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Rudis Brille

Rudis Brille: Gedanken zum „Akademiker“ball 2015

Rudi Wrany aka Crazy Sonic beschreibt in klaren Worten, warum der Akademikerball raus muss aus der Hofburg.

Alle Fotos sind von der letztjährigen Demo. Copyright: VICE Media

Rudi Wrany ist seit mehr als 20 Jahren in Wien und Restösterreich als DJ, Veranstalter und Beobachter unterwegs. Für Noisey hinterlässt er hier regelmäßig seine Beobachtungen.

Wenn man in den Tagen rund um das Auschwitz Gedenken darüber grübeln muss, was am Freitag in Wiens Innenstadt passieren wird, dann könnte man sich fast ein wenig schämen für unser Land. Am Ort des—für unsere Stadt unwürdigsten—Geschehens, am Heldenplatz, wo einst Hitler seine „Ostmark“ heim ins Reich geführt hat, in den Sälen der Wiener Hofburg, geht am Freitag trotz der „ruhmreichen“ Ereignisse des letzten Jahres einmal mehr der Korporationsball der Wiener Burschenschaften über die Bühne. Gestützt und gedeckt von der FPÖ. Und nein, kein Umdenken hat stattgefunden in den Köpfen jener, die darüber zu entscheiden haben, ob dieser Ball zwingend-unter dem Deckmäntelchen der freien „Meinungs“(welcher denn??)-Äußerung wieder an diesem historischen Ort stattfinden muss. Vielmehr darf man jene, die dagegen demonstrieren spöttisch als SA (Sozialistische Antifa) bezeichnen, man darf vor den „Chaoten“ warnen, vor den „Selbstdarstellern“, man bittet die Menschen „zu Hause zu bleiben“, ähnlich dem Blizzard in den Staaten, an der „Ostküste“ (da war doch was). Und man fürchtet um die Demokratie, wenn der Ball woanders hingehen müsste. So wie Strache. Die FPÖ und die rechten Burschenschafter, die ja in allen Versuchen, den Ball zu kritsieren und zu hinterfragen, eine Verschwörung gegen jene Meinungsfreiheit sehen, die für Gegenteiliges natürlich nur halb so streng gilt, wissen einen Teil des Boulevards auf ihrer Seite, der martialisch vor Strassenschlachten warnt. Dass dort bekennende Rechtsextreme Walzer tanzen, stört Herrn Karl aber offenbar wenig: „Des is jo scho so long her“, hört man immer wieder.

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Wenn man nun mit Freunden, Bekannten und Verwandten den Ball und die Proteste andiskutiert, dann scheiden sich die Geister. Für die meisten sind die Demonstrationen in ihrer Schärfe pure Zerstörungslust. Eine für Österreich typische Schneckenhaushaltung tritt hier offen zutage. Das liegt daran, dass hierzulande Demos eher untypisch sind. Man protestiert nicht, weil ma „net derf“, wie es nun ja auch seitens der Polizei heisst, die nun step by step Kundgebungen verbietet und das Platzverbot ausweitet (auch wenn es nicht mehr so grossräumig ist wie 2014).

Dass die Verbitterung vieler Menschen, die wirklich aufrecht antifaschistischen Geistes sind, nichts mit den verblichenen pseudokapitalismuskritischen Wutdemos gegen den Opernball früherer Zeiten zu tun hat, wird zumeist vom Tisch gewischt. „Sollens doch was arbeiten“, „Ihr Demonstrierer“ und sonstiges Geschwafel hört man oft, auch von Menschen, von denen man es nicht erwarten möchte. Aber am Freitag um 17 Uhr kann und darf man auch als steuerzahlender Arbeitender schon frei haben.

Die Parteien winden sich um das Thema wie die Schlange um Laokoon: Die SPÖ spielt Verstecken (es ist Wahlkampf), Bürgermeister Häupl möchte am liebsten nicht anstreifen, obwohl ich ihm abnehme, dass er die Ballbesucher so sehr schätzt wie zu süßen Wein. Die ÖVP, angeführt von ihrer immer noch dahinlurchenden 1.Bezirksvosteherin Ursula Stenzel, will gar das Bundesheer zu Hilfe rufen, als ob 2500 Polizisten nicht reichen: Ein Panzer muss her, um Wotan und Krimhilde zu schützen. Herrlich. Was die FPÖ tut wissen wir: Den Wahlkampf beginnen. Und die Grünen sind sich im Unklaren: Peter Pilz mahnt den NoWKR. Pilz findet, die Demonstranten machen dies alles nur, um mal ein bisschen Dampf abzulassen und will nicht in die „Soli“ Falle tappen. Die grüne Parteijugend hingegen unterstützt die Proteste.

Aber man muss kein Prophet sein, um Folgendes im trüben Schneetreiben von heute zu erkennen: Gesichtsverstümmelte Hohlköpfe dürfen wieder in der Hofburg tanzen, sie werden den Kopf über die Demonstrationen schütteln, die sie am liebsten verbieten würden, sie werden die rot-grüne Wiener Stadtregierung als wahren Gegner der Freiheit ausmachen, die genau dort endet, wo man sie kritisiert. Und sie dürfen vor allem eines: Die Geschichte klittern, sie im Bierdunst uminterpretieren, Befreiungen zu Besatzungen umdeuten und machmal sogar noch weitergehen und die abscheulichsten Verbrechen schlichtweg negieren. Das ist aber egal in unserem Land, weil eine zerbrochene Fensterscheibe sowieso schlimmer wiegt als die Beleidigung all der Opfer des Faschismus durch diesen erbärmlichen Ball, der nichts repräsentiert, was Zukunft hat und nichts an Freude gereicht für jene,die Verstand haben.

Soll man nun den Ball verbieten?: Nein. Aber wegbewegen aus dem Inneren der Republik.

Und die Polizei? Sie spricht die ganze Zeit davon, dass sie die NoWKR Demos untersagen musste, weil sich die Organisatoren letztendlich nicht ganz von der Gewalt distanzieren konnten: Ich persönlich finde auch, dass NoWKR das hätte tun sollen, denn 99% der Ballgegner wollen nur eines: diese grässliche Veranstaltung nicht in der Hofburg sehen. Warum sonst gehen in unserer gemütlichen „Nummer 1 an Lebensqualität“-Stadt an den anderen 364 Tagen des Jahres keine Fensterscheiben von Nobeljuwelieren zu Bruch. Es ist keine Kapitalismuskritik, die Scherben verursacht, es ist der Kampf gegen den Opportunismus der Wiener Beamten, die dieses Ereignis als „Ball wie jeden anderen“ ansehen. Sorry, das ist er aber nicht, er provoziert. Er hat auch keinen Wert für die Stadt und für deren Prestige, ein 2. Kaffeesiederball oder ein Pfeifenraucherball wäre jedem egal. Und meinetwegen sehen wir den Opernball auch als „wichtig“ an, obwohl die Welt dort viel zu heil ist.

Ich bin dafür, an den friedlichen Demozügen teilzunehmen, um mit ein Zeichen zu setzen. Sich auf Scharmützel mit der Polizei einzulassen hilft der Sache an sich wenig, aber ein bisschen der Welt zu zeigen, dass sich in Wien nicht alles im Schneckentempo der Gemütlichkeit bewegen muss, sollte das Ergebnis des Ganzen sein. Wenn's geht ohne Einkesselungen, Chaos und Feuer.
Damit sich die Partyschickeria, der im letzten Jahr bis weit in die Nacht der Zugang zu ihren Lieblingsdiskotheken verwehrt blieb. nicht allzu sehr mokiern muss, möge Herr Guggenbichler, der Organisator dieses Un-Ereignisses, für 2016 einem Platztausch zustimmen: Hinterm Mond gleich links wäre noch ein Ballsaal frei.