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Chinesische Live-Ticker-Schreiber werden von Millionen NBA-Fans geliebt

Weil NBA-Spiele in China morgens laufen, greifen Chinesen auf Live-Ticker zurück. Summer ist einer dieser Schreiber, der bei einem Spiel teilweise von 1,5 Millionen Chinesen gelesen—und kritisiert—wird.
Photo by Danny La-USA Today Sports

Unweit vom Oriental Pearl TV Tower, einem der Wahrzeichen von Shanghai, befindet sich ein Büro vollgestopft mit Basketballverrückten. Und wenn immer ein NBA-Spiel läuft, hört man—neben dem englischen Livekommentar—vor allem eine Sache: tipp, tipp, tipp, tipp.

Und vor einem Bildschirm, den seine Augen konzentriert anstarren, sitzt Summer.

Während amerikanische Basketball-Fans NBA-Spiele normalerweise live im Fernsehen oder Radio verfolgen, haben die Chinesen ein Problem, und das heißt Zeitverschiebung. Denn in China ist es Morgen, wenn Curry und Co. auf Körbejagd gehen. Da ist Fernsehschauen, wenn man gerade in der Schule oder im Büro sitzt, bisschen blöd. Außerdem würde der NBA League Pass eh eine Stange Geld kosten.

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Doch wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Und einer dieser Wegbereiter ist Summer. Ein hauptberuflicher Liveticker-Schreiber für NBA-Spiele.

Der 25-Jährige, der nur seinen Spitznamen preisgeben möchte, arbeitet seit drei Jahren für die Shanghaier Website Hupu Sports.

Summer ist einer von zwölf Liveticker-Schreibern, die in der laufenden Saison für Hupu Sports arbeiten.

China ist ein riesiger Markt mit einer großen Nachfrage nach dem, was Summer und andere machen. Mehr als 1,5 Millionen Fans haben das erste Warriors-Lakers-Spiel der Saison über die Hupu-Sports-App „gesehen", teilte das Unternehmen mit.

Die App rühmt sich als die schnellste Liveticker-App auf dem Markt und bietet jedes einzelne NBA-Spiel an, von der Pre-Season über die Regular-Season bis zu den Playoffs. Millionen NBA-Anhänger nutzen die App jeden Tag.

„Schon als Student war ich ein Fan der NBA", erzählt mir Summer, „und jetzt ist es mein Job, NBA-Spiele anzuschauen. Ich könnte mir keine bessere Arbeit vorstellen."

Doch das, was Summer macht, ist gar nicht so einfach, erklärt er mir.

„Ein Angriff kann nach vier Sekunden schon wieder beendet sein. Und du musst es schaffen, ihn in der Zeit zu beschreiben, bevor ein neuer Angriff eingeleitet wird", so Summer.

Schnelles Tippen gehört logischerweise zu den wichtigsten Skills. Summer schafft zwischen 200 und 300 chinesische Schriftzeichen in der Minute; der nationale Durchschnitt liegt bei 80 bis 100. Vor jedem Tip-off wärmt sich Summer auf, indem er seine Finger dehnt und ein Paar Zeilen probeschreibt—und das zu jeder Zeit.

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Aber für den Job muss man nicht nur schnell tippen können.

„Du musst auch viel über die NBA wissen und dich gut ausdrücken können."

Hier ist ein Beispiel für Summers Liveticker-Skills:

Übersetzt steht dort (ausschnittsweise):

Julius Randle mit dem High-Post! Touch-Pass zu D'Angelo Russell!

Der Ball fliegt in die rechte Ecke – Nick Young!

Und der Wurf — in your face — für drei Punkte!

Keine Chance! Draymond Green holt sich den Defensive-Rebound!

Jetzt treibt er den Ball langsam Richtung Front-Court und leitet den Angriff ein!

Er passt zu Stephen Curry auf der linken Seite!

Wie jeder Liveticker-Schreiber hat auch Summer seinen eigenen Stil entwickelt.

„Ich versuche, etwas Besonderes auf die Beine zu stellen, wenn ich live gehe. Darum arbeite ich mit englischen Wörtern und Phrasen, die häufig vorkommen, wie 'in your face' zum Beispiel. Ich will chinesische Fans näher an die Originalübertragungen heranbringen."

Und damit scheint er gut bei seinen Landsleuten anzukommen:

„Er ist großartig, voller Energie und dabei unparteiisch", findet Zhang Tian, ein 17-jähriger Schüler, der regelmäßig Summers Liveticker verfolgt."

Chinesische Fans 2015 beim Preseason-Game zwischen den Hornets und den Clippers in der Shanghaier Mercedes-Benz Arena. Foto: Danny La-USA Today Sports

In der Regel muss Summer nur ein Spiel pro Tag ran. Es können aber auch mal zwei sein—und dann wird es sehr stressig. Fünf Stunden nonstop tippen. Und wohl wissend, dass Chinas NBA-Fans keine Fehler verzeihen. „Ich verspüre viel Druck vonseiten der Fans. Die merken sofort, wenn du einen Fehler machst. Dafür lachen sie dich dann aus und greifen dich an… Außerdem schadest du auch der Marke Hupu, die bekannt ist für schnelles und professionelles Arbeiten."

Einige kommen mit diesem Druck nicht klar und ziehen nach einem Jahr die Reißleine. Nicht so Summer, der noch lange weitermachen will.

„Meine genauen Spielbeschreibungen lösen Kopfkino bei chinesischen NBA-Fans aus. Sie erschaffen sich selbst ihre Realität basierend auf meinem Liveticker."

Summer lächelt. „Und das gibt mir ein Gefühl von Errungenschaft."