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Rudis Brille

Rudis Brille: Gibt es eigentlich auch Partys zwischen den Festivals?

Für Clubs ist die Festivalzeit traditionell schwierig. Eigentlich wäre das die perfekte Zeit für Experimente.

Foto: Julian Haas

Mai und Juni sind traditionelle Festivalmonate. Fast schon im Sekundentakt gibt es an schönen und weniger schönen Standorten Großevents. Sehr schön war—wie schon berichtet—das Lighthouse Festival. Ich habe selten so viele Videos und Fotos wahrnehmen können wie von diesem Wochenende. Hätte ich einen Wunsch an das Sommerkind, dann wäre es der, dass es auch musikalisch-programmatisch dort anknüpfen könnte, wo der schöne Strand endet. Aber das erschien vielen ohnehin als Nebensache—hier ging es darum, in vertrauter Gesellschaft am istrischen Strand Alltag und Alte zu vergessen und nach dem langen, harten Mai endlich ein Gefühl von Unbeschwertheit einzuatmen, egal in welcher Form.

Kurz danach schwang sich das Springfestival in Graz zu einer Wiederauferstehung auf. Auch hier wurde schon einiges berichtet und war aus meiner Sicht war es ein sehr gelungener Relaunch. Es gab für alle Hörerschichten abseits von Radio Energy etwas und die neuen Veranstalter versuchten redlichst das Misstrauen abzuschütteln, das sich auch in den Köpfen der Besucher angesammelt hatte. Auslastungstechnisch wäre vielleicht noch ein Frequenzerl mehr drinnen gewesen, doch man darf aus meiner (Fern)Sicht sehr zufrieden Bilanz ziehen—vor allem die Events im Dom im Berg waren großartig umgesetzt, auch visuell. Vergangenes Wochenende standen erneut zwei große Festivals an, die unterschiedlicher wohl nicht sein könnten. Hier das Urban Art Forms in Wiesen, dort das legendäre Sonar Festival in Barcelona, das einst auch als kleines „Fortbildungsfestival“ begann und nun schon so riesig ist, dass alles was nicht unmittelbar dazu gehört, als „Off Sonar“-Event quasi ins Festival integriert wurde und so die Stadt fünf Tage lang zu einer einzigen Partyzone macht.

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Da reichen sich an Stränden und Hotel-Rooftops Showcases, DJs und Labels die Hände, die hierzulande viele zum Schmelzen brächten (oder auch nicht, weil sie unseren wenigen selbsternannten Musikjournalisten zu wenig in die „Tiefe“ gingen), da wird die katalanische Hauptstadt für viele zum sonnigen Traum ihres Lebens. Einige Hundert—so haben mir Locals erzählt—entschließen sich nach dem Sonar jedes Jahr zu bleiben bzw. zu übersiedeln—um dann zu 90% desillusioniert nach einigen Monaten wieder in ihre kalten Wohlfahrts(heimat)staaten zurückzukehren. Es ist nicht alles so, wie es scheint in Catalunya. Die Partys am Meer und die pulsierenden Clubs sind ein Phänomen besagter Woche. Aus Erfahrung weiß ich, dass unterm Jahr dieselben Gesetze herrschen wie hierzulande. Mit dem Unterschied, dass viele einfach dem Meer zuliebe lieber dort hinkommen als etwa ins pannonische Wien. Und weil es heißt, die Spanier feiern besser—nun auch das ist nur teilweise richtig. Die Spanier sind nämlich genauso namensfixiert wie alle anderen auch. Bei Ricardo, Loco oder Richie etwa, geht es ab wie bei einem Champions League-Match, beim Rest wird oft misstrauisch gegafft und maximal etwas geschunkelt. Und das vor allem so extrem spät, dass ich mich oft frage, wie es sich für die Clubs finanziell ausgehen kann, mit zwei bis drei Stunden Umsatz die Kosten einzuspielen—vor allem mit DEN Vodkarationen.

Aber auch hier gibt es Sperrstunden, späte Beginnzeiten (um drei Uhr morgens kommen die Leute), strengste Rauchverbote und damit verbundenes hektisches Aus- und Eingerenne, Taschendiebstähle und durchaus saftige Preise. Barcelona war einst meine absolute Traumstadt, sie ist immer noch ganz oben. Jedoch bei den Kurzurlaubsdestinantionen—um ständig hier zu wohnen müsste man seine Schäfchen schon ins Trockene gebracht haben, sonst wird der Spaß schnell teuer und anstrengend. Und das Sonar von einst—etwa 1999 als ich zum ersten Mal dorthin kam und noch outdoor am Strand tanzen konnte—und jetzt haben kaum noch etwas gemein. Heute finden die Abendveranstaltungen als Großraves in Messehallen statt. Die meisten Besucher interessieren sich zumeist nur für die Sideevents. Dennoch: Wir Mitteleuropäer sehnen uns einfach nach Sonne und Sand, dazu südländisches Flair, das alles findet man hier im Überfluss.

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Das Urban Art Forms hatte sich viel vorgenommen nach seinem Retourgang nach Wiesen, doch beim Besuch musste man feststellen, dass sich der einstige Spirit wohl nicht mehr herbeizaubern lässt. Die Drum'n'Bass Community—meist jünger und zäher—hielt dem UAF zwar weiterhin eisern die Treue, bei den 4/4-Elektronikern war jedoch die Stimmung klar verbesserungswürdig, und es mangelte wohl leider auch an Publikum. Wenn man weiß, dass die Behörden den Ausrichtern alle nur möglichen Steine in den Weg legten, siehe Sperrzeiten (ab ein Uhr gabs nur mehr Drum'n'Bass-Zwangsbeglückung) und Lautstärkenregulierungen, so mutet die Annahme nicht allzu gewagt an, dass hinter dem UAF und Wiesen 2016 wohl ein großes Fragezeichen steht. Dazu kam auch noch skandinavisches Wetter und das Ganze wirkte ein wenig trocken und spröde.

Foto: Julian Haas

Für die Clubs ist die Festivalzeit traditionell schwierig. Die „großen“ Acts sind nicht verfügbar, das Wetter ist zu schön, die Leute sind entweder weg oder müssen lernen (fürs Leben und die letzten Prüfungen) und der übriggebliebene Rest teilt sich auf. Eigentlich Zeit für Experimente, was Neues, was Spannendes, etwas, das alle hierzulande herbeisehnen, etwas, das es nicht gibt. Somit landen wir alle am Ende beim Wu-Tang Clan, schon so legendär, dass er fast wieder wie neu wirkt. Vorausgesetzt, der Clan findet sich ein. Er fand sich ein.

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