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Popkultur

Roger Schawinski vs. Harald Schmidt: Der Anti-Thiel

Roger Schawinski lässt sich gerne von Leuten beleidigen, die er für intelligent hält.
Screenshot von Youtube

In der gestrigen Ausgabe von Schawinski der „ersten Talkshow der Woche" begrüsste Roger Schawinski Harald Schmidt. Die Sendung war medial erwartet worden. Der Anlass für Harald Schmidts Anwesenheit war, dass er die Mutterschaftsvertretung bei der Sendung Kulturplatz übernimmt. Harald ist zwar noch nicht ganz so alt wie Helmut, aber trotzdem ist es eine schöne Lebenslauf-Pointe, dass er für eine Mutterschaftsvertretung revitalisiert wird, denn eigentlich ist Harald Schmidt pensioniert.

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Screenshot von Youtube

Es gibt in der Schweiz drei Leute, die sich ebenfalls langsam pensionieren lassen sollten: Christoph Blocher, Sepp Blatter und Roger Schawinski. Christoph Blocher hat sich zwar vor fast einem Jahr von seinem Nationalratsmandat zurückgezogen, aber da die Mehrheit von uns nicht jeden Tag im Bundeshaus ein und aus geht, ist er weiterhin in seinem medialen Endkampf gegen die EU (Altersschwäche wird ihn entscheiden.) präsent. Sepp Blatter hat grad Aufmerksamkeitspause—der wird wieder Thema, wenn NGOs und dominante Getränkesponsoren die nächste Fussball-WM ankündigen.

Der dritte Aspirant für die Pensionierung ist Roger Schawinski. Jemand, den ich ursprünglich vor allem aus den Parodien in Youtube-Clips von Viktor's Spätprogramm kenne. (Die ich vor allem wegen Blocher-Parodien durchgeschaut habe.) Dieser Roger („Isch mini Idee gsi!") hat eine Talkshow. Und in dieser Talkshow redet er mehr als sein Gast. Das gefällt denen, die froh sind, wenn sie nur fest zugeteilte Sprechzeiten haben. Anderen gefällt es weniger.

Als Andreas Thiel im Dezember gefragt hatte „Was für eine Art Jude bist denn du? Ein Papierlijude?", brachte das Schawinski aus dem Konzept und so trat Schawinski mit dem gelernten Bauzeichner Andreas Thiel in einen Belesenheitswettbewerb. Bald ging es nicht mehr um den Islam, sondern um die Frage, wer von beiden das „Tibetanische Totenbuch" konzentrierter gelesen hatte. Jedem war klar, dass sich Andreas Thiel nicht gesprächsfähig zeigte und an seiner Islamfeindlichkeit zweifelte ausserhalb der AUNS-Mitgliederkartei auch kaum jemand, trotzdem hatte Thiel gewonnen: Weil Schawinski der Profi und Gastgeber war und sich dennoch auf den Pausenplatz-Schwanzvergleich mit Thiel eingelassen hatte.

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Umso grösser waren die Erwartungen vor der Sendung mit Harald Schmidt, denn es ist bekannt, dass sich die beiden nicht mögen und von zigtausend Minuten Fernsehaufzeichnung ist bekannt, dass Harald Schmidt deutlich intelligenter ist als Andreas Thiel. Dementsprechend freuten sich Medien, Zuschauer und Roger Schawinski: „Danke, dass du gekommen bist—frrrreu mich."

Die Sendung fing gut an; Schawinski blieb angenehm Pointen resistent, so lange ihm genügend Aufmerksamkeit gegönnt wurde.

Schmidt: „Sehen so zwei Menschen aus, die sich nicht ausstehen können? JA!" Schawinski ging nicht drauf ein, musste nur manchmal zeigen wie toll er/die Schweiz/Alle-Eigenschaften-die-er-mit-Schmidt-nicht-gemeinsam-hat sind, etwa als Schawinski darauf bestand, dass die Leute in der Schweiz besser Französisch sprechen als die Deutschen.

Harald Schmidt macht Roger zum SCHAFinski. Hat da jemand seinen Meister gefunden? — Claudio Candinas (@claudiocandinas)16. Februar 2015

Auch sonst brillierte Schawinski nicht durch spontane Beiträge: „Andere Sender, anderer Sendeplatz. Fehlende Kontinuität. Weil die amerikanischen Late Night Talker wie …" Das hat er schon vor drei Jahren in einem Interview gesagt. In diesem. Wahrscheinlich hatte Schawinski diese These seither bei jedem Familienfest allen Neffen und Nichten im Alter zwischen 7 und 35 erzählt. Wenn Schmidt gegen schlechte Fernsehquoten anschwafelte, musste Schawinski stolz seine eigene nennen: „15 Prozent!" Das Schawinski-Ego war da, aber das Ego reagierte zu träge auf Schmidts Spitzen.

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Als es darum ging, dass Harald Schmidt bei Sat1 gekündigt hatte, als Schawinski dort den Chefposten übernahm, drang Harald Schmidt durch die gebräunte Orangenhaut in Schawinskis Innenleben: „Weisst du welchen Satz du in Berlin im Taxi gesagt hast? 'Föck, ich leb nur einmal. Ich kauf jetzt das Penthouse.'" Darauf erzählt Schawinski, dass er das Penthouse dann tatsächlich gekauft habe: „Meine Frau, ich hoffe, sie hört nicht zu—sie weint immer noch dieser Zeit nach." Schmidt brachte Schawinski dazu sich zu öffnen. Schawinski wurde nervös, versprach sich und liess sich korrigieren: „… Dass die Unterhaltungsshow jetzt von Kai Pfläume … Äh …" „Kai Pflaume, ja."

Screenshot von Youtube

Dann war für drei Sekunden der Balken „Dalli dalli ist die Zukunft des Deutschen Fernsehens—Harald Schmidt" eingeblendet. Ziemlich das Gegenteil von dem, was Schmidt tatsächlich gesagt hatte. Darum wirkte der Balken wie das Deckungsfeuer einer verzweifelten Redaktion.

Und die Neuaufstellung ist gelungen, denn ab der 16. Minute wurde die Sendung langweilig. Schawinski wollte die Meinungen von Schmidt zu einer Reihe alter Menschen: Sepp Blatter, Thomas Gottschalk, Günther Jauch, Schmidts Frau, polnischen Botschaftern. Das machte Schmidt zahm. Letzter Höhepunkt von Schmidt: „Du bist ja von der Herkunft einer, dem Kohle völlig egal ist!" Das war Thiels „Papierlijude" in Harald Schmidt-Sprech und auch diese Spitze hat Schawinski ertragen.

— Peter Brun (@peter_brun)16. Februar 2015

Am nächsten Tag liess sich Schawinski in der 20 Minuten zitieren: „Warum sollte ich einen so intelligenten Menschen angreifen. Ich habe mich köstlich amüsiert und wünschte mir jede Woche einen solchen Gast." Schawinski wird anscheinend gern beleidigt, so lange er seinen Gesprächspartner für intelligent hält.

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