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Dr. Amy Kaler: Die menschliche Spezies würde in etwa 100 Jahren nicht mehr existieren.Hundert Jahre sind eine lange Zeit … Was passiert mit der Gesellschaft, während wir auf unser Ende zusteuern?
Kaler: Es würde wirtschaftliche und demografische Konsequenzen haben, aber auch sehr schwerwiegende psychologische Folgen. Wenn die Menschen nicht in der Lage wären, Sex zu haben und Kinder in die Welt zu setzen, gäbe es wahrscheinlich viel Konflikt, Chaos, kollektive Trauer und Leid. Unfruchtbarkeit kann auf persönlicher Ebene sehr belastend sein, und wenn das auf die gesamte Bevölkerung zutrifft, könnten viele Menschen nur schlecht damit umgehen. Wenn das Ende der Reproduktion daher käme, dass wir uns kollektiv einigen, sexuell enthaltsam zu sein, würden wir uns wahrscheinlich alle gegenseitig umbringen, lange bevor das natürliche Ende käme.
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Kaler: Erst würde es einen wirtschaftlichen Kollaps geben—bei allem, was mit jungen Kindern und Eltern zu tun hat: Geschäfte für Babysachen, Nannys, Kitas. Dann würde sich das wie eine Welle auf ältere Kinder ausbreiten—Grundschulen, Freizeitvereine für Kinder. Es gäbe vielleicht auch den Ripple-Effekt, dass die Leute mehr verfügbares Einkommen hätten. Wenn sie keine Kinder und die damit verbundenen Kosten haben, können sie sich mehr Luxusgüter leisten.Aber es könnte genauso gut sein, dass wir einfach dem Chaos nachgeben. Eine Gesellschaft, die weiß, dass nach ihr keine Generation mehr kommt, sagt sich vielleicht: "Das war's, ich gebe auf." Es gibt keinen Grund, hart zu arbeiten oder die Welt zu verbessern, weil es nichts für die Zukunft gibt.McDaniel: Kinder sind für den Staat auch teuer—Schulen, Sport, verschiedene Einrichtungen. Es würde also auch dort Geld eingespart, das für andere Dinge ausgegeben werden könnte. Kinder sind ein großer Kostenpunkt im Gesundheitswesen. Diese Tatsache wird oft übersehen, aber die Daten zeigen sehr deutlich, dass Kinder von der Geburt bis zur Volljährigkeit einen erheblichen Teil des Gesundheitsetats verbrauchen. Dort würde man also auch viel sparen.Würden sich daraus Vorteile für Frauen ergeben? Wie würde sich das Geschlechterverhältnis ändern, wenn Frauen nicht mehr mit Kindern zu Hause festsitzen?
McDaniel: Mütter junger Kinder sind aktuell wirtschaftlich benachteiligt, und das lässt sich für den Rest ihres Lebens nicht ausgleichen. Es herrscht noch immer die ungleiche Vorstellung, Frauen seien hauptsächlich für Kinder und Hausarbeit verantwortlich. Es würde sich daraus also vielleicht tatsächlich ergeben, dass Männer und Frauen gleichgestellter wären.Kaler: Wenn Frauen nicht länger die Menschen sind, die Babys zur Welt bringen, würde das vielleicht dazu führen, dass das Geschlecht keine Rolle mehr spielt. Die Leute würden sich fragen, wo eigentlich der Unterschied zwischen Männern und Frauen ist, wenn unsere Genitalien relativ nutzlos geworden sind.Brauchen wir nicht eine jüngere Generation, die sich um uns kümmert, wenn wir alt sind?
Kaler: Es würde eine Pflegelücke geben. Es gäbe keinen Bedarf mehr an Pflege für junge Kinder, aber dafür mehr Bedarf bei älteren Erwachsenen. Im Moment gleichen wir das Pflegedefizit aus, indem wir innerhalb von Familien privatisieren—und diese Aufgabe fällt meist Ehefrauen, Müttern oder erwachsenen Töchtern zu. Daraus ergibt sich wieder, dass Frauen gegenüber Männern finanziell benachteiligt sind; sie sind schließlich diejenigen, die sich mit höherer Wahrscheinlichkeit um junge Kinder und betagte Eltern kümmern.In der Welt ohne Kinder würden weniger junge Menschen Pflege brauchen, was potentiell einen Teil der geschlechtsbasierten Pay Gap ausgleichen könnte. Aber letztendlich würden unsere öffentlichen Mittel für Altenpflege und Pensionen ausgehen, wenn der Markt keine neuen Arbeiter erhält. Also hätten wir ein großes Defizit in der Altenpflege—kurz bevor alle sterben.