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Rudis Brille

Rudis Brille: Was das erste Halbjahr bringt

Rudi Wrany kennt sich aus. Mit der Clubkultur insbesondere.

Rudi Wrany ist seit mehr als 20 Jahren in Wien und Restösterreich als DJ, Veranstalter und Beobachter unterwegs. Für Noisey hinterlässt er hier regelmäßig seine Beobachtungen.

2015 ist kaum zwei Wochen alt und schon ist mehr passiert als ein Sommerloch tief ist. Abgesehen von der Posse um das Cafe Prückel, die nach wie vor erschreckend offen aufzeigt, wie rückständig das „alte“ Wien sein kann, wenn man es lässt, wird aber vor allem interessant sein, wie die österreichische Bürokratie das Rauchverbot in der Gastronomie durchboxen wird-und das wird uns Clubgänger auch betreffen. Wie wird man das, was man schon gefühlte 20 mal vergeblich versuchte, auch in die Praxis umsetzen? Es ist tragisch, wenn jemand an Lungenkrebs stirbt (auch wenn er 60 Zigaretten täglich geraucht hat), es ist gut, dass es allgemeine Rauchverbote gibt, aber das Wischi Waschi, das hier seit Jahren exerziert wird grenzt schon schwer an Geldverbrennung-am besten damit die Zigarette vor dem Club anzünden.

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Was erwartet uns 2015 in unseren „hot spots“? Die Forelle kauft im grossen Stile ein und schenkt dem technoaffinen Publikum alles was Rang und Namen hat: Ricardo Villalobos, Magda, Gaiser und Len Faki sind nur einige der Acts, die wir zu sehen bekommen werden—wenn wir es wollen, oder können. Der Ansturm bei Ricardo Villalobos auf den sozialen Plattformen war jedenfalls enorm, da mutete es etwas seltsam an, dass auf diversen Seiten fast flehentlich darum gebeten wurde, den doch unromantisch hohen Eintritt zu zahlen, weil der Mann ja von göttlicher Größe ist und schon so lange nicht mehr hier war: Nun da darf man die Gegenfrage stellen, ob es dann an Gotteslästerung—ein geflügeltes Wort in diesen Tagen—grenzt, wenn man sich vorsichtig fragt, warum ein einst im coolen Berliner Underground gefeierter DJ nun EDM Gagen verlangt und den Veranstaltern das sprichwörtliche Weiße aus den Augen raubt, der einst dank genialer Frühwerke und guter (Selbst)Vermarktung—seine verschwitzen T-Shirts werden angeblich bei Sothebys versteigert—zur „Legende“ wurde. Wieviel darf Gott verdienen, ohne dem Reiz des Irdischen zu erliegen?

Das mit den Legenden ist ja so eine Sache: Wenn man mit Freude—oder sonstwie trunken—in der Sonne Ibizas ein 12 Stunden Set erlebt hat, und mit schäumendem Mund seinem inneren Orgasmus kaum Einhalt gebieten konnte ob des endlos wirkenden Minimalismus der Tracks, dann mag das eine „gefühlte“ Legende sein, für andere ist der Weiterbildungsfaktor einer solchen Session vielleicht überschaubarer. Genialität ist eben ebenso dehnbar wie die oft strapazierte Situationselastizität. Und: Wer etwas „genial“ findet, wird den Preis zahlen, egal wie hoch er ist auch ohne „Bitte“. Bitte passt doch nur zu Spenden, oder fliesst ein kleiner Prozentsatz doch in den „Jägermeister Gedächtnisfonds“? Die Forelle weist uns aber auch 2015 den Weg in Richtung hochqualitativem—das unterschreibe ich sofort—elektronischem Sound, viel mehr geht nicht.

Bei der Kantine könnte man sich nach drei Monaten nun vorsichtig fragen, wohin sie eigentlich gehen will. Was hat man mit dem Anfangshype gemacht—mal vom Druck der „function one“ abgesehen? Ich finde, zu wenig, denn die bespielten Tage unterscheiden sich inhaltlich nicht wirklich, oder eben zu sehr. Manchmal wurde dann einfach „irgendwas“—das neue neue Modewort für Belanglosigkeit—gebucht, einfach nur um einen „internationalen“ auf den Flyer zu schreiben—vielleicht gar nicht notwendig, meine ich.

Aber bis zum Sommerloch muss noch ein langer Track gespielt werden.

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