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Bußgeld

Eine Schülerin in Bayern muss eine Geldstrafe zahlen, weil sie zu spät zum Unterricht kam

Drei Minuten Verspätung ließen die Situation eskalieren. Jetzt hat sich die Stadtverwaltung eingeschaltet.
Montage: VICE || Ranzen: imago | photothek

Sie sei fast volljährig und habe "keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen", twitterte eine Schülerin aus Köln vor drei Jahren. Aber sie könne eine Gedichtsanalyse schreiben, "in vier Sprachen". Obwohl selbst Politiker auf ihren Tweet reagierten, wurde nichts besser. Bis jetzt. Eine Mittelschule aus Bayern hat gerade einen Anfang gemacht und einer anderen Schülerin eine erste Lektion in deutscher Bürokratie erteilt.

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Die bayerische Schule unterrichtet Schüler von der fünften bis zur zehnten Klasse. Weil eine Schülerin seit September insgesamt sechsmal drei bis fünf Minuten zu spät zum Unterricht erschienen sein soll, erhielt sie Post von der Stadtverwaltung, der ihre Schule untersteht. Das Amt hat die Schülerin wegen einer Ordnungswidrigkeit verwarnt – gemäß Artikel 119 Absatz 1 Nummer 4 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen in der Fassung vom 31. Mai 2000. Doch zu den vielen Paragraphen-Zeichen in dem Brief gesellt sich auch ein Euro-Zeichen: Die Schülerin soll zehn Euro Strafe zahlen.

Klar, Zuspätkommer stören den Unterricht. Andererseits gehen die ersten drei, vier, fünf Minuten einer jeden Stunde wahlweise dafür drauf, den alten Beamer zum Laufen zu bringen, die automatisch runtergefahrenen Sonnenrollos wieder hochzubekommen oder mit Justus und Yassin nochmals vor der gesamten Klassen auszudiskutieren, warum sie sich eben im Gang gestritten haben. Außerdem war die Schülerin im Schnitt nur einmal im Monat unpünktlich. Dennoch ist die Strafe legal.


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Das Gesetz sieht tatsächlich vor, dass Schulpflichtige, die am Unterricht oder an "sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen" nicht teilnehmen, mit einer Geldbuße belegt werden können – sofern sie denn "vorsätzlich" handeln. Genau das sah ein Mitarbeiter der bayerischen Schule als erwiesen an, wie aus dem Schreiben hervorgeht. Die Schülerin hatte ein geschwärztes Foto der Verwarnung auf Twitter veröffentlicht, mittlerweile ist der Tweet nicht mehr öffentlich zugänglich. Anders als die Schule, die sich nun auf pünktliche und regelmäßige Besuche der jungen Frau freut.

VICE hat sowohl die Schülerin als auch ihre Schule kontaktiert, beide wollen sich dazu nicht äußern. Man würde solche Verwarnungen weder bestätigen noch kommentieren, sagt die Schulleitung. Um die Schülerin zu schützen, veröffentlichen wir weder ihren Namen oder den ihrer Schule, noch verlinken wir auf das Foto der Verwarnung. Gerne hätten wir gewusst, was sich Mittelschule und Behörde von dem Strafgeld erhoffen, und ob sie am Ende das Verwarnungsgeld tatsächlich bezahlt hat.

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