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The Vaccines machen keine anspruchsvolle Musik

Das sagt zumindest Sänger Justin selbst über ihre Musik. Und meint das gar nicht negativ.

Justin und Freddie von The Vaccines beim gemeinsamen Baden (Foto: Katrin Ingwersen).

The Vaccines gehören zu diesen Bands, die entweder viel Glück hatten und zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort waren oder aber sie hatten beim lieben Herrgott einfach ein Stein im Brett. Die vier unverschämt gut aussehenden Jungs haben sich erst 2010 zusammengetan und haben in diesen zwei Jahren bereits zwei verdammt erfolgreiche Alben rausgehauen, waren als Support von The Stone Roses und Red Hot Chili Peppers unterwegs und Albert Hammond Jr. von The Strokes hat sie so lieb, dass er den Song „Tiger Blood“ für sie produzierte. Wir trafen Frontmann Justin und Gitarrist Freddie letzte Woche in einem Berliner Wohnzimmer, in dem sie uns ein spontanes Privatakustikkonzert gaben und mit uns über das leidige Thema mangelnde Zeit für Freundinnen sprachen, über den Einfluss von Hardcore auf ihre Musik und den Spagat zwischen stylischem Aussehen und dem ungeliebten Label „Fashionband“.

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Noisey: Justin, du hattest vor The Vaccines das Projekt Jay Jay Pistolets, richtig?
Justin: Yeah, das ist mein Solokram.

Wie ist die ganze Vaccines Geschichte zustande gekommen?
Justin: Ich habe solo ein paar Sachen gemacht, aber irgendwann war ich davon gelangweilt. Ein Freund von uns hatte ein Studio und meinte dann „Lass los und rumbasteln, das wird lustig“. Und er hatte sowieso schon mit Freddie Musik gemacht. Also sind wir zu seinem Studio und haben uns an Instrumente rangemacht, die wir vorher nie wirklich gespielt hatten. Freddie spielte Bass und ich Keyboard. Wir haben einfach so rumgebummelt. Es wurde allerdings bald offensichtlich, dass besonders Freddie und ich die gleiche Idee davon hatten, was wir erreichen wollten und wie wir es erreichen wollten. Also haben wir in Sessions ein paar Songs geschrieben und uns gedacht, dass es den Leuten möglicherweise gefallen könnte, weil wir die Sachen echt gut fanden. (Lacht)
Freddie: Es war aufregend. Das ist das, was ich wirklich wollte.
Justin: Gute Energie ist verdammt wichtig.

Und die anderen beiden Jungs?
Justin: Ich habe mit Arni ein paar verschiedene Sachen gespielt. Und Arni hat wiederum mit Pete unterschiedliches Zeug gemacht. Dann sind wir irgendwie zusammen gekommen.
Freddie: Das war wunderbar.

Gut, dass ihr euch gefunden habt.
(Beide lachen)

Die letzten zwei Jahre seid ihr gut beschäftigt gewesen. Zwei Alben in zwei Jahren. Respekt!
Justin: Danke…
Freddie: Ja, vielen Dank. (Lacht)

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Wo holt ihr in so kurzer Zeit so viel Kreativität her?
Justin: Ich denke, wenn du den Willen hast, Songs zu schreiben, dann schreibst du sie einfach. Wenn du ein Schriftsteller bist, dann möchtest du schreiben. Wenn du ein Maler bist, dann möchtest du malen. Und wenn du Songwriter bist, dann möchtest du Songs schreiben. Es ist ja keine Pflicht, Songs zu schreiben. Wir wollen wirklich fühlen, dass wir besser werden und dass wir eine Sammlung von Songs haben, die besser sind und mit denen wir in der Lage sind, sie aufzunehmen und sie vorzustellen. Es ist sehr wichtig für uns, dass wir kreativ bleiben, weiter nach vorne kommen und wirklich versuchen, besser zu werden.

Ihr habt in den letzten zwei Jahren so einige Festivals mitgenommen. Könnt ihr eigentlich noch mitzählen?
Freddie: Das ist unmöglich.
Justin: Wenn du mir sagen würdest „Hey ihr habt hier gespielt und dort gespielt“, dann würde ich mich natürlich erinnern.
Freddie: Es müssen wahrscheinlich so um die 70 sein, oder mehr…
Justin: Ja, wir haben letztes Jahr 46 gespielt und dieses Jahr müssen es knapp 30 gewesen sein.

Habt ihr überhaupt noch Zeit andere Künstler zu sehen?
Justin: Ja, manchmal mache ich das.
Freddie: Natürlich.
Justin: Wir haben beim Melt gespielt. Das war ziemlich cool.

Das Melt-Festival ist cool.
Justin: Auf jeden Fall. Ich muss grad nachdenken … ich habe The Raveonettes gesehen.
Freddie: Du spielst so viele Festivals und verbringst auch viel Zeit dort, fast deinen ganzen Tag. Am Anfang hatten wir manchmal zwei Festivals an einem Tag.

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Verrückt.
Freddie: Das ist echt verrückt.

Seid ihr nicht vollkommen geschafft vom Touren?
Justin: Ich liebe es!
Freddie: Yeah, wir lieben es.
Justin: Ich finde es toll, unterwegs zu sein, andere Orte und neue Leute kennenzulernen. Das ist so aufregend.
Freddie: So ist das Leben einer Band, denke ich.
Justin: Wenn ich nach Hause komme, dann wird mir so schnell langweilig. (Lacht) Natürlich freue ich mich, meine Freunde zu sehen und ich gehe auch gerne in London weg. Aber ich möchte lieber was von der Welt sehen.

Habt ihr euren Zeitplan überhaupt noch auf dem Schirm?
Justin: Naja, irgendwie klingt das schon mies, wenn du nicht weißt, wo du als nächstes hinfährst. Normalerweise bin ich echt neugierig und möchte wissen, wo unser nächster Trip hingeht.

Und keine Zeit für Freundinnen?
Justin: Nein … Ich schätze nicht.
Freddie: Neee … (Lacht) Nicht wirklich.
Justin: Na ja, also die anderen beiden haben Freundinnen.

Spontane Akustiksession im Wohnzimmer. (Foto: Katrin Ingwersen)

Könnt ihr euch an einige Highlights erinnern, die ihr in den letzten zwei Jahren hattet? Peinliche Auftritte?
Justin: Oh ja, wir hatten ein paar echt schlimme Auftritte…
Freddie: Wie war das noch gleich, als Arni auf die auf die Bühne kam und hinfiel … (Lacht)
Justin: Ja genau. Arni kam auf die Bühne, es war in einem Stadion als wir mit den Red Hot Chili Peppers unterwegs waren.
Freddie: Er war für ein paar Gigs weg gewesen. Drew von den Babyshambles war in der Zeit für ein paar Shows dabei. Arni kam dann wieder zurück und war wohl noch von seiner Rückkehr benommen und nun ja…

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Oh nein. Hat er sich verletzt?
Justin: Es war wohl eher eine mentale Verletzung, denke ich. (Lacht)
Freddie: Wir konnten nicht aufhören zu lachen.

Justin, du warst eine Weile in der „Straight Edge“ Szene unterwegs, richtig?
Justin: Ja, das stimmt.

Dann wirst du wahrscheinlich eine Menge Hardcore gehört haben…
Justin: (Lacht) Ja.

Hat das irgendwie Einfluss auf The Vaccines gehabt?
Justin: Ich denke, musikalisch nicht wirklich, aber in der Art und Weise wie wir Musik machen. Was eine gute Punkband für mich ausmacht, ist, ob sie es auch echt meinen. Es geht nicht darum, was du spielst, sondern wie du es spielst. Verstehst du? Das ist der einzige Unterschied zwischen einer guten Punkband und einer schlechten Punkband für mich. Es muss echt sein, sie müssen es wirklich in ihrem Herzen spüren. Das ist schon merkwürdig, denn als Kind konnte ich das nicht wirklich erkennen. Als ich wirklich jung war und mit 13 anfing, zu Hardcoreshows zu gehen, habe ich nicht verstanden, warum die Leute die eine Band gefeiert haben und die andere wiederum nicht, wo sie sich für mich doch damals gleich angehört hatten. Ich habe dann irgendwann festgestellt, dass die eine Band Herz hatte und die andere nicht. Ich denke das ist sehr entscheidend, wenn du dir gegenüber ehrlich bist und den Leuten gegenüber ehrlich bist, die deine Musik hören.

Was ist mit dir Freddie? Erinnerst du dich an deine erste CD?
Freddie: Für mich waren es Skatevideos, die mich an Musik herangeführt haben. Ich habe mir die Videos angeschaut und am Wochenende sind mein Bruder und ich zu Skateshops gegangen und haben uns dort EPs und Singles gekauft. So habe ich Punkbands wie The Stitches entdeckt. Und zufälligerweise bin ich dann auf The Strokes oder Doves gestoßen. Eigentlich alle Arten von Bands. Aber meine erste CD … Keine Ahnung, da war ich zu jung.
Justin: Meine erste CD haben mir meine Eltern gekauft, eine echt miese Live-CD von Elvis Presley. Ich liebte diese Musik, es waren echt schlechte Aufnahmen und ich habe immer und immer wieder den gleichen Song gespielt. Die CD hat vielleicht zwei Pfund gekostet. Ich bin froh, dass ich sie immernoch habe.

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Lasst uns über euer Styling reden. Ihr seid attraktive Typen. Wie wichtig ist euch gutes Aussehen?
Justin: Ich glaube, die Sache an Styling und Fashion ist, dass du nicht wirklich ändern kannst, wer du bist, aber du kannst den Leuten ein anderes Bild von dir vermitteln. Es ist eine Art des Selbstausdrucks, genau wie die Musik. Allerdings denke ich nicht, dass wir eine „Fashionband“ sind. Natürlich sind wir schon an Style interessiert. Mir gefällt Schwarz und Symmetrie, praktisches Zeug und eine Menge Denim. Die Leute mit dem besten Style sind meistens die, die nicht mal merken, dass sie stylisch sind. Ich mag dezente und klassische Kleidung. Ja, also es ist schon wichtig für uns. Ich finde wir haben etwas von einer Uniform.
Freddie: Wir sind ständig auf Tour. Ich glaube zu Beginn habe ich immer zwei Koffer gepackt, weil ich nicht wusste was ich anziehen sollte. Und jetzt nehme ich bloß eine kleine Tasche mit, mit Jeans und Leder. Es ist eben lässig und leicht zu waschen. Und man kann es nicht so leicht versauen.

Ihr seid erst zwei Jahre im Business und habt schon mit beeindruckenden Künstlern zusammengearbeitet—mit The Strokes oder als Support der Stone Roses. Wie fühlt ihr euch dabei und wie ist es dazu gekommen?
Freddie: Das war echt ziemlich cool.
Justin: Die Sache mit den Strokes hat sich ereignet, weil wir gehört hatten, dass Albert (Hammond Jr.) Fan von uns war und er wollte ein paar Songs von uns produzieren. Wir hatten ein paar Tage in New York. Es ist immer merkwürdig und aufregend, wenn sich dein Weg mit Leuten kreuzt, zu denen du als Kind aufgeschaut hast. Und die Stone Roses Geschichte … in England ist es so eine wichtige Band. Wenn du irgendwie Kenntnisse über Alternative hast, dann ist dir bewusst, wie drastisch sie Alternative in England verändert haben. Es war echt aufregend, ich meine, dort waren 80.000 Menschen.

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Erklärt mir doch bitte, wie ihr das alles geschafft habt. Andere Bands arbeiten jahrelang und kommen nicht mal im Ansatz an dem was ihr bereits in zwei Jahren erreicht habt.
Freddie: Wir haben es sehr lange vorher versucht.
Justin: Oh ja, sehr lange vorher. Meinen ersten Gig hatte ich mit ungefähr mit zwölf. Jetzt bin ich 25. Wir haben sehr viel Vertrauen in unseren Songs. Ich denke, wir schreiben Popsongs, die leicht zugänglich sind und eine universelle Qualität mit sich bringen und sie sind nicht wirklich richtig anspruchsvoll.
Freddie: Das Ironische daran ist, dass als wir mit der Band angefangen haben, war es mir persönlich scheißegal, denn zum ersten Mal machte ich etwas, woran ich wirklich glaubte.
Justin: Nichts passiert jemals, wenn du es willst.

Das ist richtig. Wie sieht es mit weiteren Zusammenarbeiten aus?
Freddie: Ich hoffe, dass mein Bruder (Tom von The Horrors) und ich bald zusammenarbeiten können.

Also noch immer Bruderliebe und keine Konkurrenz…
Freddie: Oh, ja klar. Keine Konkurrenz, wir sind ganz unterschiedlich. (Lacht)

Das ist gut zu hören. Wann kommt das dritte Album? Bei eurem Tempo würde es mich nicht wundern, wenn ihr bald das nächste Album raushaut.
Justin: Wer weiß das schon. Vielleicht in sechs Monaten, vielleicht aber auch sechs Jahren. Ich habe keine Ahnung. Wann auch immer wir bereit sind, ein noch besseres Album zu machen. Wer weiß das schon.

The Vaccines auf Tournee:
22. Oktober - Berlin, Postbahnhof
23. Oktober - Hamburg, Fabrik
30. Oktober - Köln, Bürgerhaus Stollwerck
31. Oktober - Stuttgart, Wagenhallen