In Irland sind Schwangerschaftsabbrüche strikt verboten. Nur, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist, darf abgetrieben werden. Diesen Freitag findet ein Referendum zu dem umstrittenen Gesetz statt. Broadly lässt Betroffene und Aktivistinnen zu Wort kommen, die sich für eine Änderung des Gesetzes einsetzen.2015 fand die Irin Claire Cullen-Delsol heraus, dass sie zum dritten Mal schwanger war. Obwohl die Schwangerschaft nicht geplant war, freuten sie und ihr Mann sich auf ein weiteres Kind.
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Allerdings ergab eine Untersuchung, dass der Fötus unter einer seltenen Chromosomenstörung litt, dem Pätau-Syndrom. Damit stand fest, dass das Kind nach der Geburt nicht lange überleben, wahrscheinlich sogar bereits im Mutterleib sterben würde. Nach dieser Diagnose entschied sich Cullen-Delsol, die Schwangerschaft abzubrechen. In Irland sind Abtreibungen jedoch strikt verboten, es sei denn, das Leben der Schwangeren ist in Gefahr. Somit müssen selbst Föten, die die Geburt nicht überleben können, ausgetragen werden.Auch in Deutschland sind Schwangerschaftsabbrüche verboten. Sie bleiben jedoch bis zur zwölften Schwangerschaftswoche straffrei, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Wird bei dem Embryo eine schwere Fehlbildung festgestellt oder ist das Leben der Mutter in Gefahr, sind Abtreibungen auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich.Ihre traumatische Erfahrung hat Cullen-Delsol zu einer engagierten Pro-Choice-Aktivistin gemacht. Heute leitet sie die Initiative Terminations for Medical Reasons, die sich für eine Änderung des Abtreibungsgesetzes in Irland einsetzt."Ich kämpfe für die Rechte anderer Frauen, um meinen Verlust zu verarbeiten", sagte sie im Gespräch mit Broadly. "Meine Wunden können nicht heilen, wenn ich weiß, dass jede Woche zwei oder drei irische Paare in das Vereinigte Königreich reisen, um ein heiß ersehntes aber sterbendes Baby abzutreiben. Und wer kann schon sagen, wie viele Leute zusätzlich zu Hause leiden, so wie ich es getan habe?"
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"Meine größte Angst ist, dass meine Tochter dasselbe durchmachen muss wie ich", fügte Cullen-Delsol hinzu. "Und dass dieses Land sie so schlecht behandeln wird, wie ich behandelt wurde."Die Erfahrungen ihrer dritten Schwangerschaft hat Cullen-Delsol in einem Tagebuch festgehalten. Sie hat uns erlaubt, einige Auszüge daraus zu veröffentlichen.Es ist ein schöner, sonniger Tag. Ich eile nach Hause um Wayne, meine Mutter und die Kinder abzuholen, bevor wir ins Waterford Hospital zum Ultraschall fahren.Die Hebamme führt mich erst alleine ins Untersuchungszimmer, um die Basics zu checken, bevor die anderen dazukommen sollen. Wir machen ein bisschen Smalltalk, bis ich endlich frage, ob alles okay aussieht. "Nein", antwortet sie nüchtern. "Es gibt tatsächlich ein paar Dinge, die ich überprüfen muss."Nach ein paar Minuten weist sie mich ganz ruhig und sanft auf riesige Zysten auf der Plazenta, fehlende Knochen im Gesicht des Babys und Probleme mit der Entwicklung des Gehirns hin. Wir gehen in einen anderen Raum, in dem ein besseres Gerät steht. Ich bitte sie, meinen Mann zu holen. Meine Mutter geht mit den Kindern derweil in die Cafeteria, während wir auf die zweite Untersuchung warten.Wayne drückt meine Hand, während wir schweigend dasitzen. Als die Hebamme mich untersucht, suche ich ihr Gesicht nach einem Lächeln oder irgendeinem Zeichen der Erleichterung ab. Vergeblich. Stattdessen findet sie noch mehr: eine doppelseitige Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte, überkreuzte Finger, ein unterentwickeltes Kleinhirn, Zysten in der Plazenta, keinen sichtbaren Magen, Nierenprobleme und Flecken auf dem Herzen.
13. August 2015
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Ich höre geschockt zu, die Tränen fließen nur so. Irgendwann ist es vorbei und wir verlassen die Klinik mit einer Überweisung an einen Spezialisten im Holles Street Hospital. Draußen scheint immer noch die Sonne. Ich zittere.Zuhause googele ich "Chromosomenstörungen". "Führen selten zu Lebendgeburten", lese ich. "Hohe Sterberate in den ersten Monaten. Wenige Säuglinge überleben das erste Jahr. Nicht lebensfähig. Tödlich."
Mehr von Broadly:
Ich möchte sterben. Ich möchte mich zusammenrollen und von der Erde verschluckt werden. Meine ganze Welt steht Kopf. Nichts fühlt sich mehr real an. Ich weiß nicht, wie ich damit fertig werden soll. Die kleine Person in mir wird es vielleicht nicht auf diese Welt schaffen. Wir könnten ein Kind verlieren. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen oder damit leben soll. Ich möchte dieses Baby für immer beschützen.Heute haben wir den Termin im Holles Street Hospital. Die letzten Tage verschwimmen zu einer Mischung aus Tränen und Wut; ohne Schlaf und ohne Dusche.Der Arzt im Krankenhaus ist geradeheraus und sachlich. Er stimmt einigen Befunden der Hebamme zu: der Magen, die Zysten, die Ausprägung der Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte. Er möchte sich noch nicht festlegen, ob es eine Chromosomenstörung ist. Mir wird Fruchtwasser abgenommen und wir gehen nach Hause, um das Ergebnis abzuwarten. Ich klammere mich an die Hoffnung.Ein sehr langer, stressiger Tag. Eigentlich sollte das Ergebnis der Fruchtwasseruntersuchung da sein, aber niemand ruft uns an. Um 16 Uhr rufe ich die Hebamme im Krankenhaus an. Keine Neuigkeiten. Wir müssen bis Montag warten. Ich bin völlig am Ende. Ich bin fertig, weil ich nicht schlafen kann, und beginne den Druck auch in Waynes Gesicht zu sehen. Das wird ein sehr hartes Wochenende.Ich ertrage es nicht mehr, dass alle mir sagen, dass ich positiv denken soll oder meinen Bauch streicheln. Ich bin so wütend. Ich lasse die Wut an anderen aus.
Mehr von Broadly:
Ich möchte sterben. Ich möchte mich zusammenrollen und von der Erde verschluckt werden. Meine ganze Welt steht Kopf. Nichts fühlt sich mehr real an. Ich weiß nicht, wie ich damit fertig werden soll. Die kleine Person in mir wird es vielleicht nicht auf diese Welt schaffen. Wir könnten ein Kind verlieren. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen oder damit leben soll. Ich möchte dieses Baby für immer beschützen.
15. August 2015
21. August 2015
23. August 2015
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24. August 2015
Nach und nach geben wir unserer Familie Bescheid. Ich kann es nicht ertragen, die Stimme meiner Mutter zu hören, wenn sie erfährt, dass ihre Enkelin sterben wird, darum ruft Wayne sie an. Ich kann hören, wie sie geschockt nach Luft schnappt und bin wieder am Ende. Ich schreibe meinem Bruder eine SMS. Ich halte es nicht aus, mit irgendwem zu sprechen.Plötzlich trifft es mich wieder wie ein Schlag. Ich kann es nicht beschreiben. Der Schmerz und die Trauer sind so allumfassend, dass sie sich wie ein bleiernes Gewicht anfühlen. Ich kann es körperlich fühlen und versuche, es wegzustoßen. Ich heule auf wie ein Tier. "Nein", schreie ich. Ich klammere mich an Waynes Hemd, ich flehe. Irgendwann weicht der heulende Schmerz einer Stille. Wir halten einander noch eine Weile fest, dann bereiten wir uns darauf vor, dass die Kinder gleich nach Hause kommen. Als sie da sind, setzen wir Pokerfaces auf.
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25. August 2015
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Aber kann ich einfach für bis zu eine Woche nach Liverpool fahren? Wie soll das ablaufen? Gebe ich meine Kinder bei Freunden ab und fahre nach Liverpool, um ein totes Baby zu gebären? Verabschiede ich mich dann von ihr, steige ins nächste Flugzeug und warte, bis ich ihre Asche per Post zugeschickt bekomme?Ich möchte sie nicht abtreiben. Ich möchte sie zur Welt bringen. Ich möchte sie im Arm halten und mich in aller Ruhe von ihr verabschieden und nicht zum Flughafen hetzen. Ich möchte, dass meine Kinder, Eltern und mein Bruder sie treffen und im Arm halten können. Ich möchte in meinem eigenen Bett schlafen. Ich möchte eine Beerdigung, nicht die Asche per Kurierdienst erhalten. Ihr Leben ist mehr wert. Meins aber auch. Wie können unsere Rechte vor dem irischen Gesetz als gleichwertig gelten? Sie hatte nie eine Chance zu leben. Jede Zelle in ihrem Körper hat einen kleinen katastrophalen Fehler und sie wird nie außerhalb meines Körpers überleben können.Heute musste ich meiner Tochter Carla sagen, dass ihre kleine Schwester sterben wird. Das war der schwerste Moment meines Lebens. Sie fragt mich, ob es noch Hoffnung gibt. Sie möchte gerne daran glauben, aber ich kann ihr keine falschen Hoffnungen machen. Ich schaue ihr in die Augen und sage: "Nein. Das Baby wird sterben. Wir können nichts tun, um ihr zu helfen."Sie weint sich die Seele aus dem Leib. Ich hätte alles darum gegeben, ihr das zu ersparen.
Ich bin eine erwachsene Frau. Ich habe Kinder, einen Ehemann, Freunde, einen Job. Wie kann all das gleichbedeutend mit dem hoffnungslosen Herzschlag in einem sterbenden Körper sein?Ich bin eine erwachsene Frau. Ich habe Kinder, einen Ehemann, Freunde, einen Job. Wie kann all das gleichbedeutend mit dem hoffnungslosen Herzschlag in einem sterbenden Körper sein?
26. August 2015
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Ich habe einen weiteren Termin im Krankenhaus. Die Hebamme schaut mir in die Augen und sagt mir, wie leid es ihr tut. Dann sagt mir der Arzt, dass es keinen medizinischen Grund gibt, die Schwangerschaft aufrecht zu erhalten, aber dass es keine andere Option gibt. Ihm tut es auch leid. Er macht einen weiteren Ultraschall und druckt genug Kopien für meine gesamte Familie aus.Als ich später an diesem Tag in der Stadt Schulbücher und Schuluniformen kaufe, breche ich wieder in aller Öffentlichkeit zusammen. In diesem Moment wird mir klar, dass ich nicht in der Lage sein werde, nach Liverpool zu reisen. Ich kann meine Kinder kaum von der Schule abholen. Ich halte es nicht aus, in den Supermarkt zu gehen. Selbst wenn wir das nötige Geld für die Flüge und den Eingriff hätten, würde ich mit dem Flughafen, den Busfahrten und dem Krankenhaus nicht klarkommen. Wenn ich daran denke, zittere ich vor Angst. Ich werde warten müssen.
10. September 2015
11. September 2015
12. September 2015
Wayne ist auf der Arbeit, als meine Mutter anruft. Ich sitze gerade am Küchentisch und weine. "Ich komm' rüber", sagt meine Mutter, als sie meine Stimme hört. Als sie bei uns ankommt, liege ich auf dem Boden. Ich kann mich nicht zusammenreißen. Die Kinder versuchen, mich zu trösten, aber ich bin völlig panisch. "Warum wollen sie dir nicht helfen?", fragt meine Mutter, als sie mich sieht. "Lassen sie Mütter wirklich für ein Baby verrückt werden, das nicht leben kann?"
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Ja, genau das tun sie.Ich schaue mir eine Debatte zum Eighth Amendment an. Ich schicke den Rednerinnen eine Nachricht; schreibe, dass ich gerne selbst gesprochen hätte. Eine von ihnen schreibt mir zurück. Sie fragt mich, wie es mir geht. Erhalte ich die nötige Hilfe? Kann sie mich irgendwie unterstützen? Werde ich psychologisch betreut?Erst da wird mir klar, dass meine Nachricht ein Hilferuf war. Ich sehne mich so sehr danach, dass mich jemand versteht.Ich treffe mich mit der Hebamme. Sie sagt mir, dass ich wissen werde, wenn das Baby tot ist. Sie erklärt mir, wie die Einleitung ablaufen wird. Welche Schmerzmittel ich bekommen kann. Wir reden über Särge. Über Babykleidung. Über die Tabletten, die meinen Milchfluss stoppen sollen. Darüber, ob ich will, dass das Baby begraben oder eingeäschert wird. Mein kleines Mädchen.Sie ist von uns gegangen. Musste sie leiden? Ging es schnell oder langsam? Haben die Zysten auf der Plazenta ihr alle Nährstoffe und Sauerstoff geraubt? Hat die angesammelte Flüssigkeit zu viel Druck auf ihr kleines Herz ausgeübt? Konnte sie sich durch den genetischen Fehler ab diesem Punkt nicht mehr weiterentwickeln?Alex Patricia Cullen-Delsol wurde am 25. September 2015 geboren. Sie wog 737 Gramm. Sie war wunderschön, perfekt, zerbrochen und ruhig. Absolut ruhig.Ich habe Probleme, wieder ein normales Leben zu führen. Zu Hause fühle ich mich wohl. Zu wohl. Ich koche und putze, um wieder gutzumachen, was für eine miserable Mutter ich meinen Kindern gewesen bin. Ich meide Menschen, Tageslicht und Bewegung.
15. September 2015
17. September 2015
21. September 2015
Carla fühlt zum ersten Mal, wie das Baby tritt. Es ist ihr erster richtiger Tritt seit Wochen.