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Rudis Brille

Rudis Brille: 20 Jahre Techno Cafe—Vom DJ Workshop zum Afterworkclub

Damals vereinten zwei findige Girls namens "Sarah und Sally" die ganze Wiener Technoszene an einem Dienstag.

Foto: Screenshot Youtube

Das Jahr 1996. Ich war noch Veranstalter im Bricks, da eröffnete im ranzigen Josefstädter "Eventlokal" Scheffel ein Club, der mittlerweile Geschichte schreibt—denn kaum eine Eventreihe mit dem Schwerpunkt "Elektronische Musik" hat es geschafft, die 20 Jahre-Marke in Wien zu knacken.

Damals befanden zwei findige und gut vernetzte Girls namens "Sarah und Sally" das Scheffel als geeignet, um dort die bescheiden aufgestellte Wiener Technoszene an einem Dienstag zu vereinen. Das Ganze fand in einer Zeit statt, in der es noch kein Facebook, Twitter und Snapchat gab, noch in Schilling bezahlt wurde und wir noch eine stabile Mehrheit links vor blau hatten. Der Laden war alles andere als großartig, aber das waren die Läden jener Zeit alle nicht. Das Ding explodierte förmlich und mangels Alternativen am Wochenende fanden sich hunderte technoaffine Menschen dort ein, um—räusper—mitzuschunkeln. Denn bei dem Soundsytem war richtiges Tanzen schwer möglich.

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Das LineUp von damals liest sich heute wie ein Ausflug in längst vergangene Zeiten: Dan Lodig, Tina 303, Glow, Tankred, Wass, Del Campo, Jeremiah, aber auch einige bekannte Namen wie Pulsinger und Tunakan, Slack Hippy, Electric Indigo oder Gollini fanden sich darunter. Als das Ding zu erfolgreich wurde, ging auch im Scheffel nichts mehr und man fand schon im Jahr darauf im Volksgarten seine Heimat—bis heute. Der Pavillon sollte dem Techno Cafe bis heute jeden Sommer-Dienstag Heimat werden.

Am Anfang wurde sogar noch einige Jahre durchgefeiert—man wich im Winter kurzerhand in die Banane aus. Heute heißt das Ding ja opulent Säulenhalle—es war jedoch schnell eine Priorität des Publikums, zu den wärmeren Monaten zu erkennen und so blieb es seit der der Jahrtausendwende Wiens beliebtester Sommer-Dienstags-Chillout.

Ich selbst war anfangs gerne Gast im Techno Cafe, es war ein Meet and Greet der damaligen—überschaubaren—Szene. Man traf sich dienstags, trank sich einen weg und ließ als Bummelstudent von Welt den Mittwoch einfach ausfallen. Der Sound im Pavillon war in jener Zeit abartig schlecht. Es war egal, es ging nicht um Power, sondern um das Zusammensein mit Freunden. Als ich 2001 das Crazy gegründet habe—mittlerweile seit 2012 nur mehr selten dienstags—waren mir die beiden Ladies etwas gram. Es sei doch "ihr Tag". Doch es gab in den goldenen Zeiten kaum etwas Schöneres, als zuerst im Pavillon vorzuglühen und dann noch ins Flex weiterzuziehen. Dennoch herrschte seither ein seltsames Konkurrenzverhältnis, das so nie hätte sein müssen.

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Man darf straffrei behaupten, dass der Erfolg des Techno Cafes nicht auf musikalischer Akribie oder sonstigen Wahnsinnswerbetools aufgebaut war, sondern weil es das schon immer gab—schon "ewig". Es wurde quasi "Volksbrauchtum", schon der Papa war da, nun gehen auch die Kinder hin. Und das kann man würdigen, ohne bissig zu sein. Die Anzahl der Paare, die sich dort gefunden haben, dürfte unendlich sein. Klar, es fragten sich viele in den Jahren, warum der Pavillon bei genau dem selben schlechten Sound (ich meine natürlichnicht die DJs, sondern die Anlage) nur am Dienstag mit Eintritt bummvoll zu bekommen ist, warum die Schlange Wartender nach einigen durchwachsenen Jahren in der letzten Zeit wieder bis zum Ring anwuchs, doch es ist und bleibt ein Erfolgezept, das wohl auch der—nun mehr alleine übrig gebliebenen—Veranstalterin Sandra Kendl zuzuschreiben ist. Ihre Partnerin Sally verflüchtigte sich ja schon vor langer Zeit ins Privatleben.

Und auch viele DJs haben das getan, doch sind es immer noch Namen, die einst elektronische Geschichte geschrieben haben, die heute noch das Kernstücks des LineUps ausmachen—mit leichter Öffnung an die Moderne. Klar hat Sarah Fritz, wie Sandra lange Zeit genannt wurde, viele Jahre in Berlin gelebt, ein großartiges Netzwerk aufgebaut, bei Booking Agencies gearbeitet, doch das Kernstück ihrer Arbeit blieb der Club im Sommer.

Als ich einmal behauptete, Techno spiele nur mehr eine untergeordnete Rolle, erntete ich Facebookgelösche. Ich behaupte trotzdem, dass die Zeit, in der das Techno Cafe—soviel ich weiss eine Schutzmarke—Großes zur musikalischen Sozialisation in Wien beitrug, mindestens 15 Jahre zurückliegt. Einige Jahre war dies in jedem Fall unbestritten. Heute ist es einfach ein netter Hangout im Sommer, die Szene von einst ist in Würde oder Unwürde gealtert. Techno hat heute 1.000 Namen, die DJ-Heroen von einst spielen zum Teil den einzigen Gig des Jahres dort und wenn sie Glück haben bei brechend vollem Haus, das nun fast schon zum Eventpark umgemodelt wurde—vom Grill bis zur feinen Cocktalbar. Man triff sich da, um zu socializen, die Musk bietet angenehmes Hintergrundgesumse—ähnlich den Sommergeräuschen des Waldes.

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Aber es zu schaffen, den Namen, die Marke aufzubauen und so zu erhalten, dass sie nach meiner mutigen Prophezeiung noch weitere 20 Jahre bestehen bleiben könnte, dafür gebührt Respekt. Afterwork-Clubs hatten in Wien stets ein kurzes Leben. Sie landeten alsbald in Hotellounges oder verschwanden ganz. Das Techno Cafe ist wie geschaffen dafür, denn es lebt nicht von der Nacht, sondern vom Gedämmer. Gestresste Manager können nun behaupten sie wüssten, was Techno sein könnte, junge Nachkömmler können die teils noch vinylaffinen DJs bewundernd nach der Trackauswahl fragen. Tanzen ab spät im kleinen Pavillon ist schon Legende. Ist das Wetter gut—Lottosechser. Ist es schlecht—macht es auch nichts.

Die ältere Partycrowd verweigert in Wien ja vehement die Clubs—im Techno Cafe gibt es aber noch so etwas wie Nostalgie, ein Hauch der guten alten Zeit, als es noch kommerzfreie Großraves, kaum Clubs und schlechte Anlagen gab. Also auch keine guten alten Zeiten, aber sie werden verklärt. Gesichter mit Charakter wie der legendäre "Rainer" und andere verleihen dem Club zusätzlichen Charme.

Heuer also 20 Jahre Bestehen. Konkurrenz gibt es keine, auch weil Wochentage clubfeindlich geworden sind. Man darf Glückwünsche aussprechen, früh kommen lohnt sich—die Schlange ist im Sommer unerbittlich. Beginn diesen Dienstag—technocafe.at.

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