

Glaubst du, dass du es geschafft hast, den HI-Virus nicht zu einem Teil deiner Identität zu machen?
Ja. Aber dann treffe ich auch manchmal noch Leute, die zu Beginn echt nett sind, aber dann fangen die Probleme nach einer Diskussion—bei der meiner Meinung nach alles aus dem Weg geräumt wurde—erst so richtig an. Ich habe noch niemanden kennengelernt, dem meine Krankheit völlig egal war. Ich bin gerade ziemlich einsam und deshalb ist es jedes Mal eine emotionale Achterbahnfahrt, wenn ich neue Bekanntschaften mache.

Ist das Leben mit HIV so, wie du es dir vorgestellt hast?
Nein. Ich gehöre jetzt einem Teil der Schwulen-Community an, den ich vorher nie wahrgenommen habe. Aber dort verspüre ich so viel Liebe. Einige meiner geschätztesten Mentoren sind total positiv eingestellte, coole und schlaue Menschen. Das liegt daran, dass sie gelernt haben, mit dieser Ungewissheit zu leben. Wenn man mit dem Unbekannten und dem Leben zwischen den Stühlen zurechtkommt, dann hat man vor nichts mehr Angst. Dann kann einen nichtsmehr aufhalten. Es ist irgendwie schon witzig, dass einen eine körperliche Einschränkung emotional befreien kann—und genau das ist bei mir eingetreten.

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Ich traf mich mit Joshuas Mutter Beverly in ihrer Wohnung, die nur zwei Blocks vom Zuhause ihres Sohns entfernt liegt. Beverly wohnt in einer vielbepflanzten Straße, die von Ziegelsteinhäusern gesäumt wird. Sie redet mit einer weichen, bezaubernden Stimme und erinnert mich dabei an einen Filmstar aus den 40er Jahren. Bei unserem Treffen trug sie ein T-Shirt, das ihr Sohn bei einem örtlichen Künstler entwerfen ließ. Die Klimaanlage ihrer Wohnung hatte sie vorher ausgeschaltet, damit wir uns besser hören konnten.

VICE: Wann war dir klar, dass Joshua schwul ist? War das schon vor seinem Coming-Out?
Beverly: Ja, das war zu einem anderen Zeitpunkt. Ich dachte das erste Mal daran, dass mein Sohn schwul sein könnte, als er sich mit acht Jahren als Mariah Carey verkleidet und dann ihre Lieder mitgesungen hat. Er erzählte mir dann mit 16 von seiner Neigung, als hier in Toronto gerade die „Pride Week" stattfand. Er erinnert sich noch daran, wie ich zu weinen anfing—nun, das habe ich wohl wirklich. Ich meinte zu ihm, dass ich stolz auf ihn sei, weil er zu sich selbst steht. Gleichzeitig machte ich mir aber auch Sorgen—wegen AIDS und weil das Leben jetzt für ihn schwerer werden würde.

Ich selbst war bis Mitte 40 eine heimliche Lesbe. Deshalb weiß ich auch nicht, wie es ist, von Anfang 20 bis Anfang 40 als offene Lesbe zu leben und nach einer Partnerin zu suchen. Mir war jedoch bewusst, dass offene Homosexualität immer mit vielen Missverständnissen, Vorurteilen und Herausforderungen behaftet ist—egal in welchem Alter.

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Als ich von Joshuas Diagnose erfuhr, war das der schlimmste Tag meines Lebens.

Wann hat dir Joshua von seiner HIV-Erkrankung erzählt?
Im Juni 2011. Bei mir wurde im April 2011 ein Lymphom im vierten Stadium festgestellt und meine einzige Überlebenschance war eine siebenmonatige Chemotherapie gefolgt von einer Strahlenbehandlung und einer Stammzellen-Transplantation. Danach teilte mir Josh mit, dass er etwas Abstand bräuchte. Natürlich war ich da erstmal wütend, aber ich hätte eigentlich wissen müssen, dass er dafür schon einen guten Grund haben würde. Als er mir dann erzählte, dass er HIV-positiv sei, wurde mir alles klar.

Haben es eure jeweiligen Erkrankungen euch möglich gemacht, einander besser zu verstehen, oder haben sie euch eher davon abgehalten?
Wenn es um die Mutter-Sohn-Beziehung geht, dann intensivieren solche Krankheiten das, was in der Beziehung richtig läuft—aber genauso auch das, was falsch läuft. Es kommt einfach immer auf die Perspektive an. Als mir meine Diagnose gestellte wurde, hatte ich einfach nur Angst. Als ich jedoch von Joshuas Diagnose erfuhr, war das der schlimmste Tag meines Lebens. Beim Krebs ist es ziemlich einfach: Entweder lebe oder sterbe ich. Josh ist allerdings mein Sohn und ich werde immer für ihn da sein—egal ob er das nun will oder nicht.

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Du hattest Krebs und dein Sohn ist mit HIV infiziert. Könntest du mir ein wenig darüber erzählen, wie unterschiedlich diese beiden Krankheiten in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden?
Es gibt meiner Meinung nach viel mehr Stereotypen bezüglich HIV. Natürlich wird hauptsächlich immer davon ausgegangen, dass es wohl vermeidbar gewesen wäre. Allerdings gab es im Bezug auf die Themen HIV und AIDS vor einigen Jahren noch so viel Angst und Unwissenheit und ich bin mir nicht sicher, ob das jemals komplett weggegangen ist. Daraus resultieren dann immer viele Vorwürfe und Schuldgefühle. Josh ist da allerdings total scharfsinnig und als wir über dieses Thema geredet haben, wurde mir klar, dass sich ein junger Mann, der gerade erst mit seiner Sexualität umzugehen lernt, total schnell in einer Situation wiederfinden kann, in der vollkommen ahnungslos gewisse Risiken eingeht.

Ich erinnere mich noch an das, was ein Palliativtherapeut während meiner Behandlung zu mir gesagt hat: „Egal was auch mit dir passiert, du musst es akzeptieren." Und genau das habe ich mit meinem Krebs gemacht, denn er war ja ein Teil von mir und meinem Körper. Hier in Kanada und auch in den USA feiern wir einmal im Jahr den National Cancer Survivors Day und meiner Meinung nach sollte es auch einen National HIV/AIDS Survivors Day geben. Es ist wichtig, das Leben zu feiern.

Als dir Joshua von seiner Homosexualität erzählt hat, war deine größte Sorge, dass er AIDS bekommen würde. Inzwischen ist er HIV-positiv und es geht ihm gut. Was ist dann jetzt deine größte Sorge?
Ich glaube, dass das Älterwerden mit HIV richtig hart ist. Wenn es allerdings um die Gegenwart geht, dann fällt es ihm wohl extrem schwer, mit seiner Krankheit einen Partner zu finden. Und das macht mich traurig. Das ist also keine Angst, sondern eher Traurigkeit. Ich bin allerdings auch fest davon überzeugt, dass er aufgrund der inzwischen verfügbaren Medikamente ein langes, erfülltes und gesundes Leben haben wird—mit einer normalen Lebenserwartung. Ich will einfach nur, dass er glücklich ist.

Gibt es etwas, dass du den Eltern von HIV-positiven oder an AIDS erkrankten Kindern mit auf den Weg geben willst?
Liebt eure Kinder. Das ist alles.

*Alle Namen wurden auf Wunsch der Beteiligten geändert.