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‚Yellow House‘ von Grizzly Bear war mein seichter Einstieg in die Geschichte von Warp

John Thorp blickt zurück auf ein Indie-Album, das eine ganz andere Geschichte erzählt hat.

Als Yellow House von Grizzly Bear im September 2006 auf Warp rauskam, hatte das Label seine frühen, „piepsigen“ Jahre längst hinter sich gelassen, um alternative und experimentelle Musik in breiterer Form zu präsentieren. Mitte der 2000er war das eher elektronisch geprägte Roster bereits um mehrere Rock-orientierte Künstler erweitert worden, wie Battles!!! oder eben Grizzly Bear. Im Internet oder auf Partys wird von Zeit zu Zeit immer noch debattiert, ob Warp ihrer eigentlichen Vision noch treu bleiben oder ob sie sich über die letzten 25 Jahre in etwas ganz anderes verwandelt haben.

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Yellow House kam ungefähr zur gleichen Zeit raus, zu der sich Witze über Pitchfork-Bewertungen, Blogger und Szene-Leute aus Brooklyn im kollektiven Bewusstsein der plattenkaufenden Öffentlichkeit (oder sollte ich sie Hipster nennen?) festgesetzt haben und Grizzly Bear wurden mit ihrem undurchsichtigen Namen und ihrer modernen Interpretation von folkigen, klassisch amerikanischen Rockmusikstilen zu einer Art angesagtem Gesprächsthema. Sie waren jedermanns neue „Lieblingsband“ und haben Aufrichtigkeit und Understatement ausgestrahlt. Die Tatsache, dass sie auf Warp veröffentlicht haben, hat die Aufregung noch vergrößert, da so ein noch größeres und breiteres Publikum auf sie aufmerksam wurde, anders als wenn sie auf einem normalen Gitarren-Indie-Label veröffentlicht hätten. Andererseits sind Grizzly Bear natürlich auch keine normale Indieband.

Das „Yellow House“ des Albumtitels war das Haus der Mutter von Leadsänger Ed Droste an der Küste von Cape Cod, wo das Album während des Sommers vor der Veröffentlichung aufgenommen wurde. Das Cover, auf dem Licht durch ein Dachfenster fällt und eine Ecke des Proberaums der Band sichtbar macht, ist immer noch unglaublich atmosphärisch. Warp hatte zu der Zeit bereits eine Menge an leichteren Platten veröffentlicht, die sich von den IDM-/Industrial-Wurzeln des Labels wegbewegt haben, aber die rustikale Ästhetik von Yellow House war rückblickend eine wirklich neue Richtung für das Label.

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Der US-Ableger von Warp wurde damals von Simon Halliday geleitet, der sich mit seinen Signings an einer neuen musikalischen Richtung versucht hat. Das hatte nur teilweise Erfolg; während Grizzly Bear noch immer auf Warp veröffentlichen, haben Acts wie die New Yorker Post-Punk-Band The Hundred in the Hands nicht den erhofften Erfolg gehabt und Maximo Park, obwohl kommerziell erfolgreich, haben sich eher dem machohaften Rock-Establishment zugewandt und passen somit nicht ganz zum grenzerweiternden Ansatz des Labels. Halliday ist mittlerweile Chef bei 4AD und hat dort einige Künstler, die auch gut in den Warp-Roster gepasst hätten, unter Vertrag genommen, wie zum Beispiel Zomby oder Grimes.

Als die Platte rauskam, war ich 18 und hatte wenig Kontakt zur Rave-Szene. Yellow House war für mich eine persönliche Offenbarung. Als ich auf die Uni kam, hatte ich Mixtapes mit der Art von drögem, biederem Indie, der bald zum Soundtrack für „The Inbetweeners“ werden sollte dabei und da ich keinen älteren Bruder hatte, von dessen Sammlung klassischer Hardcoreplatten ich profitieren konnte, wurden die kostbaren Stücke auf Yellow House schnell zur Hymne meines Semesterstarts.

Die Vorstellung, dass ein Fan von Forgemasters oder Speedy J sich Yellow House kauft, um zu sehen, wie sich sein altes Lieblingslabel seit 1991 entwickelt hat, ist vielleicht amüsant, aber stell dir im Gegenzug mich in jungen Jahren vor, wie ich mir auf Mephedron eine Spotify-Playlist mit LFO und dem Andrew Weatherall-Projekt Sabres of Paradise reinziehe, um auf Touren zu kommen. Es scheint vielleicht komisch zu sein, dass eine so ruhige Platte wie Yellow House mein Einstieg in die Rave-Szene war, aber das ist nur der Beweis dafür, wie gehaltvoll die Diskografie von Warp ist und wie sehr das Label in der Lage war, einen bestimmten Spirit aufrechtzuerhalten und sich gleichzeitig immer wieder neu zu formen.

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„Knife“, die erste Single aus dem Album, ist zwar weit entfernt von den „repetitiven Beats“, auf die sich der Criminal Justice Act bezieht, im Mittelpunkt steht aber ein einfacher, herzerweichender Refrain („Can you feel the knife?“) und die Live-Elemente verleihen dem Song Struktur—sie kommen und gehen im Laufe des Songs immer wieder. Das ist ein umwerfender Effekt, den auch die beste und gefühlvollste Clubmusik nutzt, und über das ganze Album hinweg verstehen es Grizzly Bear, sowohl ruhig und atmosphärisch als auch punktiert zu sein. In einem Interview zur Zeit der Veröffentlichung hat Droste seine Vorliebe für die spärlichen und „vagen“ Texte auf dem Album zum Ausdruck gebracht und ihre Kraft, die Platte „offen für Interpretationen“ zu halten.

Yellow House ist nicht unbedingt eine einfache Angelegenheit. Trotz seiner robusten Struktur hat das Album wenig gemeinsam mit den Ausflügen des Labels in den Bereich des „Home Listenings“. Herausstechende Tracks wie „Central and Remote“ und „Plans“ sind durchzogen von einer überraschenden Spannung, die den späteren Arbeiten der Band fehlt. Es ist kein Album, das man nach dem Ausgehen zum Runterkommen hört; dafür solltest du bei Music Has The Right to Children bleiben.

Grizzly Bear wurden von Fans ihrer Label-Kollegen Broadcast ermutigt, bei Warp zu unterschreiben, haben 2012 in einem Interview mit der Red Bull Music Academy aber auch gesagt, dass sie es für „einen interessanten Schritt [hielten], eine der ‚interessanten’ Bands auf Warp zu sein.“ Natürlich sind fast alle Bands auf Warp interessanter als die meisten anderen, aber Yellow House ist ein besonders gutes Beispiel für die ästhetischen Fähigkeiten des Labels. Und obwohl es sich überraschend leicht in das sonst größtenteils elektronische Roster einfügt, ist das, was es besonders mit dem Rest der Warp-Künstler verbindet, die Qualität, die Individualität und die Fähigkeit, die Hörer dazu zu inspirieren, noch tiefer zu graben.

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Ihr könnt John Thorp hier bei Twitter folgen: @MrJohnThorp

Dieser Artikel erschien zuerst auf Thump.

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