Capo im Interview: Jeder im HipHop weiß, dass wir krass sind

Fotocredit: Christoph Spanger.

Wenn Musiker einen radikalen Umschwung vollziehen, dann geht das meistens nicht ohne viele Tränen bei der (ehemaligen) Anhängerschaft von Statten. Genau das passiert gerade bei Capo. Der solle lieber wieder den Richter ficken, als sich am Pool mit halbnackten Chayas zu sonnen, heißt es im Internet. Natürlich ist so ein Style-Wechsel von alter Gangsterrap-Schule zum Playboy-Rap nicht so leicht zu erklären. Aber im Grunde ist es für den kleinen Bruder von Haftbefehl der richtige Schritt. Die Azzlackz haben mit ihrem Humor und ihrer eigenen Sprache nie die klassische Straßenschiene gefahren, ein ausschließlich wütender Mutterficker passt da einfach nicht rein. Abgesehen davon, dass Capo das selbst nicht mehr ist.

Dass das neue Konzept funktioniert und es nicht zu klebrig klingt, wird sein Album Hallo Monaco zeigen. Und Capo hat nichts dem Zufall überlassen. Mit den Bounce Brothas und Abaz verschanzte er sich monatelang in einem Offenbacher Studio, bastelte an einem sehr amerikanisch klingenden Sound und holte sich prominente Unterstützung durch Popstars wie Chima oder Cro an Bord. Die Sache wird ernst genommen. Dass diese Form des Hedonismus-Raps auch hierzulande funktionieren kann, hat bereits Kay One bewiesen. Ob das bei Capo auch klappen kann, werden wir spätestens am 4. Oktober wissen, wenn Hallo Monaco erscheint.

Wir haben ihn vorher zum Interview getroffen und über die Anzahl seiner Sexpartnerinnen, amerikanischen Clubsound und das Leben als Musiker gesprochen.

YNTHT: Lass uns über „Sommerzeit" reden. Ich glaube, der Song hat nicht die besten Reaktionen hervorgerufen.
Capo: Ich bereue es auch ein bisschen, dass ich den rausgehauen habe.

Wieso? Weil du zu sehr auf die Kacke gehauen hast?
Was heißt „zu sehr auf die Kacke gehauen". Das war einfach zu krass für Deutschrap, das passte nicht.

Dein Bruder hat ja auch gesagt, dass er bei Kanackis übertrieben hat und sich beim letzten Album auch etwas beruhigt hat. Willst du dich jetzt auch etwas zurücknehmen?
Es war einfach auch musikalisch ein zu großer Unterschied. Vorher hatte ich irgendwelche Mütter beleidigt, und auf einmal dachten die Leute, dass ich auf bunten Pillen bin. Die Leute waren überfordert.

Sorry, aber das muss ich dich fragen: Wie viele Frauen hattest du schon?
(lacht) Diese Frage darf ich eigentlich gar nicht beantworten.

(Sein Manager aus dem Hintergrund): Kannst du sie überhaupt beantworten?

Capo: Ich könnte jetzt eine Schätzung abgeben. Aber das kann ich nicht machen.

Sag doch mal.
Ne, Mann. Nicht wenn das Diktiergerät läuft. Unter uns? Ok, unter uns. … Na dann. Ist denn der Wechsel deines Styles dadurch gekommen, dass du Erfolg bei den Frauen genossen hast?
Nee, eigentlich gar nicht. Mit Frauen hatte ich nie Probleme. Ich mache die Musik, die ich jetzt mache deswegen, weil ich so etwas privat auch feiere. Zum Beispiel bei den Clubliedern—ich bin ein leidenschaftlicher Clubgänger und trinke dann auch mal eine Flasche. Ich erzähle einfach die Filme, die ich erlebe und ich übertreibe nicht. Ich habe einige Jahre meines Lebens verfeiert, aber jetzt habe ich auch endlich einen Grund feiern zu gehen.

Aber was sagst du den Fans, die den harten Capo zurückhaben wollen?
Ich bin ja jetzt kein R'n'B- oder Schlager-Sänger geworden. Die Musikrichtung, die ich mache, ist einfach nur populärer geworden. Die können sich das immer noch anhören. An die Fans von früher kann man nicht viel sagen, entweder feiern die das oder nicht.

Ist dir das dann egal, wenn sie dich nicht mehr feiern?
Dann soll es so sein. Ich kann mich nicht den Leuten anpassen und in fünf Teile teilen, dann etwas für die alten Fans zu machen und etwas für die neuen, die dazukommen. Ich glaube, dass sich da eine ganz neue Base bildet. Das wird auf jeden Fall ganz merkwürdige Schichten ansprechen.

Was meinst du genau?
Man kann einfach nicht genau sagen, wen es ansprechen wird. Mein Bruder macht eigentlich Musik nur für die Straße, aber irgendwie ist es dazu tendiert, dass es kommerziell erfolgreich wurde. Die Leute verstehen jetzt endlich nach drei, vier Jahren den Trick, dass ein Rapper, der harten Straßenrap macht, auch sehr viel Humor haben kann.

Verspürst du eigentlich nach dem Erfolg von Haftbefehl, Celo und Abdi und Veysel einen Druck, auch erfolgreich zu sein. Du bist immerhin der Letzte, der jetzt sein Album veröffentlicht.
Ich hätte ja schon letztes Jahr etwas veröffentlichen können, ich hatte schon was fertig, habe es dann aber wieder verworfen. Druck verspüre ich also gar nicht, sonst hätte ich ein Album ja früher rausgehauen.

Ist es für dich schwierig, aus dem Schatten deines Bruders herauszutreten und dich als eigenständiger Künstler zu etablieren?
Schwieriger wäre es für mich gewesen, wenn ich die Musik weitergemacht hätte, die ich vorher gemacht habe. Mit diesem Album habe ich eine eigene Brandmarke geschaffen. Ich habe jetzt auch ein eigenes Label gegründet.

Echt?
Es heißt Hit-Monks und ich habe auch schon ein Signing, das ich bald bekannt gebe.

Ist das wie bei Celo und Abdi, die zwar über Azzlackz veröffentlichen, aber unter ihrem Label 385ideal Künstler unter Vertrag nehmen?
Bei mir ist es so, dass ich Künstler signen werde, die auch eine ganz andere Musik machen.

Willst du mit dem Label also auf die Clubschiene gehen?
Die Clubschiene ist da nur eine Facette von vielen, aber klar, das werde ich auch weiterverfolgen. Ich feiere Clubsound und ich glaube, ich bin einer der Ersten, der es richtig macht auf Deutsch. Viele versuchen es vergeblich in die Clubs zu kommen, aber schaffen es nicht. Ich habe es mit den Produzenten richtig umgesetzt.

Habt ihr bei der Produktion des Albums nach Amerika geschielt? Der Sound klingt ziemlich amerikanisch.
Das stimmt. Aber wir haben uns jetzt nicht nach Songs oder Künstlern orientiert. Amerikanisch klingt man erst dann, wenn die Songs komplett ausproduziert sind, hier ist das meistens nicht der Fall. Ich war von Anfang an in den Prozessen involviert und wir haben die Songs zusammen aufgebaut.

Du scheinst eine neue Arbeitseinstellung an den Tag gelegt zu haben.
Vorher hatte ich nichts mit dem Künstlerleben zu tun, ich lebe erst jetzt wie ein Künstler. Jetzt setze ich mich morgens ins Studio und gehe nachts erst nach Hause. Ich weiß erst heute, was es wirklich bedeutet, Musik zu machen.

Hast du das Gefühl, dass ihr Azzlackz musikalisch unterschätzt werdet?
Die Leute lachen bei unserer Musik, weil wir es humorvoll rüberbringen, aber unbewusst bleiben alle auf der Musik kleben. Wir werden sehr unterschätzt, aber jeder, der HipHop versteht, weiß, dass wir krass sind.

Woher kommt denn für dich dieses Gespür für Musikalität?
Bei mir und meinem Bruder ist es so, original dieser Film: Wir sitzen hacke in einem Zimmer, von zwei Uhr morgens bis elf Uhr, rauchen drei Packungen Zigaretten und flashen auf einen Song ab. Weil wir das leben. Andere setzen sich das auf, die sagen, die wollen so klingen wie etwas. Aber wir wollen so wie wir klingen. Genauso bei Celo und Abdi. Abdi ist ein Mensch, der einfach so sein Leben lebt. Dann schreibt er einen Song und du kannst nicht glauben, dass er den geschrieben hat. Celo ist der größte Chiller, er sitzt da, raucht sein Haze und chillt sein Leben, aber wenn es um Musik geht—der Junge ist sein Leben lang in dieser Musik drin. Man muss es einfach im Blut haben.

Hallo Monaco erscheint am 4. Oktober bei Hitmonks (Groove Attack), bestellt es euch bei Amazon oder iTunes.

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