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Mit dieser App kannst du Schläger anheuern, die deine Feinde zusammenschlagen

Wollten wir nicht alle schon mal ordentlich austeilen, ohne dabei selber einen Finger krumm zu machen?

Eine Schlägerbraut (rechts) und ihr unschuldiges Opfer (links) (Foto: Andrew Moir | Flickr | CC BY 2.0)

Vor Kurzem wurde eine App aus dem chinesischen App-Store entfernt, weil sie hauptsächlich dazu gedacht war, den User mit Schlägertypen in Verbindung zu bringen, die Leuten gegen Bezahlung die Fresse einhauen. Ich weiß zwar, dass das alles richtig schlimm ist und uns vom Gesetz her vorgegeben wird, niemanden zusammenschlagen zu lassen, aber mir fallen trotzdem spontan zehn Menschen ein, für die ich so eine App sehr gut gebrauchen könnte. Vielleicht auch zwölf. Nein warte, fünfzig!

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Die Zeitung China Times schreibt, dass 滴滴打人 aka Didi Da Ren (Gott sei Dank gibt es die Copy-und-Paste-Funktion, aber eigentlich könnte das alles bedeuten, zum Beispiel „Ich bin ein Volltrottel") aka „Didi schlägt Leute" am Anfang nur die witzige Idee einer satirischen Online-Talkshow war. Schon bald entstand daraus jedoch eine richtige App, mit deren Hilfe man Wahnsinnige engagieren konnte, die in deinem Auftrag andere Menschen verprügeln. Es wurden auch einige Deepweb-Elemente in die Anwendung integriert: Screenshots zeigten einen „One-Night-Stand"-Service (eigentlich nur eine elegante Umschreibung von Sexarbeit) und Drogen-Deals waren sicher nicht weit hinterher.

Bevor die App wieder gelöscht wurde, konnte man dort eine Anzeige schalten, in der man schrieb, dass jemand zusammengeschlagen werden müsste. Wenn man wollte, konnte man dann auch noch angeben, in welchem Ausmaß das Opfer kassieren sollte, ob vielleicht speziell das Schienbein oder die Eier malträtiert werden sollten und und und. Danach wurde einem die Telefonnummer des nächsten verfügbaren Schlägertypen aus der näheren Umgebung zugeschickt. Dem beschrieb man anscheinend, wo und wann man die Zielperson am wahrscheinlichsten antreffen würde, und lieferte am besten direkt noch ein Foto mit. Innerhalb von maximal 48 Stunden landete das ausgewählte Opfer schließlich im Krankenhaus. Eine normale Tracht Prügel kostete dabei zwischen 200 und 500 Renminbi (30 bis 75 Euro) und die Bezahlung erfolgte im Allgemeinen nach dem erfolgreich ausgeführten Auftrag.

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Laut der App-Beschreibung handelte es sich bei den Schlägertypen vor allem um Soldaten im Ruhestand, die sich ein bisschen was dazuverdienen und ihren Frust an irgendjemandem auslassen wollten. Richtige Verbrecher, Kriminelle und seltsamerweise auch Sportlehrer gehörten jedoch ebenfalls zum Repertoire. Aber halt, was sollten Sportlehrer bitte schön groß ausrichten? Dich mit einem zusammengerollten Handtuch durchpeitschen, bis du im Krankenhaus landest? So stark in ihre Trillerpfeife pusten, bis du das Bewusstsein verlierst? Sportkleidung von rivalisierenden Marken mit einem so schlechten Modegeschmack tragen, dass du einen Herzinfarkt bekommst? Deinen Schädel mit einem Fußball einschlagen? Von all den moralischen und ethischen Fragen, die die Prügel-App aufwirft, sind das wohl die relevantesten. Lassen sie dich so lange Hampelmänner machen, bis deine Gliedmaßen abfallen? Oder musst du doch eher an einem kalten Dezembermorgen so lange um den Sportplatz laufen, bis deine Beine nicht mehr können und einknicken? Wie streng sind chinesische Sportlehrer eigentlich?

Diese Typen lassen auch gerne mal die Fäuste fliegen:

Wie dem auch sei, nach 40.000 Downloads wurde die App aus dem „Qihoo 360"-Webstore wieder entfernt und Changsha Zhang Kong Information Technology Limited, das Unternehmen hinter der Anwendung, besteht darauf, dass ihr Programm niemals für illegale Aktivitäten vorgesehen war. Ich habe da übrigens einen guten Tipp fürs nächste Mal: Wenn man nicht will, dass eine App dafür genutzt wird, andere Leute zusammenschlagen zu lassen, dann sollte man sie auch nicht „Didi schlägt Leute" nennen.

Dazu kommt noch, dass es gar kein neuartiges Konzept ist, seine Mitmenschen gegen Bezahlung verprügeln zu lassen. Falls dir zufällig genau in diesem Moment danach sein sollte, dann sitzt in der nächsten ranzigen Eckkneipe auf jeden Fall ein finsterer Typ, der schon seit sieben Uhr morgens am gleichen Bier nippt und quasi nur auf deinen Auftrag wartet. Seine Eisenstange liegt dabei einsatzbereit neben ihm. Sein Name ist „Harter Harry" und er war mal Sportlehrer. Dann gab es jedoch einen Unfall. Darüber will er nicht reden. Was ich damit eigentlich sagen will: Es ist nicht schwer, jemanden zusammenschlagen zu lassen. So gesehen war das Bestellen einer Pizza allerdings auch noch nie wirklich kompliziert—trotzdem habe ich dank der Einführung einer Pizza-App innerhalb eines Monats knapp sieben Kilo zugenommen.

Ethisch gesehen befindet man sich hier in einer ziemliche Zwickmühle. Auf der einen Seite ist mir schon klar, dass es auf moralischer Ebene absolut verwerflich ist, einen Schlägertypen loszuschicken und Leuten die Fresse polieren zu lassen. Auf der anderen Seite fallen mir jedoch mindestens sechs meiner besten Freunde ein, bei denen es meiner Meinung nach richtig witzig wäre, wenn sie von einem engagierten Sportlehrer aus China den Hintern versohlt zu bekommen. Bin ich deswegen ein schlechter Mensch oder hat mich die Zukunft so gemacht? Ist das vielleicht der tatsächliche Einfluss, den der App-Store auf unser Leben hat? Das ist doch schon fast so etwas wie die Tinderfizierung einer ordentlichen Tracht Prügel—die letzte rutschige Stufe bei unserem Abstieg auf der nassen Leiter der menschlichen Freundlichkeit. Vielen Dank, China. Vielen Dank dafür, dass du meine Welt um einen verführerischen Bissen von erschwinglicher Gewalt bereichert hast.