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Rudis Brille

Das Ende einer Ära: Der Club Manager des Volksgarten hört nach 22 Jahren auf

22 Jahre lang war Kaveh Ahi Club Manager des Volksgarten und hat ihn zu dem Club gemacht, der er heute ist. Nun hat er bekannt gegeben, dass er aufhört.

„Es ist alles sehr kompliziert“ sagte einmal Fred Sinowatz, Österreichs belächelter Bundeskanzler in den Achtzigern. Das scheint es auch in Wiens legendärer Diskothek Volksgarten zu sein. Denn letzte Woche gab Kaveh Ahi, der Club Manager des Volksgarten, nach 22 Jahren(!!) seinen—für Außenstehende offensichtlich doch überraschenden—Abschied bekannt. Nun, ich wollte logischerweise mehr wissen und habe nachgebohrt, doch leider wollte Kaveh nach einigem hin und her nun doch keinen Kommentar zu seinem Abgang und den Hintergründen abgeben. Er wolle erst zu einem späteren Zeitpunkt—dann vielleicht auch ausführlicher—Stellung dazu nehmen.

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Schade, ich hatte gehofft, mehr zu erfahren. Somit blieb natürlich Raum für Spekulationen, doch dem will ich hier keinen Platz geben. Viel mehr soll hier auch gewürdigt werden, was Kaveh in den letzten Jahren mit seinem Team geschafft hat: nämlich den Volksgarten durchaus zu entschicken und—zumindest an einigen Tagen (samstags)—zu einer Anlaufstelle für alle werden zu lassen. Auch wenn vielleicht immer noch das Klischee herumgeistert, dass man als Bettelstudent dort nichts zu suchen habe und das auch ab und an genüsslich nährt. Klar, so ein pompöses Gebäude mit all seinen Nebenräumen war, wird und muss auch nie eine reine Undergroundlocation sein. Gelegen inmitten der Stadt, im Burggarten, hat er auch ein bisschen eine repräsentative Aufgabe. Wien-Touristen werden gerne als erstes einmal dorthin geschickt.

Foto: Isabella Khom

Viele Firmen und Berufsstände (Juristen) feiern dort ebenso, wie auch das österreichische Nationalteam nach der Qualifikation. Dass man hier immer wieder sanfte Relaunches machen muss, ist klar. Ich finde, dass diese in den letzten Jahren durchaus zum Wohl der ältesten Disco Österreichs gelungen sind.

Rückblick 90er Jahre: Damals war Wien noch streng getrennt in schön und schirch, reich und arm. Der Volksgarten hatte nach dem Ende der Soul Seduction in den Mittneunzigern sehr stark mit dem Image der Plüschdisco zu kämpfen. Das U4 war gerade auf seinem Höhepunkt (dank Hype und Heaven) und auch das Mekka (ehemalige Bar Italia) räumte ordentlich ab. Da machte sich eine Gruppe junger Veranstalter rund um Peter Czermak, der uns leider viel zu früh verlassen hat, und eben Kaveh auf, dem Volksgarten Leben zurückzugeben, indem man just diese schrille und schicke Szene an den Ring lotste. Alles begann 1994 mit Excentric, 1995 folgte dann das legendäre Sodom & Gomorrha, das dann in Kinky Disco und ab 2000 in den Garden Club mündete. In einem Artikel in einer älteren Ausgabe des Fleischmagazins, fand ich folgenden Spruch:

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„In den Neunzigern kehrte die Wiener Szene noch einmal dorthin zurück, wo sie ein Jahrhundert zuvor groß gewesen war: im fulminanten Untergang einer Ära. Zwischen Clubbingexzessen, Drag Queen-Hofhaltung, Helmut Lang und einem eigenwilligen Umgang mit dem grassierenden Aids-Tod fand die Stadt noch einmal ganz zu sich und machte aus dem 20. Jahrhundert a scheene Leich. Erinnerungen an das letzte Wiener Fin de Siècle. „

Damals hieß es noch Clubbings versus Underground-Raves. Wien war eine der Musikhauptstädte Europas—eine Tatsache, von der wir heute wohl nur noch träumen dürfen. Damals schaffte es das wilde Team rund um Kaveh, den Volksgarten mit leicht modifizierten Konzepten, viel Glammer, Glitzer, Nacktheit, Drag und schwulem Kernpublikum in einen nie erahnten Höhenflug zu hieven. Ich war damals tatsächlich nur Zaungast, staunte ob dem wilden Treiben (in jeder Ecke sei gefickt worden damals, sagte Kaveh in jenem besagten Fleischartikel. Das habe ich nicht überprüft). Für einen wie mich war das damals nichts, aber es war was. Da strömen die Schönen und Berühmten der Stadt rein, die Hütte platzte aus allen Nähten und klarerweise mussten auch viele draußen bleiben.

Als auch noch das Mekka schloss und die große Zeit der Clubbings ihrem Ende entgegensteuerte, gab es ohnehin kaum noch Konkurrenz am schicken Parkett. Damals standen berüchtigte Szenehenker vor der Tür, die auch später noch Raum für schlechte Nachrede finden sollten—etwa „Big Alex“ oder „Der große Vladimir“. Turnschuhe waren damals out und Bettelstudenten sowieso. Ich weiß noch, dass die Getränkepreise ja schon in den Neunzigern so utopisch hoch waren, dass es eine gewisse Klientel ohnehin nie hin schaffte und so den Ruf der Disco auch—fast noch bis heute—prägte. Damals stieg Kaveh dann auch direkt in die Programmgestaltung des Voga mit ein, übernahm das Zepter seit damals und entlastete somit den Besitzer Michael Böhm.

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Kinky Disco und in der Folge Garden Club waren schicke Houseformate mit Ibizaschwerpunkt. Die Residents jener Zeit—wie beispielsweise der auch viel zu früh verstorbene Peter Rauhhofer—Peter Pan, Ronaldo, Waz oder Romeo, waren Stars ihrer Zeit. Und es gab ihn damals noch, diesen strikten Graben zwischen House hier und House dort (zum Beispiel Happy). Man könnte durchaus behaupten, auch das Kernteam des Life Balls fand sich dort zusammen. Der wunderschöne Garten wurde auch stets mit eingebunden, wenn auch weit weniger als heute.

Irgendwann änderte sich aber auch hier die Kernschicht. Die „guten“ Leute (ein Begriff, den Kinky-Macher Alex Donczes prägte und der mir noch heute wabernd als Sinnbild der Zweiklassengesellschaft vorschwebt) blieben aus und es kam ein Publikum nach, bei dem Muskelkraft Hirnschmalz weitaus überstrahlte. Dazu eröffneten in Wien der Reihe nach neue Clubs. Der House des Voga wirkte mit den Jahren irgendwie ein bisschen zu kommerziell und vocalgeschwängert. Man entschloss sich zum ersten Relaunch: Die legendären Plüschecken wurden entfernt und das DJ Pult von der Seite nach vorne gegeben. Ich würde meinen, der erste Umbau 2001 war sicher ein Mitgrund, warum es in den Jahren danach nicht mehr ganz so rund lief. Die Freitage waren ja seit jeher dem Thema HipHop und R'n'B gewidmet—ebenfalls ein Erfolgsgarant.

Allerdings auch nicht immer nur mit friedfertiger Crowd. Zwischen 2001 und dem zweiten Umbau 2011 hatte der Voga durchaus auch mit anderen Mitkonkurrenten zu kämpfen, in denen man günstiger trinken und mitunter auch freshere Musik hören konnte: Meierei, Flex, Pratersauna, Sass und Co wühlten die Szene ordentlich auf, obwohl Wiens Weltruf langsam im Kaffee ertrank. Dazu kam auch die Passage, anfangs als Mitanbieter am schicken Sektor. Doch auch hier übernahm bald das Sonnenstudio das Ruder. Damals versuchte man vieles, selbst Sven Väth legte einmal auf. Richie Hawtin übrigens auch im Jahr 2001 (Sequence Festival)—dass das funktionierte, hat Kaveh möglich gemacht, der zwischenzeitlich Stammgast in der Meierei war.

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Doch der Voga und Kaveh waren trotz kleiner Krisen nicht unterzukriegen und ab 2011, nach dem zweiten Umbau, ging es wirklich steil bergauf. Man schloss die Lücke zwischen „Underground“ und der etwas schickeren Szene erfolgreich, wie ich meinen möchte. Man musste ja nicht jeden Tag hingehen, ich zum Beispiel hab am Freitag dort nichts verloren, doch das Ding läuft wie geschmiert. Das Get Whipped am Samstag mag vielleicht nicht mehr den Glanz der 90er haben, aber das haben andere Dinge auch nicht, man muss nicht immer der Vergangenheit nachweinen, die Zukunft wird dann noch trauriger—es ist immer noch ein sehr gut gefüllter Club mit Anspruch, auch wenn das einige nicht so sehen mögen.

Mit Kaveh konnte man streiten, dann war wieder alles gut. Eine kleine Portion Grundpräpotenz brauchte es freilich, um „Vorstandsvorsitzender“ im Voga zu sein (hinter Besitzer Michael Böhm). Doch spätestens wenn er zum Mikrophon griff und den MC machte, waren alle Vorurteile hinten angestellt. Wenn man also so will—für die Nichtkenner—dann hat der Mann seit über 20 Jahren das Programm des Vogas gemanaget, samt dem Booking und den koordinativen Dingen—das ging natürlich nur mit einem Team. Der Voga ist ein Club, auf den man sich samstags immer einigen kann, es gab ständig neue Ideen, neue „Sub“-Clubs (GangPeng zum Beispiel) und im Sommer mit dem Garten und den legendären Sonnenaufgängen ist das sowieso fast schon kitschig (vor allem, wenn Life Ball auch noch ist). Die Events wurden seit Jahren von Kaveh mit seinem Partner Ali Pasha und einem jungen, freundlichen Team organisiert. Klar wird es immer Leute geben, die den Voga prinzipiell ablehnen, es gibt aber auch Leute, die nie in die Sauna gingen, nie ins Flex oder nie sonst wohin gingen.

Nun also, ein Rücktritt, was und warum genau, bleibt vorerst im Dunklen. Kaveh Ahi schweigt vorerst und wird mal eine zeitlang seinem Wohnzimmer fern bleiben—mehr war aus ihm nicht herauszubekommen. Sicher ist, dass die Firma weiterhin besteht und Ali Pasha und das Team weiter für das Programm verantwortlich sein werden, das wurde mir kurz und bünidg bestätigt.

Was Ali Pasha selbst dazu zu sagen hat, hier kurz zusammengefasst. Auf die Frage, ob alles beim Alten bleibt oder ob man sich Änderungen erwarten kann, meinte Ali: „Ich werde dafür Sorge tragen, dass alles beim Alten bleibt und auch alles anders wird! Nein, jetzt mal im Ernst. Kavehs Abgang ist kein Grund, um gleich unsere Programmierung zu ändern. Alle Entscheidungen wurden zusammen getroffen. Deswegen läuft es. Dennoch würden wir uns freuen, das Publikum hier und da überraschen zu dürfen. Seit vier Jahren übernimmt das „Volksgarten Management Office“ die Terminplanung—das wird auch weiterhin so bleiben. Es wird jetzt auch sicher keine radikale Neuerfindung stattfinden. Kleine Änderungen gab es ohnehin immer.“

Und auf die letzte Frage von mir, ob er, Ali Pasha, noch etwas sagen wolle, antwortete er: „Ja! Der kleine Hase sollte ins Bett gehen, aber er hielt sich noch ganz fest an den langen Ohren des großen Hasen. Der kleine Hase wollte nämlich ganz sicher sein, dass der große Hase ihm auch gut zuhörte: ‚Rate mal, wie lieb ich dich habe‘.“

Dem ist nichts weiter hinzuzufügen. Fortsetzung folgt!