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Musik

Stefan Gelds Backstage Hustle

In unserer neuen Hip Hop-Kolumne erfahrt ihr nun ab sofort den bizarrsten und irrsten Gossip aus dem Universum des Bling-Bling-Gangster-Rap.

Stefan schreibt eigentlich ganz „seriös" für die Juice und hängt dabei ununterbrochen mit Lichtgestalten des HipHops, wie zum Beispiel Ice Cube und Mobb Deep, ab. Trotzdem hat er uns gesteckt, dass er ganz dringend ein Ventil braucht, um seine unzähligen Anekdoten, die er in diesem Bling-Bling-Gangster-Rap-Universum erlebt, loszuwerden. Wir waren zuerst ein wenig skeptisch, doch dann legte er uns „Mit Haftbefehl auf dem Oktoberfest" vor und wir dachten uns, wir sollten ihm einfach seine eigene Kolumne auf VICE.com geben. Nun wird er uns also hier regelmäßig seine bizarren Geschichten aus der Welt des HipHops zum Besten geben.

Heute berichtet Stefan über das große Mysterium Pete Rock und die vermeintlich bizarren Vorlieben des vermeintlichen Misanthropen.

Danke VICE, wir bauen uns jetzt ein kollektives Gedächtnis. Denn wenn man wie ich regelmäßig Interviews für das ein oder andere Musikmagazin führt, ist es eigentlich unumgänglich, dass man die absurdesten Geschichten erlebt. Sei es nun das ehemalige Gangmitglied aus L.A., das sich immer noch mit seiner Sozialisation schwer tut oder die transzendente Kunst-Diva, die niemals vorhatte, sich weiterhin mit Normalsterblichen auseinander zu setzen: Vieles ist einfach zu abwegig, als dass es mit dem Tod des Stefan Geld in einer vielleicht noch lauwarmen Synapsenwolke in den Weiten des Universums verpuffen sollte. Glaube ich zumindest. Deshalb Community-Building 5.4: Ich verfrachte das ganze hier ins Internet. Ein Wort noch an unsere Jute-Beutel-Fraktion: Vorsicht, wir bewegen uns hier in erster Linie im HipHop-Bereich. Auf euren Schultern liegt die größte Last. Eines vorweg: um als Musikschreiberling auch nur ansatzweise gut über die Runden zu kommen, braucht man erst mal eine anständige Festanstellung (am besten branchenfremd!) oder einfach jede Menge Glück. Das mit dem Glück schiebt man sowieso besser auf die lange Bank, weshalb man dann schließlich hauptberuflich Fingernägel kauend in einer Marketingagentur sitzt, dort trotzdem nichts verdient und die Zeit mit den immer gleichen Klicks auf Facebook totschlägt. Nach dem gängigen „Was geht?“, „Alles klar?“ und „easy“ steht dann auch direkt fest, um was es denn genau geht. Ein ortsansässiger Veranstalter möchte den Terminkalender einer ergrauten HipHop-Eminenz aus dem weit entfernten Amerika mit Inhalt füllen. In Form eines Interviews natürlich, das vor dem DJ-Gig der grauen Eminenz (es handelt sich um den Produzenten Pete Rock, so nebenbei) stattfinden sollte. Nun also erst mal Rücksprache mit dem Chefredakteur halten. Zwei Emails später steht fest: nein, wir hatten gerade ein Feature mit Pete Rock. Außerdem hatte ich bereits Gerüchte vernommen: er sei sehr wortkarg und langweilig und ja, er sei dabei zudem auch noch ziemlich unfreundlich. Der ortsansässige Booker war davon jedoch ziemlich überrascht. „Das kann gar nicht sein.“ Natürlich kann das sein.  „Nein, kann ich mir nicht vorstellen. Ich kenne keinen Ami, der schriftlich darauf besteht, dass ihm für die gesamte Dauer seiner Performance ein Fan in die DJ Booth gestellt wird.“ Digitale Stille meinerseits. Man ist verwirrt. Ist dieser Pete Rock doch ein missverstandener Philantrop? Oder doch passionierter Menschenfeind, der einfach nur für erträgliche Temperaturen in der DJ Kanzel sorgen möchte? Dass das Wort „Fan“ auch eine etwas unerwartetere Bedeutung haben kann, wusste ich selbst zugegebenermaßen erst seit dem Eminem-Song „Shit Hits The Fan“, der bei einer deutschen Standard-Übersetzung ein doch etwas zu krudes Bild zeichnete. Wobei man zugeben muss, dass der Kacke-besprenkelte Fan nicht unbedingt viel unlustiger daherkommt, als der Vorgang eines auf einen Ventilator zufliegenden Kothaufens. Ich war perplex und in meinem Kopf zeichnete sich ein wunderschönes Bild: ein bereits angepisster Pete Rock besteigt die DJ-Booth eines überfüllten Clubs. Und was erwartet ihn dort: nicht der explizit angefragte Ventilator, sondern ein treuer europäischer Fan. Ein dicker Junge in einem ausgewaschenen „Soul Brother No.1“-Shirt, der breit grinsend seine Zahnspange präsentiert, die Hand zum lange erwarteten High Five mit seinem Idol erhoben. Ein einfach unbezahlbarer Moment, den ich durch meine Überforderung mit der Situation leider aus der Realität verbannte. Ich hätte nicht sagen dürfen: „Du weißt, dass ‚fan’ auch Ventilator heißen kann?“ „Ähm, klar.“ Ob sich Pete Rock nun mehr über einen Ventilator oder einen treuen Fan an seiner Seite gefreut hätte, wird man nun wohl leider niemals herausfinden. Selbst wie groß seine Begeisterung für elektrische Tischventilatoren ist, blieb uns allen schlussendlich verwehrt: zwei Tage vor der Show fuhr der Veranstalter für eine Verletzung seiner Bewährungsauflagen ein und der Gig wurde gecancelt. Ein schwarzer Tag für HipHop und Rap und Breakdance.

Illustration: Martin Cole