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Zürich kann nicht headbangen

Der Kinski Klub an der Langstrasse schliesst seine Tore und daran ist nicht (nur) der Bierpreis schuld.

Gestorben ist das Kinski zwar noch nicht, aber seine Todesanzeige ist bereits erschienen. Auf Facebook verkündete die Konzert- und Party-Location vor einer Woche, den Betrieb auf Anfang Januar einzustellen. Der Grund: „Ein Kleinclub mit Live-Konzerten auf Rockbasis rentiert einfach zu wenig“, so zitiert 20 Minuten Mitbetreiber Martin Stricker. Eine Grabrede, nicht nur auf das Lokal an der Langstrasse, sondern auf verzerrte Gitarren in Zürich per se.

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So richtig umhauen tut mich die Meldung aber nicht. Natürlich trifft es Stammkunden und Konzertgänger hart, wenn ein gemütlicher kleiner Club mit tollem Booking—und das alles ist beziehungsweise war das Kinski, danke Martin!—dicht macht. Als ich die Meldung aber zum ersten Mal gelesen habe, dachte ich auch: „Selber Schuld!“

Doch das ist falsch. An so ziemlich allem was man am Kinski aussetzen kann—disney'esken Asia-Chic, stolze Eintrittspreise, noch stolzere Bierpreise, programmierte Doppelbelegungen von frühem Konzert und anschliessender, nicht passender Party—sind nicht (nur) die Betreiber schuld. Der Kellerclub mitten in der Stadt, mit all den Makeln, die er haben mag, ist höchstens das Symptom. Der Erreger ist jemand anders: die geldgeile Trend-Nutte Zürich.

Nein, ich bin kein Zürich-Hasser, wirklich nicht. Ich mag die Bewohner dieser Stadt, ja beneide sie sogar hin und wieder für ihre lässige Überheblichkeit und den unerschütterlichen Glauben daran, dass sie mehr wert seien, als der Rest der Schweiz. Denn ein wenig haben sie ja recht: Zürich ist schneller als andere Schweizer Städte, ist urbaner und zieht die Jugend (nicht nur aus dem Aargau) und die Kreativen an. Die Meinungsmacher sitzen in dieser Stadt und bestimmen, was hip wird, wer hip ist, wo es hip bleibt. In Sachen Rockmusik jedoch spielt das keine Rolle. Als Metalhead bist du, liebes Zürich, mir scheissegal!

Wann gehe ich nach Zürich an ein Konzert? Wenn die Band dort spielt, die ich sehen will. Und wenn sie woanders spielt, im ISC in Bern, im Hirscheneck in Basel, im Coq d'Or in Olten oder im Gaswerk Winterthur oder im Bikini Test in La Chaux-de-Fonds, dann fahre ich dorthin. Ja, wenn ich wählen kann zwischen einem dieser Clubs und Zürich, dann entscheide ich mich gegen Downtown Switzerland. Wegen den Bierpreisen, wegen den Eintrittspreisen und wegen dem Gefühl, andernorts willkommen zu sein, mehr als nur ein Kunde, als ein Freund.

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Foto: Flickr | Staffan Vilcans | CC BY 2.0

Rock- und Metal-Fans, das sagen mittlerweile auch Umfragen, sind treue Seelen. Diese Treue jedoch gilt nicht einem bestimmten Lokal, sondern einzig und alleine dem Lärm, den sie lieben. Stammkneipe? Unbedingt! Das Kinski jedoch ist ein Club, verlangt Eintritt, und den zahlen Metalheads nur, wenn sie das Gefühl haben, dafür auch was zu bekommen. Ein DJ, der die Songs spielt, die ich zuhause auch auf Platte habe, reicht den meisten, auch mir, dafür nicht.

Ich glaube nicht, dass ein kleiner Rockschuppen mit Konzerten in Zürich per se zum Scheitern verurteilt ist. Die Hafenkneipe oder früher Die Alte Metzgerei, auf deren Trümmern das Kinski heute steht—was dem Ruf auch nicht gerade geholfen hat, immerhin war die „Metzg“ die letzte, dreckige Metal-Bastion in der Stadt—sind Beispiele dafür.

Was aber nicht funktioniert, was nie funktionieren wird, ist ein solcher Laden nach rein marktwirtschaftlichen Kriterien zu führen. Leute gehen in oder nach Zürich in den Ausgang, weil dort 1. die Leute sind, die sie sehen wollen. 2. weil auf vergleichsweise kleinem Raum ein grosses Angebot besteht, viel los ist und man lange feiern kann. Und 3. weil Zürich der „Shit“ ist.

Foto: Flickr | Sam Saunders | CC BY 2.0

Deswegen kann Zürich beziehungsweise seine Clubs auch 30 Stutz Eintritt für eine Party verlangen, beim Bierpreis an der 10er-Grenze kratzen und ohne mit der Wimper zu zucken selektionieren, wer wann wo reinkommt oder nicht. Mir als Rockfan kann das aber alles gestohlen bleiben. Natürlich will ich auch meine Freunde treffen, doch muss ich dafür nicht in den Club, sondern kann das, egal wo ich wohne, auch in der Bar um die Ecke. Sogar in Zürich, Beispiel: Mata Hari. Und will ich mit Leuten mit dem selben Musikgeschmack abhängen, dann fahre ich an ein Konzert, ganz egal wohin.

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„Ein Kleinclub mit Live-Konzerten auf Rockbasis rentiert einfach zu wenig“, so lautet die Begründung der Betreiber für das Ende des Kinski. Das kann und will ich gar nicht anzweifeln. Da bucht man drei Bands, organisiert einen Techniker, Übernachtungsplätze, Catering und am Ende kommen doch nur zwanzig Nasen—wir alle haben das schon erlebt und zwar mehr als einmal. Und trotzdem machen wir weiter, weil Headbangen wichtiger ist als Umsatz.

Das offizielle Statement des Klubs auf

Facebook

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Kleine Locations wie die Kaschemme in Basel, das neu eröffnete Oxil in Zofingen, der Sedel in Luzern oder meine bescheidene Kneipe in Olten würden sich, marktwirtschafltich betrachtet, wohl alle kaum lohnen. Die Marge, die man bei kleinen Shows an Ticketverkäufen draufhauen kann, ist einfach zu mager und wenn mal niemand kommt, läuft auch die Bar nicht und das tut bei humanen Bierpreisen doppelt weh. Manche kriegen Beiträge von Stadt und Kanton, aber vor allem die Freiwilligenarbeit, die dahinter steckt, ist unbezahlbar.

Den Bands geht es aber auch nicht anders: Sie proben wöchentlich, kaufen teures Equipment, karren hunderte Kilometer in einem rostenden Bus durchs Land, um an eine Show zu fahren, wo sie dann höchstens ein paar Hunderter kriegen (auch mit internationalem Plattendeal). Zumindest im Kleinen gibt es ohne dieses Engagement keinen Rock'n'Roll und nur weil ein Club an Zürichs Party-Meile steht, ändert sich das nicht einfach so.

Schade um den Kinski Klub ist es natürlich trotzdem. Bands wie Fans haben bald eine Location weniger, wo sie sich treffen und die Kunst des Krachs hochleben lassen können.

Bis dahin wünsche ich den Betreibern, dass sie ihren Keller noch ein paar Male ordentlich zum Dampfen bringen können, zum Beispiel am 27. November, wenn die ausserirdischen Maserati aus den USA zum psychedelischen Space-Trip aufspielen. Daniel zelebriert und feiert die Kunst des Krachs auf Twitter.

Noisey Alps kategorisiert und bewertet Krach und andere Musik ebenfalls auf Twitter.