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Waren Mashups wirklich so schlimm? Ja!

Rap auf Folksongs! Grime auf EDM! Polka auf balinesischer Gamelan! Bitte tötet mich!
Girl Talk (photo via WikiCommons)

Wenn wir alt und kaputt sind, unsere letzten Atemzüge tätigen und einen finalen Blick auf die 00er-Jahre werfen, dann werden wir uns sofort an drei große Irrtürmer erinnern. Erstens, dass der Einmarsch in den Irak eben nicht eine gerechtfertigte und sinnvolle militärische Operation war. Zweitens, dass Nudeln mit Pesto sich durchaus als tägliche Mahlzeit für Menschen über 19 eignen würden. Drittens—und für einen Moment wahrscheinlich am fatalsten aus dieser Lister—, dass Mashups irgendwann mal als etwas anderes galten, als ein grausamer Angriff auf die Ohren und den Verstand einer ganzen Generation.

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Gestern Morgen erst habe ich eine E-Mail von einem Produzenten erhalten, den ich hier namentlich nicht weiter nennen möchte—damit wäre uns beiden nicht wirklich geholfen. Jedenfalls bewarb besagter Produzent darin seinen brandneuen Mashup. In 2016 wohlgemerkt. Ich spürte, wie mein Magen zu rumoren begann. Kalter Schweiß tropfte von meinen Augenbrauen und innerhalb von dreißig Sekunden war mein ganzer Tisch pitschnass. Meine Hände zitterten.

Es war, als wäre ich in einen Raum-Zeit-Strudel gesogen und zehn Jahre in der Vergangenheit wieder ausgespuckt worden. Plötzlich wurde ich von einer minderwertig komprimierten MP3 von Sharams „PATT (Party All the Time)", das über einen T.I.-Track lief, terrorisiert. Um mich herum wurde alles schwarz.

Als ich in einem Krankenhausbett aufwachte, lief auf dem Fernseher Einsatz in 4 Wänden. Die Ärzte sagten mir, dass ich es schaffen werde. Ich sei diesen Monat bereits der siebte Patient, der wegen Mashup-Syndrom eingeliefert wurde. Vier Betten weiter schlürfte ein Mann Suppe durch einen Strohhalm und zitterte unkontrolliert. Die Schwester zog meinen Vorhang zu und erzählte mir mit weicher Stimme, dass man den zitternden Mann auf einer Parkbank mit iPod in der Hand gefunden hätte. In seiner Playlist befand sich, oh Schreck, u.a. ein DMX-The XX-Mashup.

Der Mashup—das Bootleg, die Mische, der Bastard des Bastard-Pops—war eine kulturelle Fehlentwicklung, die etwa auf einer Stufe mit Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! und Cargohosen zu verorten ist. Warum Menschen aus freien Stücken Gefallen daran finden, wenn Christina Aguilera über einen Strokes-Song geklatscht wird, oder die Ying Yang Twins über „Bittersweet Symphony" flüstern, wird uns wohl für immer ein Rätsel bleiben. Alles, was wir wissen, ist, dass die Verantwortlichen namens Freelance Hellraiser, Richard X, 2 Many DJs und Girl Talk ihre Schande mit ins Grab nehmen werden.

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Ein paar fürchterliche Jahre lang—bevor wir uns zu einer Spezies Pokemon-fangender Clean-Eater entwickelten, die die Selbstauslöschung der menschlichen Rasse so weit vorangetrieben haben, dass jeder weitere Tag auf der Erde sich wie ein Geschenk anfühlt—konnte man der katastrophalen Kakophonie des Mashups nicht entkommen. Egal, ob du jetzt in der Bar mit einem Corona oder im Pizza Hut mit einer Pepsi saßt, in einem Ohr rappte Lil Wayne, im anderen trällerte Debbie Deb. Die Kultur hatte sich dazu entschieden, dass die coolste Sache überhaupt wäre, sich wie ein großer Ouroboros selbst in den Arsch zu beißen.

Ich habe Erinnerungen, furchtbare Erinnerungen—Erinnerungen, die einen in schlaflosen Nächten heimsuchen. Erinnerungen an The Wire-Artikel, die den Leser versuchen, davon zu überzeugen, dass der Mashup „eine wichtige Entwicklung in der Musik als Form der soziokulturellen Synthese war, die ständig versucht, zwischenmenschliche und kontinentale Grenzen mithilfe der Zerstörung voreingestellter Kontexte verschwinden zu lassen. Er kreierte einen neuen Kontext, in dem das neuartige Objekt den Beginn einer neuen Modalität darstellt", oder was auch immer. Es war jedenfalls ein Haufen selbstgerechten Schwachsinns, der einen (zumindest unter besten Absichten entstandenen) Versuch darstellte, die Existenz von wirklich unfassbar grauenvoller Musik zu rechtfertigen.

Denn—wir müssen es an dieser Stelle deutlich sagen—Mashups waren immer schon Musik für Menschen ohne eigenen Geschmack. Es war eine Methode, um sich schnell durch einen Haufen Songs zu hören, von denen man vage wusste, dass man sie eigentlich kennen sollte. Man sparte unglaublich viel Zeit. Und genau so, wie du es vielleicht für eine großartige Idee hältst, dir die Süßigkeitentüte bis zum Anschlag vollzumachen und dann haufenweise Gummiwürmer, Frösche, Cola-Kracher und saure Rattenschwänze in dich reinzustopfen, bis du dich aus der Filmvorführung von Der 200 Jahre Mann schleichst und den wildgemusterten Teppich im Vorraum vollkotzt, wird dich der Genuss eines hastig zusammengeklatschten Bootlegger-Werkes verdammt elendig fühlen lassen, sobald der Zuckerschub abebbt.

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Alles, was dir dann noch bleibt, ist eine endlose Litanei halbgarer Ideen, die nicht mehr Potential haben, als ein paar Lacher von Achtklässlern abzugreifen. Rap auf einem Folk-Song! Grime auf EDM! Polka über balinesischer Gamelan! Total witzig, oder?! Leider nein. Und besonders spannend obendrein auch nicht. Während die Clubkultur, wie wir sie kennen, sich im Grunde darum dreht, wie verschiedene Songs, Platten oder Tracks miteinander arbeiten, macht der Mashup etwas komplett anderes.

Der Mashup ist eine Form der Verwässerung, wohingegen es beim Mixing um eine Art räumliches Bewusstsein im musikalischen Sinne geht. Du suchst—in den meisten Fällen zumindest—nach einem nahtlosen Übergang, nach dem Moment, in dem zwei Maschinen sich verbinden, eins werden und für wenige Sekunden etwas fast komplett Neues entsteht. Der Mix ist ein Moment der Klarheit und des Symbiose. Der Mashup auf der anderen Seite ist der Klang eines ätzenden Kollegen, der dir nach zwei lauwarmen Bier und etwas Kartoffelsalat auf der Betriebsfeier ins Gesicht brüllt.

„HAST DU", ruft er dir mit Mayoresten in den Mundwinkeln, „HAST DU DEN EINEN GEHÖRT, WO 'SHADDAP YOU FACE' MIT 'REIGN IN BLOOD' GEMISCHT IST? HAMMER GEIL, ODER?!"

Du trittst den Rückzug an und hoffst auf den Toiletten Zuflucht zu finden. Plötzlich spürst du seinen warmen Atem im Nacken. Er tippt dir auf die Schulter. Du drehst dich um und schaust diesem manngewordenen Monster ins Gesicht. Seine Augen brennen vor Verlangen. Verlangen, dir etwas auf seinem Smartphone vorzuspielen. Er fischt es aus seiner Hosentasche und tippt mit seinen Daumen drauf los. Gleich wird er dir ein Video zeigen—ob du willst oder nicht. Du reißt dich also zusammen, bereitest dich innerlich schon auf deine beste vorgespielte Lache vor und überlegst dir einen eventuellen Fluchtplan. Er dreht grinsend die Lautstärke hoch und reicht dir sein Handy. „Das hier", sagt er, „das ist sooo gut."

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Und auf dem Handy läuft das hier:

Wenn ich so darüber nachdenke, waren Mashups tatsächlich das Schlimmste, was der Musikwelt je passiert ist, oder?

Doch, definitiv!

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Josh ist bei Twitter, THUMP auch.