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The Hot Box Issue

Schwedens Scheiß-Klärschlamm-Debatte

Schwedischer Klärschlamm ist voller Schwermetalle, Antidepressiva und Beruhigungsmittel, was nicht nur schwierig für die Bauern ist, sondern auch die Fische des Landes in psychotische Zustände fallen lässt.

Illustration von Anette Moi

Um Getreide anzubauen, braucht man Scheiße—im wahrsten Sinne des Wortes. Traditionell verwenden Bauern Kuhmist, allerdings gibt es heute nicht mehr genug Kuhdung, also ist man z. B. in Schweden dazu übergegangen, ihn durch Klärschlamm zu ersetzen. Dabei handelt es sich um die gereinigte Version der ekelhaften Brühe, all dessen, was wir unsere Klos hinunterspülen—Reinigungsmittel, Medikamente, Erbrochenes und so weiter. Das ist praktisch, denn Schweden produziert jährlich 250.000 Tonnen Klärschlamm. „Indem wir den enthaltenen Phosphor wieder auf die Felder geben, können wir Schwedens Kunstdüngerverbrauch um 40 Prozent senken“, so Mattias Persson, ein für die Bezirksregierung in Örebro tätiger Ingenieur, in einer Presseerklärung. Die Verwendung von Klärschlamm beim Getreideanbau hat in Schweden erhebliche Meinungsverschiedenheiten ausgelöst. Wissenschaftler sind sich hinsichtlich der Langzeitwirkung dieser Substanz auf die Umwelt nicht einig. US-Studien belegen, dass Menschen, die in der Nähe von mit Klärschlamm gedüngten Feldern leben, an Symptomen wie brennenden Augen und Hautausschlag leiden. Aktivisten behaupten, die chemischen Rückstände im Klärschlamm verursachten Krebs. Die Schweiz und die Niederlande haben die Verwendung von Klärschlamm für den Getreideanbau verboten, während die EPA, die Umweltschutzbehörde der USA, dies gelassen sieht. Schweden ist noch unentschlossen. „Unsere Böden sind bereits mit Schwermetallen belastet“, meinte Urban Boije af Gennäs von der Swedish Chemicals Agency, einer Regierungsorganisation. „Wir sollten eine noch stärkere Belastung verhindern.“ Andere sind besorgt über Medikamentenrückstände. Die hochlöslichen Chemikalien aus dem Abwasser zu entfernen ist bekanntlich schwierig, und sie können sich negativ auf die Tierwelt auswirken. So zeigt zum Beispiel eine diesjährige Studie von Forschern der Umeå Universität in Schweden, dass Fische durch die Antidepressiva und Beruhigungsmittel, die durch Abwasser in die Gewässer gelangen, die Orientierung verlieren und für Räuber leichter angreifbar werden. Hans Winsa, ein Wissenschaftler, der die Verwendung von Klärschlamm als Düngemittel in Wäldern untersucht, hält einige der Bedenken für übertrieben und meint, dass der Einsatz gereinigten Schlamms zur Düngung von Bäumen bisher zu „100 Prozent sicher“ sei, auch wenn noch Tests durchgeführt werden müssten. Außerdem sei schwedischer Klärschlamm besser als der übrige europäische Mist. „Wir haben die strengsten Recyclingvorschriften in ganz Europa“, verkündete Lisa Osterman, eine Regierungsbeamtin in Örebro. Selbst wenn Klärschlamm nicht so sicher ist, wie seine Befürworter behaupten, müssen die Aufbereitungsanlagen irgendeine Verwendung für ihn finden. „Neben Kindern ist Müll die einzige in Großstädten produzierte Ressource“, erklärte Hans mir. „Beide sind wertvolle Ressourcen, beide sollten Teil des großen Kreislaufs sein.“

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