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Interviews

„Wir haben aus Rap einen Mann gemacht“— KC Rebell im Interview

KC Rebell hat mehr zu erzählen als die meisten seiner Straßenrapkollegen.

In den letzten Monaten wurde in den Medien viel über Deutschrap geschrieben. Begriffe wie „Entkrampfung“ und „Genresprengung“ werden da von Genre-fremden „Experten“ als Gründe für den aktuellen HipHop-Höhenflug benutzt. Auf Deutsch heißt das: Endlich haben die Gangstarap-Idioten nicht mehr das Sagen. Dabei hat Straßenrap unter allen HipHop-Genres wahrscheinlich die größte Entwicklung gemacht. Die Akzeptanz und der Erfolg, die vorneweg Kollegah, aber auch die Azzlackz oder Banger Musik genießen, sind in erster Linie aus eigener Kraft entstanden. Durch Weiterentwicklung, Professionalität und durch das Internet.

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Einer, der stellvertretend für diese Straßenrap 2.0-Bewegung steht, ist KC Rebell. Der Essener macht nicht viel anders als andere Gangstarapper, er macht es einfach nur besser. Seine borstige Stimme und der astreine Flow stehen für sich, genauso wie das Talent, stimmige Songs zu schreiben. Was fehlt, ist der Schuss Charisma. Dabei hat der Deutsch-Kurde mehr zu erzählen, als man denkt. Nicht nur, dass er als 17-Jähriger mit Mesut Özil Fußball gespielt hat.

Noisey: Ich wollte zuerst mit dir über etwas Persönliches sprechen. Kannst du dich an die Zeit erinnern, als du mit deinen Eltern aus der Türkei nach Deutschland gekommen bist?
KC Rebell: Unsere erste Asyl-Zeit haben wir in Bad Homburg verbracht. Nach ein paar Wochen sind wir nach Magdeburg gezogen. Da haben wir drei Jahre in einem Asylantenheim gelebt, bevor wir in unsere erste Wohnung gezogen sind.

Ich kann mir vorstellen, dass diese Zeit als ausländisches Kind in einem ostdeutschen Asylantenheim ziemlich schwierig für dich war.
Das war eine schwierige Zeit. Andere Leute gehen über die Straße, werden fast angefahren und sagen: „Das hat mein Leben geändert“. Aber ich habe wirklich etwas erlebt, das mich geprägt hat. Zu der Zeit, in der ich in Magdeburg gelebt habe, konntest du an zwei Händen abzählen, wie viele ausländische Familien es gab. Damals war das Nazi-Ding in der Stadt sehr ausgeprägt.

Gab es auch bestimmte Vorfälle?
Ich wurde auch angegriffen. Ich habe eine Narbe an der Augenbraue und am Hinterkopf. Unser Asylantenheim in Zielitz wurde in der Zeit, in der ich da war, drei Mal angezündet. Zu der Zeit war Magdeburg sehr rechts, heute ist das aber überhaupt nicht mehr so. Zum Glück hatten wir damals Bekannte, die uns unterstützt haben.

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Wenn du heute darüber nachdenkst, wie hat dich die Zeit geprägt?
Es ist nicht so, dass ich Nazis, Ausländer oder irgendeine andere Gruppe hasse. Ich kann sagen, dass alles, was man erlebt, einen erwachsen macht. Und wenn man viel erlebt, wird man schnell erwachsen. In Magdeburg habe ich gelebt wie ein Roboter. Ich hatte einen sehr kleinen Freundeskreis, weil es keine Mitmenschen wie mich gab. Ich war sehr diszipliniert, bin aufs Gymnasium gegangen, nach Hause gekommen, habe Fußball gespielt und das war's. Als ich mit 13 nach Essen gezogen bin, war das für mich wie ein Paradies, weil ich plötzlich von Leuten umgeben war, die meine Sprache gesprochen haben. In Essen habe ich auch angefangen, Scheiße zu bauen, bis ich vor meiner Matura von der Schule geflogen bin.

Heute wirkst du wie einer der professionelsten Rapper. Wie bist du von der schiefen Bahn zu dieser Einstellung gekommen?
Rap war für mich von Anfang an ein Hobby und das ist es heute noch. Aber ich muss meine Termine einhalten und viel dafür tun, damit ich mich so präsentieren kann, wie ich wahrgenommen werden will. Irgenwann fängst du an, dafür vor zwölf Uhr aufzustehen, weil du sonst deinem Business nicht mehr nachgehen kannst.

Musstest du das erst lernen?
Was heißt lernen? Ich kann mir vorstellen, dass es mir auf die Nerven gehen würde, wenn ich morgen früh um sieben aufstehen muss, um an der Supermarktkasse zu arbeiten. Aber ich stehe früh auf, weil ich Interviews gebe, einen Videodreh habe oder ein Konzert spiele. Das ist das Privileg, dass du hast, wenn du erfolgreich mit dem bist, dass dir Spaß macht: Du stehst gerne früh dafür auf.

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Du hast dein Album Rebellution genannt. Forderst du eine Revolution, oder warum der Titel?
Für mich geht es um meine musikalische Revolution. Das ist ein Album, bei dem ich mich in dreißig Jahren, wenn ich vielleicht fertig mit diesem Rapding bin, gerne zurückerinnern werde, weil ich mich darauf genau so anhöre, wie ich mich anhören möchte.

*Rebellution ist ein sehr starker Begriff. Ist dieses Album ein kompletter Umschwung dessen, was du vorher gemacht hast?*
Auf dem Albumcover halte ich eine Fahne mit meinem Namen. Statt einer Waffe wie auf dem französischen Revolutionsbild halte ich ein Mikrofon und unter mir liegen Rapper. Ich heiße KC Rebell und wenn ich privat oder musikalisch nicht die Einstellung eines aufständigen Menschen hätte und Dinge hinterfragen würde, dann würde ich mich auch nicht so nennen. Am Ende des Tages ist es ein Albumtitel. Ich spiele auch einfach mit dem Wortspiel.

Bei deinen Songs bekomme ich das Gefühl, dass du nicht alles preisgeben willst.
Das stimmt. Ich möchte nicht alles von meinem Leben preisgeben, sondern nur die Dinge, die wertvoll für andere sind. Wenn ich mir denke, dass ich durch meine Disziplin oder meinen starken Charakter meinen Mitmenschen etwas mitgeben kann, dann mache ich einen Hoffnungssong. In einem anderen Fall rede ich von einer gescheiterten Beziehung und erzähle, wie ich damit fertig geworden bin. Damit erzähle ich den Leuten von meiner Erfahrung. Aber es gibt auch Dinge in meinem Leben, die mir zu persönlich sind und die ich gerne für mich behalten möchte.

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In dem Song „Kanax in Moskau“ rappst du die Line „Du hast an den Lippen Sperma wie Hitzelsperger“. Hast du dir vorher Gedanken gemacht, ob man so eine Zeile machen kann?
Man kann alles machen. Jetzt erzähle ich dir mal eine Geschichte. Weil ich meinen Führerschein abgeben musste, bin ich mit dem Zug nach Stuttgart gefahren. Ich habe einen Typen kennengelernt, der gerade von der Fitnessmesse kam. Nach einer halben Stunde hat er mir erzählt, dass er schwul ist. Ich habe normal mit ihm weitergeredet und ihm irgendwann diese Line vorgertragen. Er hat sich voll darüber amüsiert und meinte, dass das überhaupt nicht schwulenfeindlich ist, weil ich mich über jeden lustig mache. Wenn mir ein Schwuler seine Meinung so darlegt, dann brauche ich keine andere Bestätigung.

Hast du bei diesem Album wieder viele Trapbeats verwendet?
Es gibt natürlich Einflüsse von modernen Sounds auf dem Album, aber ich gehe in keine bestimmte Richtung. Ich habe auch einen Reggae-Beat drauf, trotzdem ist die Platte kein Reggae-Album. Ich sitze im Studio, arbeite an den Songs und wenn es einen Einfluss gibt, dann lasse ich ihn einfließen, aber das war's dann auch.

Wird es nochmal ein „KC Rebell“ für die Clubs geben?
Ich setze mich nicht hin und sage, ich mache Songs wie das oder ich mache Songs für den. Aber bei dem Musikgeschmack, den ich habe, kommt es vor, dass Songs entstehen, die auch im Radio oder in Clubs gespielt werden könnten.

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Glaubst du, dass du irgendwann im Radio gespielt wirst?
Vom Potenzial her gibt es vier, fünf Songs auf dem Album, die reibungslos im Radio laufen könnten, auch wenn das nicht meine Absicht ist. Ob ich im Radio gespielt werde, ist nochmal eine völlig andere Sache. Die Sender setzen sich ja mit dir auseinander und finden wahrscheinlich andere Dinge von mir asozial. Aber das ist mir egal.

Reicht dir als Rapper das Internet?
Es gibt immer einen Markt, dem man nacheifert. Der deutsche Musikmarkt orientiert sich am amerikanischen Musikmarkt. Deswegen bin ich so gelassen, weil ich weiß, dass wir in zwei Jahren eine ganz andere Entwicklung haben werden.

Was meinst du genau?
Es fängt ja schon an. Alle Clubs buchen mittlerweile HipHop-DJs und Deutschrapper. Auch wenn ich mich jetzt nicht mehr als reiner Straßenrapper sehe, muss uns trotzdem gedankt werden, weil wir für Rap da waren, als die Rapveteranen sich von HipHop abgewendet haben. Wir haben das Ding am Leben gehalten. Das ist wie, als wenn du dein Kind, mit dem du nicht klarkommst, ins Heim steckst. Entweder du gibst es weg oder du setzt dich damit auseinander und kriegst graue Haare, bis es 18 wird. Wir haben aus Rap einen Mann gemacht.

Rebellution erscheint am 30. Mai bei Banger Musik. Bestellt es bei iTunes oder Amazon.

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