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Popkultur

Wes Anderson kann auch düster sein, dafür sind halb-nackte Griechen feucht

Wir geben euch eine Führung durch The Grand Budapest Hotel. Und 300: Rise of an Empire konnten wir uns auch nicht entgehen lassen!

Beinahe so billig und lustig wie der Versprecher von Papst Franziskus, der ihn Anfang diese Woche versehentlich „cazzo"—zu Deutsch „Schwanz"—, das meistverwendete Schimpfwort der Italiener, sagen ließ, finde ich die Neigung mancher Leute Wes Anderson zu kritisieren, dass er immer die gleichen Filme mache.

Das stimmt einfach nicht, wenn man die Handlungsstränge seiner letzten Produktionen betrachtet, wird man inhaltlich wenige konkrete Überschneidungen finden. Ich glaube, wovon manche Leute prä-prätentiös und bisschen ignorant sprechen, ist nichts anderes als die visuelle Stilistik, Casting und Erzähltechnik. Aber ganz ehrlich, was kann einem Filmemacher besseres passieren, als von den Zuschauern mit einer ganz eigenen, originellen und unzweifelhaft wiedererkennbaren Bildersprache identifiziert zu werden?

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Da komme ich mir eher verarscht vor, dass der König der Hipster-Regisseure seine alteingesessenen Stars oft für minimale Screentime verheizt, für Cameos und dann groß die Marketing-Eier auf dem Poster raushängen lässt. Bill Murray oder Jason Schwartzman sind in The Grand Budapest Hotel insgesamt vielleicht 2 Minuten zu sehen. Das ist letztlich auch in Ordnung, weil der neue Film darüber hinaus echt ziemlich cool ist. Für einen guten Zweck darf man dann meinetwegen schon ein bisschen mit bekannten Gesichtern ködern.

Apropos Gesichter. Tilda Swinton hatte Maskenbildner, die ihr offenbar mit dem Betonmischer Make Up über den Kopf schütten mussten um sie wie eine 80-jährige, osteuropäische Witwe aussehen zu lassen. Wes Anderson meinte, dass er normalerweise keine „Bruckheimer-artigen Budgets" für solche Spielereien aufweisen kann, aber für die realistischen Umgrabungen in Swintons Gesicht wurden keine Kosten gescheut.

Angela Lansbury, der letzte Woche ein Ehren-Oscar verliehen wurde, hätte eigentlich die Rolle der alten Madame D. übernehmen sollen. Das hätte gut gepasst, denn „Mord ist ihr Hobby" und The Grand Budapest Hotel ist viel mehr ein Krimi mit haufenweise mysteriösem Tod als eine klassisch-skurrile und wortkarge Anderson-Komödie.

Mister Gustave gespielt von Ralph Fiennes, ist der perfekte Concierge, und kümmert sich wie ein dichtender Oberlehrer um alle und alles im ehemaligen Edel-Hotel—was auch Sex mit den Granny-Gästen beinhaltet. Die Ausbildung des kleinen Lobby-Jungen Zero nimmt er in seine strengen Hände und schon ergibt sich ein echt sympathisches Zweiergespann.

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The Grand Budapest Hotel wurde komplett in Deutschland gedreht, in Görlitz bei Sachsen und teils in den Babelsberger Studios. Dann gibt es da noch weirde Landschaftsaufnahmen, teilweise aus animierten Trickeffekten bestehend, die direkt aus der Sendung mit der Maus geklaut zu sein scheinen. Das stößt einem ein wenig auf, obwohl es sicher sehr unschuldig und infantil kreativ gedacht ist. Auch Karl Markovics als dumpfer Häftling an der Seite von Harvey Keitel zu sehen, ist eine nette Überraschung, auch wenn der Oscar-Film-Darsteller fast keinen Text bekommt.

Ein fiktives Europa, das märchenhafte „Lutz"-Region samt erfundener WWI-Faschisten werden das Ästhetik-Mittel zum Zweck, das Wes Anderson schamlos in seine zwangsneurotisch detailliert ausgestatteten Szenen setzt—der Wahnsinnige hat auch jede der drei Zeitlinien der Geschichte von The Grand Budapest Hotel in einem anderen Aspect Ratio gedreht. Kann mir das jemand erklären?!

Verkrüppelte Schuhputzkinder, Schi-fahrende Killer, Schiele-Bilder und Schokotorten, sie sind alle gleich vor seiner unbarmherzig gefühlskalten Kameralinse. Das klingt jetzt ein bisschen respektlos und albern, aber tatsächlich ist The Grand Budapest Hotel ziemlich frostig und düster … so düster wie pinke Mehlspeisen, aber doch düster.

Liebenswerte Arschlöcher, Kunstraub, Edgar-Wallace-Suspense und natürlich junge Liebe funktionieren wie schon in den 50ern. Auch wenn The Grand Budapest Hotel nicht der Beste aus dem Hause Wes ist, ist das Verlangen aus jeder Kameraeinstellung die letzte Rosine zu picken gegeben und damit auch die Rewatchability. Die wahren Fans von Wes Anderson können auch auf unserer Contest Seite rechtzeitig zum Kinostart ein paar Goodies gewinnen!

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Aber wenn wir schon von eigentümlicher Bild-Stilistik und fragwürdigen Entscheidungen sprechen, darf 300: Rise of an Empire keinesfalls fehlen. Auch der ist gerade im Kino angelaufen, und während es Wes Anderson hinauf in die Balkanberge gezogen hat, begeben sich hier die Glamour-Muskel-anspannenden Griechen hinaus aufs hohe Meer.

Die gottgleiche Anti-Perser-Propaganda namens Xerxes mit den vielen Flinserln ist immer noch da und obwohl im neuen Film auf die 300 Spartaner nur noch rudimentär verwiesen wird, hat offenbar die Signalfarbe Blau (wegen Wasser, get it?) und der allgemeine CGI-Dreharbeiten-Spaß das Sequel legitimiert. Das Empire ist im Vormarsch.

Ich will hier auch gar keine elendslange Diskussion über Homophobie lostreten, ABER wer bei 300: Rise of an Empire damit argumentiert, dass die eingeölten und durchtrainierten Typen „zeitgeschichtlich akkurat", „ehrenhaft und kameradschaftlich" und „keineswegs schwul" sind, ist entweder blind oder blöd.

Mein Punkt ist, dass ich am ersten 300 diese homoerotische Ästhetik ziemlich cool, metal und unterhaltend gefunden habe—hey, auch ich habe mal mit anatomisch überzeichneten Action-Figuren gespielt. Aber ich mache mir nichts vor dabei oder behaupte, nicht zu erkennen, dass diese Bilder latent den Geschmack (mancher) homosexueller Männer treffen könnte und wahrscheinlich eine Menge des körperkultigen Casts selbst schwul ist—das waren sicher Hammer Set-Partys bei dem Dreh.

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Ich dachte den ganzen Film lang, dass Eva Green die Jessa von Girls spielt. Fail!

SPOILER: Die Brüste des Bond-Girls fühlen sich mitten im Film plötzlich an wie eine legere pfeifende Ausrede. Eine einzige nackte Frau kontrastiert das ganze Männer-unter-sich-Thema doch nur stärker und vereint auch keine Zuschauer-Demografien.

Krass ist auch, dass in diesem Teil von 300 neben den ringenden Testosteron-Bergendie konservativ-nationalistische Message weitergetragen wird, aber die Entschuldigung der simplifizierten Underdog-Comic-Moral hier einfach nicht mehr aufgeht. „Fear is Freedom!" schreit der Griechen-Chef und das ist doch Fox-News-Scheiße.

Der Film ist letztlich ziemlicher Müll, größtenteils mittelmäßige Zeitlupen-Kämpfe (oder beim Stufen-steigen) ändern nichts mehr daran und eben nur ein paar wenige Schädelspalter und Blutspritzchoreografien machen Spaß. Eigentlich egal, denn ich habe viel mehr Angst, dass Zack Snyder in den auf 2016 verschobenen, nächsten Teil von Man of Steel aufgrund weiterer, absehbarer Fehlentscheidungen Batman töten wird. Mein Resume zu 300: Rise of an Empire? Steve Zissou wäre sicher auch ein guter Meereskrieger gewesen, wenn auch nicht so ehrenhaft.

Wohlsein

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