Anzeige
Wie muss ein Staat, der sich den Menschenrechten verpflichtet fühlt, da handeln?
Anzeige
Anzeige
In Österreich gibt es ein verhältnismäßig gut funktionierendes System aus gerichtlich angeordneten medizinischen Sachverständigen. Ja, es mag vereinzelt Gefälligkeitsgutachten geben. Und natürlich hat ein reicher Angeklagter immer besseren Zugang zu guten Anwälten und Ärzten. Aber es gibt eigentlich wenig Gründe, das System grundsätzlich anzuzweifeln.Der schwer herzkranke ehemalige BAWAG-Chef Helmut Elsner wurde für transportfähig erklärt und saß trotz dreier Bypässe, die ihm während der U-Haft gelegt wurden, insgesamt viereinhalb Jahre ein, bis es medizinisch nicht mehr ging. Erst diese Woche wurde der Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics—der sich übrigens ebenfalls auf psychische Probleme berief—nach der Einholung von zwei Gutachten für vollzugsfähig erklärt und muss wohl hinter Gitter.Im Fall Hochegger spielt wohl noch etwas eine Rolle, das wirklich gefährlich ist: das Herunterspielen von psychischen Erkrankungen, die immer wieder gerne als "nicht richtige" Erkrankungen gelten. Das gilt natürlich nicht nur für den zugrunde liegenden Fall. Es zeigt sich auch in der oft geäußerten Haltung, Depressive sollten sich doch einmal "zusammenreißen".Eine Depression ist aber keine schlechte Laune, aus der man sich mit ein bisschen Partymachen, durchs Mohnfeld springen oder Simpsons streamen selbst rausziehen kann. Eine ausgewachsene Depression ist eine ernsthafte Erkrankung, die professioneller Hilfe und oft medikamentöser Behandlung bedarf. In Österreich leiden bis zu 400.000 Menschen unter affektiven Störungen. Denen tut man keinen Gefallen, wenn man diese Krankheitsbilder öffentlich derart höhnisch behandelt.Natürlich kann man bei einer Depression kein EKG machen und ein sauberes, unzweifelhaftes Ergebnis bekommen. Es gibt immer einen gewissen ärztlichen Spielraum. Und ja, es wird auch immer Leute geben, die versuchen das auszunutzen. Trotzdem ist die Vorstellung, ein Verurteilter könnte einem ausgebildeten Psychiater, der noch dazu Erfahrung in der Erstellung von Gutachten hat, so einfach etwas vorheulen und bekäme dann einfach irgendwas attestiert, vorsichtig gesagt realitätsfremd. Die Diagnose Depression schützt auch übrigens auch nicht grundsätzlich vor Haft.Gut möglich, dass die Staatsanwaltschaft im Fall Hochegger übers Ziel hinausgeschossen ist. Das muss jetzt ein Haftrichter entscheiden und in der weiteren Folge dann Gutachter. Man kann ein gewisses Vertrauen darin haben, dass sie das ordentlich machen werden. Und wenn dabei herauskommt, dass Hochegger derzeit zu krank für einen Prozess oder Haft ist, dann muss man das als das nehmen, was es ist: ein Kollateralschaden eines Rechtsstaats, der Sanktionen nicht um jeden Preis vollstreckt. Und der bekanntlich auch für Unsympathler gilt.Jonas auf Twitter: @L4ndvogtEine Depression ist keine schlechte Laune, aus der man sich so einfach herausziehen kann.