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Wir waren beim Kraftklub Konzert und es war großartig

Kraftklub haben gestern im Gasometer Wien gespielt und haben verdammt nochmal alles richtig gemacht.

Alle Fotos von Dorothea Louise Frank

„Uuuuuh meine Stadt ist zu laut“ Scheiße, ja: Das hat Wien gestern auch im Gasometer mitgegrölt. Offenbar lässt sich das ja auf jede Großstadt umlegen. Wien ist Berlin ist London ist what? Ganz egal. Wir feiern Kraftklub.

Deutschrock? Naja, ehrlich: Come on. Davon hatten wir ja eigentlich genug die letzten Jahre und haben es noch—sind wir gestern auch noch so hineingestolpert ins Kraftklub-Konzert. Aber wir müssen alle Vorurteile zurücknehmen: Kürzliche Gassenhauer wie „Meine Fans“ mögen das Publikum gespalten haben—Im Gasometer zu Wien wurde gestern Abend aber verdammt nochmal alles richtig gemacht.

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„Ich will nicht nach Berlin“, die Hymne, die vor allem in unserer geliebten Hauptstadt einfach mal super ziehen muss, hat das auch getan. Weiter ging es mit: „Und egal was ich tu, mein Leben ist ein Arschloch“. So ganz will man das Sänger Felix nicht abkaufen. Sein Leben hat ja offenbar momentan nur supergeile Seiten, gemessen am Erfolg der Band, die wie wild tourt und nie müde wird (Was? Drogen? Niemals. Und wenn doch: bitte verratet uns welche).

„Leute fragen mich: Ist das dein Leben? Ja, das ist mein Leben“. Und zum deprimierenden Text hüpfen dann doch alle mit. Genau darin liegt die Satire der Band Kraftklub: Sie wissen mehr, als sie eigentlich preisgeben. The devil is in the details. Oder so.

Die Band ködert das Publikum, einmal ganz nüchtern betrachtet, mit eigentlich recht einfachen Mitteln. Verdammt, lang lebe der Mitmachzwang! Plötzlich, nachdem alle Lichter mal kurz ausgegangen sind, tauchen sie am anderen Ende der Halle Gasometer wieder auf. Auf einer kleinen, eigens eingerichteten Bühne direkt gegenüber der Hauptbühne. Na gut, das ist uns dann doch schon ein Kreischen wert. Vielleicht sogar einen BH. Wie auch immer, es soll noch besser kommen: Da seilt sich Frontmann Felix auch noch einmal dezent los von allen Verkabelungen, widersteht zwar den Aufforderungen der weiblichen Fans („ausziehen, ausziehen!“) und stürzt sich schließlich waghalsig in die Menge. Die ihn wiederum vertrauensvoll—im Stagedive-Modus—in Richtung Hauptbühne rettet.

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Spätestens da hat er sich alle Herzen geholt—so kitschig und einfältig und eigentlich unoriginell das auch ist. Man wird aufgefordert, ein „Yeah!“ zu brüllen und macht das auch. Man wird zum Mitklatschen aufgefordert und folgt dem Ruf. Es ist eine Massendynamik sondergleichen, die sich aufgrund der Ausstrahlung von Kraftklub im Gasometer entfaltet—beinahe unglaublich. Da bleibt selbst hartgesottenen Konzertgehern und vielleicht Mainstream-Verweigerern die Spucke weg. Chapeau!

Man kann das aber in keinem Fall negativ bewerten: So vom Hocker gerissen hat uns im frühen Jahr 2015 noch beinahe niemand. Der Sound ist—getrotzt den genau deshalb ausgebuhten Hallen des Gasometers—einwandfrei gestaltet. Kraftklub fetzen uns einmal so richtig aus den Socken. Das Leben ist ja demnach offenbar doch kein allzu großes Arschloch. Zumindest an diesem Mittwoch Abend nicht.

Gesteigert wird das nur noch in der schon erwähnten Single „Meine Fans“. Felix, schon sichtlich abgehetzt, veschwitzt und umso hinreißender erklärt: „Einmal haben wir in Wien im B72 gespielt. Und dann auch in der Arena. Da waren die Fans noch so nahe, wir konnten sie angreifen. Das war noch richtig gemütlich. Und jetzt? Gasometer? Jetzt müsst ihr euch den Platz mit tausend anderen Leuten teilen, hahahaha.“ Alle hüpfen, alle schreien. Selbst im Lied heißt es: „Ihr zahlt jetzt 30 Euro für das Ticket“. Stimmt. Fast 32 Euro waren es, genau genommen.

Die Ironie an der Sache ist klar, die Diskrepanz zwischen dem freischaffenden Künstlertum in familiärem Kreis, der doch tatsächlich nur der Musik wegen kommt und dem gar zu expandierten Fantum, das dann schließlich Stadien füllt, ist aufs Exklusivste hier thematisiert. Und wird im selben Moment umgewandelt ins scheinbare Ladida-Blödeltum, das aber nur den Anschein der Oberflächlichkeit wahrt. Doch niemand fasst das als Beleidigung auf, dass man plötzlich dem Kommerz fröhnt, sondern umgekehrt: Man freut sich eigentlich mit seiner Band, dass sie so groß geworden ist. Und darin liegt der schöne Umkehrschluss des gestrigen Abends: Kraftklub sind auf einmal groß. Und ausverkauft. Und wir freuen uns mit ihnen. Very well deserved.

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