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Doldrums hat echt keine Lust, über sein Albumtitel zu sprechen

Offensichtlich waren wir nicht die einzigen, die den Kanadier auf den Namen ,Lesser Evil‘ angesprochen haben.

Irgendwann letzten Sommer tauchte plötzlich dieser Name auf: Doldrums. Der nächste heiße Scheiß, mal wieder. Lanciert wurde der Name vom damals aktuellen heißen Scheiß, Grimes und Purity Ring, die beide bereits mit Doldrums auf Tour waren und ihrem kanadischen Kumpel offensichtlich einen Karriere-Schub gönnten. Den hätte der Musiker Airick Woodhead, der sich hinter dem Pseudonym Doldrums verbirgt, allerdings kaum benötigt—egal wo auf dieser Welt er die Bühne betrat, frohlockten Kritiker ob seines größtenteils aus Samples zusammengeworfenen Collagen-Pop und seine Bühnenpräsenz. Angesichts des plötzlichen Hypes ist es fast schon erstaunlich, dass Doldrums erst im Febuar sein Debütalbum Lesser Evil veröffentlichen wird. Aber alles Natürliche und Schöne hat das Recht zu wachsen, erklärte er uns im Gespräch und da wollen wir ihm natürlich überhaupt nicht widersprechen.

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Noisey: Erzähl uns doch mal wie du angefangen hast Musik zu machen.
Doldrums: Ich bin in einer sehr musikalischen Familie aufgewachsen. Mit meinem Dad bin ich immer auf Folk-Festivals gefahren. Dort habe ich gelernt, Musik zu machen, ich habe das aufgesaugt und angefangen, die Sprache der Musiker zu verstehen. Und es wurde so sehr meine Sprache, dass es sich einfach vollkommen natürlich anfühlte, mich in meiner Musik auszudrücken. Besonders in dieser Post-Modern-Collage-Richtung. Ich mache das, seitdem ich 14 Jahre alt bin. Ich schnappe mir Teile von Leuten, die Musik machen und werfe das alles in einen Topf.

Als ich 18 Jahre alt war, war ich in einer Rockband, ich habe die Band verlassen, mit meiner Freundin schlussgemacht und bin für circa zwei Wochen nach Berlin gezogen. Aber ich war so gestresst, dass ich keine Stimme hatte, konnte nicht mal mit Leuten sprechen. Also habe ich mich entschieden, Doldrums zu machen und bin nach Montreal gegangen. Ich glaube, die eigentlich Idee war zu schummeln. Ich wollte die beste Musik auf dem einfachsten Weg machen und ich habe das einfach durch Sampling gemacht. Ich habe die Songs genommen, von denen ich der Meinung war, dass es die besten Songs sind und habe sie zu meinen eigenen gemacht. Zu der Zeit habe ich viele Leute getroffen, die so etwas ähnliches gemacht haben und ich habe gemerkt, dass es da schon so was wie eine Community gab, in Montreal. Flow Child, der die Samples auf dieser Tour macht, hat einen großen Einfluss auf mich.

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Du hast gesagt, dass du in einer musikalischen Familie aufgewachsen bist, hast du selbst auch ein Instrument gelernt?
Ja, ich habe Gitarre gespielt. Psychedelische Gitarre mit jeder Menge Rückkopplung.

Mit welchem Equipment arbeitest du heute, wenn du deine Musik machst?
Im Moment benutze ich Traktor und ich habe den S4 Controller. Ich benutze ihn auf meine Weise, indem ich Songs von iTunes in Traktor ziehe und Cue-Points setzte. Dann fange ich an zu jammen und lege Effekte drauf. Du lernst das als dein Instrument zu verwenden, genau so wie es andere Leute mit ihrer MPC machen. Bei mir ist es sehr collagenorientiert. Manchmal nehme ich ein Jam auf und benutze die Jam als Quelle für die nächste und das wiederholt sich zum Teil sehr oft. Am Ende ist es komplett meine eigene Musik und man kann nicht mehr erkennen, wo die Originalteile her kommen.

Da deine Musik quasi nur aus Samples besteht, würde mich interessieren, wie du zu Diskussion stehst, dass viele Leute Samplen als Diebstahl bezeichnen.
Ich bin der Meinung, dass Kunst eine Unterhaltung ist und du klaust Worte, die du lernst. Ich bin mir sicher, dass die cleversten Leute am meisten klauen. Wenn du richtig clever bist, weiß am Ende keiner, dass du geklaut hast. Das ist genau das, was die ganzen weißen Bands in den 60ern gemacht haben, sie haben sich bei den schwarzen Künstlern bedient. Genau wie die Popstars in den 90ern sich bei schwarzen Künstlern bedient haben. Das gibt es immer und es passiert überall. Für mich ist das so, ich wollte eigentlich deutlich zeigen, dass ich klaue, weil ich gegensätzlich sein wollte. Ich wurde von vielen Noise-Bands aus den frühen 90ern inspiriert, wie zum Beispiel Negativland, die einfach ganze Songs genommen haben und sie ihre eigenen genannt haben. Das ist sehr fragwürdig.

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Der erste Song von deinem Album heißt „Egypt” und ist im Juni erschienen. War das Album da schon fertig, wieso erscheint es erst jetzt?
Das darfst du mich nicht fragen. Wir wollten es richtig machen und nichts überstürzen. Ich habe da ein schönes Zitat von einem HipHop-Produzenten: „Alles Natürliche und Schöne hat das Recht zu wachsen.” Schau dir zum Beispiel Beziehungen an oder Kunst. Ich glaube, es geht immer darum, nicht zu hetzen. Ich bin sehr froh, dass wir uns entschieden haben, noch zu warten.

Wenn Künstler Musik machen wollen sie die ja am liebsten immer gleich der ganzen Welt zeigen. War es schwer für dich jetzt so lange zu warten?
Auf jeden Fall! Das wird immer ein Problem für mich sein.

Wie lange hast du denn am Album gearbeitet?
Fast ein Jahr. Ich war viel auf Tour und habe sehr hart gearbeitet, egal wo ich war oder was ich hatte. Als ich mit dem Album angefangen habe, hatte ich kein Geld, keinen Computer, ich hatte nicht mal einen festen Wohnsitz. Ich war einfach nur auf Tour und habe Noise-Shows mit meinem Sampler gespielt. Das Jahr ging weiter und ich habe echt hart gearbeitet, um Songs zu machen und diese ins Internet zu stellen und das alles auf ein höheres Level bringen. Ich hatte echt Glück, dass ich bei Arbutus (Records) untergekommen bin. Die haben mir wirklich viel ermöglicht. Kurz vor der Fertigstellung des Albums war ich dann in den XL Studios in London und habe mit dem Typen aufgenommen der auch The XX aufgenommen hat. Das Album spiegelt eine besondere Zeit meines Lebens wider, zwei sehr unterschiedliche Erfahrungen und viel Spannung.

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Warum hast du das Album Lesser Evil genannt?
Ich habe wirklich keinen Bock mehr das zu erklären. Es geht um die natürlich Gegensätzlichkeit die es zu allem im Universum gibt.

Du hast zwei Leute auf deiner Platte gefeatured, kannst du mir ein bisschen was zu denen erzählen? Der eine ist Guy Dallas.
Der Typ hat mich unglaublich beeinflusst. Wenn wir zusammen Musik machen, passiert alles sehr natürlich, wir jammen einfach. Er ist so eine Art Noise-Musiker, der sich stark in die House Richtung entwickelt hat. Ich finde, dass ist ein sehr spannender Weg.
Beide Künstler, Sami Nacomi auch, sind Menschen die mich inspirieren und ich glaube, sie geben mir mehr als ich ihnen gebe. Genauso wie Flow Child.

Hast du mit Flow Child auch für das Album gearbeitet oder nur für die Liveshows?
Mit ihm habe ich nur für die Shows gearbeitet. Wir haben immer gejammt aber nicht offiziell für Doldrums. Aber jetzt ist es Doldrums, Doldrums verändert sich immer.

Deine aktuelle Single ist „She Is The Wave”. Ihr habt ein tolles Video dazu gedreht. Seid ihr wirklich in die Wüste gefahren, um zu drehen?
Das war hart, wir sind in die Wüste nach Mexiko gefahren. Die Art und Weise wie Emily an Videos arbeitet, ist ähnlich wie ich mit der Musik arbeite. Sie macht quasi fast alles alleine. Sie steckt sehr viel Aufwand in ihre Videos, damit es am Ende aussieht wie ein große Videoproduktion.

Ich kann einfach nicht glauben wie stressig es ist, ein Video zu machen. Es ist auch alles schiefgegangen was schiefgehen konnte. Wir hatten einen Sandsturm, so dass ich meine Ausrüstung nicht benutzen konnte und wir nicht weiterfilmen konnten. Also standen wir da, wir haben keine Ausrüstung und nur 20 min. Film und wir dürfen nicht darüber, weil wir dafür eine Genehmigung brauchen, außerdem haben wir kein Geld, um irgendwas zu kaufen. Was zum Teufel sollen wir jetzt machen? Aber Emily hat das irgendwie hingekommen und ein unglaubliches Video daraus gemacht.

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Dein Album kommt im Februar. Hast du irgendwelche Ziele?
Ich glaube, mein größtes Ziel ist es, einfach mit dem was ich machen weitermachen zu können. Weitermachen können ohne Kompromisse eingehen zu müssen. Ich glaube das ist kein unmögliches Ziel.

Zum Abschluss Studio oder live?
Im Moment live! Ich liebe das gerade sehr.

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Sascha auf Twitter: @DeutscheWorte

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