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Rudis Brille

Rudis Brille: Eine Träne im 5-Uhr-Tee—Gedanken zum Pratersauna-Abschied

Rudy Wrany schaut zurück und die Betreiber der Sauna melden sich zu Wort.

Alle Fotos von Gersin Livia Paya

Die Katze wurde also aus dem Sack gelassen, die Pratersauna-Gründer Hennes Weiss und Stefan Hiess beenden ihr Projekt kurz vor dem 7-Jahres-Jubiläum und hören Ende Jänner auf. Das ist schade und traurig, denn mit kaum einem Club (außer dem Flex, aber das ging ja viel länger) war ich so verbunden wie mit der Sauna. Aber nicht nur ich, wohl auch Generationen von Hipstern, Studenten, Kreativen, Modemenschen, Wientouristen und allem, was irgendwie jung und dynamisch sein wollte, wird dieser Laden fehlen. Ein Ära geht zu Ende, könnte man pathostriefend meinen.

„Es darf nur mit dem Schöpfer aufgegossen werden“ steht oben im legendären Büro auf einer der Tafeln, die ein Fundus aus früheren Tagen ist, als die Sauna tatsächlich noch eine leicht verruchte Schwitzbude am Rande des Praters war. Leider wollte der Schöpfer nun nicht mehr aufgiessen, denn das wohl legendärste Clubprojekt Wiens seit der Gründung des Flex wird sehr bald Geschichte sein. Es waren nicht unbedingt nur düstere Vorahnungen, die mich beschlichen, als ich an dieser Stelle vor einigen Wochen den Artikel über die Clubschließungen schrieb, man wusste ja im Vorfeld schon so einiges.

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2008, der Wurstsalon-Hype war gerade auf ihrem Höhepunkt (das waren die unregelmässigen Partys, durch die Hennes und Stefan wienweite Berühmheit erlangten, wer erinnert sich nicht an die aufgeklebten Wurstblattln am Flex-Klo) entdeckten die beiden Partygurus die alte durchgerockte Bude am Rande der zivilisierten Welt. Es war eine unfassbar geile Location, die all die Jagerhofers und Riebenbauers wohl am Beginn des Clubbingkults nicht entdeckt haben. Verwucherter Garten, Pool, viele Floormöglichkeiten, Artspace, Sauna und vor allem: keine Nachbarn.

Dort fand ein zweitägiges Wurstsalon-Projekt statt, das nach einem Tag von der Polizei abgedreht wurde, doch die Liebe befiel die beiden so sehr, dass sie alsbald bei den Besitzern der Liegenschaft vorsprachen und sie überzeugen konnten, dort einen Club hinein bauen zu dürfen. 2009 war es dann so weit. Alleine die witzigen Wurstsalon-Events an immer wilderen Locations mit immer unkonventionelleren Werbemethoden hatten den beiden sympathischen Spaßvögeln eine dermaßen große Bekanntheit gebracht, dass der Hype um die Pratersauna—der Name des Ladens wurde bei der Übernahme nicht geändert—schon vor der Eröffnung ungeahnte Ausmaße annahm. Es war völlig egal, wem genau das Objekt gehörte, denn würde man immer danach gehen, dann hätte es die Meierei 12 Jahre früher auch nie geben dürfen.

In jedem Fall ging es nie um Politik, es ging einfach darum, einer verwitterten Schönheit neues Leben einzuhauchen. Mag sein, dass man das mit einer Portion abgeklärtem Selbstbewusstsein den Zweiflern hätte entgegenhalten können, ohne banal zu wirken. Schweigen war vielleicht in dem Fall nur die zweitbeste Lösung. Und als es dann im Sommer 2009 losging, stürmte die Stadt den Club—zum Leidwesen der anderen, aber das ist ja immer so. Just in jene Zeit fiel der Rachefeldzug von Ursula Stenzel und die Sperrstundenproblematik des Flex. Beides half mit, der Pratersauna den Hype zu geben, den sie dann bekam. Und dann kam auch aus dieser Ecke Hilfe. Unvergesslich wohl das Video „Ursula Stress ned“, das in der Sauna ihren Ursprung nahm und ein Ende der Sperrstunde 4:00 Uhr bedeutete.

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Die CI der Sauna, die Grafik und das optische Auftreten sowie die Facebook-Promo waren in jedem Fall erste Sahne. Nicht umsonst wurde der Club gleich drei Mal die Nummer 2 im De:Bug-Rankinggleich hinter dem Berghain. Österreich war wieder wer. „Wir sind Pratersauna“ hätte die BILD getitelt. Programmatisch war es damals wie heute eine Mixtur aus Eigenveranstaltungen (Aufguss) und Fremdpartys. Hierzu kam die damalige Creme de la Creme der Clubs und Promoter in die Waldsteingartenstraße. Wer hat sich eigentlich jemals genau mit diesen Angaben dorthin per Taxi chauffieren lassen? Es hieß doch bloß: „Zur Sauna“. Icke Micke-Gott hab es selig. E-Nix, Club Pompadour, Sturm und Drang, Hart aber herzlich, Praterei, Strom Club und wie sie alle hießen bauten sich dort ihre Namen auf, kamen und gingen, wurden abgeworben oder ließen sich abwerben—auch das hat nicht immer jedem Freude bereitet (siehe Camera oder Fluc). Elektronische Musik mit Schwerpunkt House und Techno, aber durchaus auch Ausflüge zum HipHop, Drum'n'Bass oder Trance bildete den Kern des Bookings, auf das Stefan Hiess aka Friedrich Locke achtete wie auf seinen Augapfel und seinen Hund Fifty.

Es folgte der stetige Um- und Ausbau. Zuerst gab es ja nur den Mainfloor und das Glashaus. Der Bunker folgte erst ein Jahr später. Sowie die Idee, auch im Freien zu feiern oder die Idee, einfach immer zu feiern und nie aufzuhören. Räume gab es ja genug—selbst wenn die Geschichte „offiziell“ vorbei war. Und das alles für faire Getränke- und Eintrittspreise—man bekam immerhin etwas geboten. Auch die kleine „Zwangspause“ wegen des Lüftungsneueinbaus half eher als sie schadete. Und weil alle das legendäre, selbst im Amazonas bekannte Büro mal von innen sehen wollten gab es dort auch einmal kurzerhand einen Floor mit DJs und so vielen Menschen, wie sonst nur am Mainfloor bei Verkehrte Welt.

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Dazu kamen ambitionierte Projekte wie das Prater Unser. Anfangs war das ein echt tolles Festival im Prater mit Fluc und Planetarium als Partnern plus Offlocations, das aber im Laufe der Zeit vielleicht zu sehr zur Sauna-Soloshow mutierte. Aber die Sauna konnte sich zeigen lassen: Ein Magazin (Dampf), diverse Ausstellungen und Kunstprojekte, innovative feine musikalische Eigenbookings, ein erstmals über die Jahre hin professionelles Securityteam, das stets entspannt wirkte (Ausnahmen mögen auch hier die Regel bestätigen, zumindest wurde nach Vorfällen immer reagiert) und zuletzt die Entdeckung am Festivalhimmel: Die Gründung des Lighthouse Festivals nahe Porec—wohl eines der schönsten und chilligsten Festivals in Europa, bei dem auch Natur und Strand eine große Rolle spielten. Techno hin oder her. Doch es waren viele viele große Namen und Geheimtipps unter den DJs und Künstler, die in der Pratersauna tolle Abende verbrachten und die auch erstmals in Wien auftraten.

Ja, nun mögen viele sagen, in der Sauna ging es in den letzten Jahren nicht immer nur um die Musik. Vielen waren die Soundsysteme zu „durchschnittlich“ (waren sie vielleicht auch). Die Visuals waren ob der 360 Grad-Funktion ihrer Zeit voraus, funktionierten aber auch nicht immer so, wie sie auf den Hochglanzpics aussahen. Manchmal dauerte es etwas lange, bis man drinnen war. Man verzieh aber schnell, wenn der Abend gut war. Man konnte sich zwischenmenschlich schnell erwärmen—in den Nischen und Zwischenräumen, auf der Wiese, im Pool, am Dach, in der (echten) Sauna, im Becken oder ganz spät dann draußen beim Max, dem Würstelstandbetreiber—auch ein Sideprojekt, das sich äußerster Beliebtheit erfreute. Vor allem, wenn man in den edlen Kreis der Nagler aufgenommen wurde. (Drinnen versteht sich.)

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Natürlich gelang nicht alles, nicht alles löste Begeisterungsstürme aus. So mögen viele den überdimensionalen Zustrom an jungen Menschen bekritteln, auch mögen viele sogenannte Hipster die Sauna bald als ihre Lieblingshütte auserkoren haben. Die Sauna, wo man ab und an auch schon mal fünf Stunden mit einer Bierdose in der Wiese hocken konnte und damit manch älteres Semester abgeschreckt hatte. Auch ging das Projekt Nachtschwimmer nicht immer so auf wie erwünscht. So spielten beispielsweise Seth Troxler oder Solomun vor bei weitem nicht ausverkauftem Haus, obwohl dies noch ein Jahr zuvor anders war und man manche Superheadliner vergebens am Line Up suchte. Selbst in den mega gehypten Anfangstagen—das fand ich gut, andere nicht. Doch die letzen Jahre waren nicht einfach, die Konkurrenz nahm stetig zu und es klang ein wenig melancholisch in den letzten Tagen: Es wurden in den letzten sieben Jahren alle Phasen durchgemacht und wahrscheinlich wurden auch viele Phasen des Nachtlebens durch die Pratersauna beeinflusst. Die aktuelle Phase würde ich—kurz auf den Punkt gebracht—als die des „zu großen Angebots“ beschreiben. Eine tiefgehende Antwort dazu, warum das nun so kam, kann man in drei Sätzen nicht geben—wurde an dieser Stelle aber auch schon versucht.

„Unsere persönliche subjektive Meinung ist, dass es schon mal mehr Spaß gemacht hat, in Wien wegzugehen. Neben uns hören auch noch andere Clubs und Promoter auf, es wird sich zeigen, ob sich ein Vakuum bildet und wer dieses füllen kann und will. Die guten alten Zeiten rund um 2007/2008, in denen ein Icke Micke oder unser Wurstsalon frischen Wind in die Wiener Clubszene gebracht haben, sind vorbei. Der deutsche „Studenten-Hype“ der letzten Jahre scheint auch verpufft zu sein. Ich glaube die Tendenz geht aktuell wieder zu den kleinen, guten, kompakten Partys. Wer weiß, vielleicht juckt es uns und wir spielen in absehbarer Zeit wieder mit ;-)“—so ein kurzes Statement der Saunamacher zum Ende. Viel wollen sie ja nicht mehr dazu sagen.

Und nun? Was soll nun passieren? Es war klar, dass nach der Übernahme und Hochglanzpolierung des abgeranzten Club Lifestyle durch Martin Ho und dessen Umwandlung ins hippe VIE i PEE der Pächter des kleinen Bruders nebenan auch die große Schwester heiraten will. Durchaus verständlich und legitim. Es war auch klar, dass die Hütte nun einen neuen Anstrich braucht. Ich habe auch größten Respekt vor der Leistung von Martin Ho und seinem kleinen Gastroimperium (Dots, X, VIE i PEE). Ob er nun aus dem Kultobjekt Pratersauna nach dessen Umbau—und um den geht es ja—ein einigermaßen adäquates Folgeprodukt machen kann, wissen die Götter. Die, vor einigen Wochen in kurzen Sätzen verratenen Pläne deuten jedenfalls darauf hin, dass der verruchte, leicht durchgerockte und morbide Charme der Sauna mit Ende Jänner wohl endgültig Schnee von gestern sein wird: „Bitte nicht!“ entkommt es mir da, „nur keine zweite Meierei.“ Damals wurde aus Wiens heißester Location ein 4-Hauben-Restaurant. Man möge Profit nicht immer mit Prestigegewinn verwechseln, es könnte auch anders gehen. Meine Hoffnung stirbt jedenfalls zuletzt. Bis es soweit ist, sich darüber Gedanken zu machen, wie die Sauna 2.0 aussehen wird, sterben aber noch einige Gehirnzellen auf den Abschlusspartys. Und am Ende werden es wohl auch ein paar Tränen sein, die in den letzen 5 Uhr Tee plumpsen.

Anmerkung: Das Lighthouse Festival, das Neben- und Folgeprojekt der bisherigen Pratersaunabetreiber, geht heute in die dritte Phase des Vorverkaufs. Hier gibt's alle Infos. Und man sollte sich beeilen.

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