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Zehn Dinge, die ich an der Wiener Clubkultur hasse

Gestern haben wir gesagt, was an Wiens Clubkultur richtig super ist. Heute machen wir das Gegenteil.

Gestern haben wir Max Zeller den Hippie spielen lassen.

Heute machen wir das Gegenteil. Nicht falsch verstehen: Andi Latte (der natürlich eigentlich gar nicht Andi Latte heißt) liebt Wien. Als DJ, Veranstalter und Gast. Wir haben ihn trotzdem gebeten, uns den Advocatus Diaboli (oder auf gut deutsch: das Arschloch) zu machen und alle Punkte aufzuschreiben, wo in der Wiener Clubkultur vielleicht noch Luft nach oben ist.

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1. Wer hat an der Uhr gedreht?

Wir haben Wien schon bei Nacht gesehen. Aber die Nächte in Wien werden auch immer kürzer. Die Frage, warum es das Wiener Publikum nicht schafft, vor ein Uhr den Vorglüh-Eristoff runterzukippen und im Club aufzutauchen, können wir uns nicht beantworten. Das Resultat: schweißgebadete Veranstalter, hilflose Warmup-DJs, fragende Gesichter hinter der Bar, armselige Alleinunterhalter auf der Tanzfläche. Und dann wundern sich alle, dass die Mama am Sonntagstisch wieder wütend im Suppentopf rührt, weil das Kind stinkend und verkatert die Idylle ruiniert. Früher ausgehen würde allen helfen.

2. Eine Schlange ist eine Schlange

Ich kann keinen Reis kochen. Mir fehlt das Timing und die Geduld. Aber Geduld ist in Wien ohnehin keine weitverbreitete Tugend. 15 Minuten in der Schlange vor dem Club stehen und die Nerven liegen blank: „Mah, ich hab’s euch ja gesagt. Gehen wir lieber in einen anderen Club. Das ist eh sicher der ur Scheiß da.“ Wenn sich dann auch noch ein freches Würschtl mit einer halbfertigen Bachelor-Arbeit auf USB-Stick vorbeidrängt und posaunt, er wäre der DJ, ist das Fass übergelaufen. Hallo?! Überall auf der Welt schaffen es die Menschen sich anzustellen und cool zu bleiben, ohne die Fäuste zu ballen. In Wien scheint die Lebenszeit zu kostbar. Durchs Raunzen geht’s übrigens auch nicht schneller.

3. Die Sinnfrage

Früher war das super: Wir haben uns im Park getroffen, kurz über den letzten Geographie-Test gesprochen, dazu Hooch und Pfirsichspritzer getrunken, Joint geraucht, um dann ins Stammbeisl zu krachen. Was dort dann lief, war recht wurscht. Aber wenn ich heute vor den großen Clubs stehe (SIEHE PUNKT 2) und kurz lausche (mein Fehler, ich weiß), stellt sich mir alles auf: „Was ist da heute?“ „Keine Ahnung“ „Is ja auch egal, ich komm einfach jedes Wochenende hier her.“

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Bitte WAS? Es gibt hinter der glitzernden Happy-Fassade Veranstalter, DJs und Clubbesitzer, die sich den Arsch aufreißen um ein ordentliches Booking zu organisieren, damit du halbwegs qualitativen Spaß hast. Ja, es macht einen Unterschied. Die Ignoranz des Ausgehens um des Ausgehens willen ist vor allem in den großen Clubs ein Dauergast. Missverständnisse zwischen DJs und Publikum schrauben an der Atmosphären-Spirale. Hauptsache es sind einige Idioten aus Langenzersdorf da, die du nach ausreichend Wodka-Bull in deine Oberösterreich-WG abschleppen kannst. Wenn du dich aber nur ein bisschen damit auseinandersetzen würdest, was da heute passiert, wäre allen geholfen. Und dann klappt’s mit den Idioten auch ganz bestimmt.

4. Voll gscheit und so

Wir kennen das vom Fußball. Oder auch nicht. Kurz vor Großereignissen, wie der Weltmeisterschaft oder Ähnlichem schlägt eine Welle der Gscheitheit an den Strand der Gegenwart. Bücher werden geschrieben, Vorträge und Symposien abgehalten und Dinge analysiert, die keine Analyse brauchen. David Lynch lacht sich einen ab. In der Wiener Clublandschaft ist das ähnlich, nur permanent. Es wird genörgelt, was das Zeug hält: Der Act passt nicht in dieses Setting, das hat ja eine ganz andere Tradition, dieses Booking kann man ja so nicht machen. Es wird sich auf der Metaebene in die Raunzdecke gekuschelt und einmal ordentlich kritisiert. Dass die Leute trotzdem einen Spaß haben ist nebensächlich. „Aber Techno ist doch Kunst“. Ja und gusch!

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5. Mittelklasse ausverkauft

Die Wiener Clublandschaft hat Borderline. Sie lebt in Extrema. Zum Einen gibt es da die lieben, kleinen Clubs wie zum Beispiel das Rhiz, das Celeste, das Roxy oder den Club U. Dem gegenüber ragen die 1000er Giganten wie die Grelle Forelle, die Pratersauna, andere große Clubs das Flex, Leopold, Fluc und Co. in den Wiener Nachthimmel. Was in Wien wirklich fehlt ist eine gemütliche Venue für 200-400 Gäste. Halbleere große, und völlig überfüllte kleine Clubs wären dann ein Problem der Vergangenheit.

6. Gangbang

Man kann mögen, dass alle so gut vernetzt sind und sich kennen. Eh. Die Szenen in Wien sind klein, manche sicher auch ganz fein. Aber irgendwie langweilt es mich, immer und überall die gleichen Gesichter zu sehen, zu hören und mit ihnen zu tanzen. Es fühlt sich dann immer so ein bisschen an, wie das Dorf in der Stadt, nebst allen negativen Erscheinungen, die das Landleben so mit sich bringt. Gossip und zwischenmenschliche Tristesse sind ja per se nichts Schlechtes, aber muss ich wirklich unbedingt in die nächste Karaoke Bar gehen um endlich einmal neue Nasen zu sehen?

7. Der Sound macht die Musik

Bis auf ein paar löbliche Ausnahmen (Forelle, Flex) sind die Sound-Anlagen in den meisten Clubs unter jeder Sau. Es wird übersteuert, was das Zeug hält, ab 15+ Gästen hört sich Mike Q wie ein wabbelnder Verdi an und überhaupt scheint es den meisten Clubbesitzern wichtiger zu sein, ein paar schöne Lampen statt ordentlichen Subs zu haben. DJs verzweifeln, weil der Mixer vor ihnen vor lauter Rotausschlag nur so stöhnt. Warum gibt es Wien eigentlich keinen Gabba-Club?

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(Gerüchten zufolge gibt es Wien sogar Clubs mit plombierter Anlage. Keine Fragen!)

8. Die Vermessung der Zeit

Irene hat es schwer. Das verstehe ich. Ihre Eltern haben ihr nach der Matura den Geldhahn abgedreht und jetzt muss sie sich neben dem Soziologiestudium eben ein bisschen Geld dazu verdienen. Karl geht es ähnlich, nur dass er Architektur studiert und nicht raucht. Dass die beiden das aber ausgerechnet hinter der Bar im Club machen müssen, verstehe ich nicht so ganz. Clubbetreiber, Barchefs und vor allem WIR würden uns freuen, wenn sie nicht mit dem Zapfhahn auf Kriegsfuß wären, die Eiswürfel im Drink nicht einzeln abzählen würden und nicht bei mehr als zwei gleichzeitigen Bestellungen Schweißausbrüche bekommen würden. Danke.

9. Stillleben

Ja, du bist ziemlich gut. Du machst das super. Schön, wie du an deinem Gin Tonic nippst und mit dem Kopf zur Musik nickst. Klar, es muss nicht jeder aus sich heraus gehen. Du wirkst wirklich ziemlich souverän, auch wenn das aus den Boxen gerade der Hit des Abends ist. Deine Freunde kennen dich auch nur so. Bleib ruhig in deinem Rahmen, ABER WARUM, ZUM TEUFEL BEWEGST DU DEINEN VERDAMMTEN ARSCH NICHT UND TANZT?

10. Wien ist eh leiwand

Peace und out. Bussi.

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