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The Kids are not alright—Rassismus in der Techno-Szene

Rassismus gibt es in sämtlichen Gesellschaftsschichten. Natürlich auch in der elektronischen Musik. Warum sollte es dort auch anders sein?

Foto: Flickr | icanteachyouhowtodoit | CC-BY 2.0

Elektronische Musik gilt gemeinhin nicht als politisch. Was damit zu tun hat, dass man „politische Musik“ gemeinhin über Lyrics definiert, den diese halt meistens nicht haben. Aber irgendwie gehen immer alle automatisch davon aus, dass elektronische Musik… naja, vielleicht nicht unbedingt „links“, aber doch zumindest antirassistisch und offen wäre. Das hat eine innere Logik: Die Technoszene ist international, Minderheiten spielten ihn ihrer Entstehungsgeschichte eine entscheidene Rolle und viele Artists sehen alles andere als „arisch“ aus.

Aber das ist natürlich Blödsinn. Elektronische Musik ist nicht per se antirassistisch. Erstens führen Jugend- oder Alternativkulturen ohnehin nicht zwingend zu Progressivität. Das wurde seit Anfang der 90er in zahlreichen Artikeln durchgekaut. Zweitens ist elektronische Musik ein Massenphänomen, das sich über Jahrzehnte in zahlreiche Szenen aufgespalten hat und sich mittlerweile über alle Klassen und Gesellschaftsschichten erstreckt. Elektronische Musik „gehört“ genauso dem Berliner Auskenner wie dem Salzburger Rich Kid und dem ostdeutschen Dorf-Proll mit dem Tribal-Tattoo.

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Immer dann, wenn in der internationalen Technoszene ein Mitglied auf diesem stillschweigenden Konsens, das bitte jeder vögeln soll wenn er will und Hautfarbe null Aussagekraft hat, ausschert, schlägt die Szene zurück. Das hat man vor einigen Monaten am Fall Ten Walls gesehen, der nach einem homophoben Rant auf Facebook in kürzester Zeit alle Auftritte und seine Booking-Agentur verlor. Man kann durchaus Unbehagen gegenüber diesen kurzfristigen Shitstorms verspüren—aber sie erfüllen einen Zweck. Natürlich wird man die Meinung nicht ändern können. Aber mein Mitleid mit einem homophoben Artists, der sich in Zukunft zwei Mal überlegen muss, ob er seine diskriminierenden Aussagen der Weltöffentlichkeit zukommen lässt, hält sich wirklich in Grenzen.

Warum das jetzt gerade wieder aktuell ist? Nein, nicht wegen Georg Nagel, der früher Partys im Flex veranstaltet und zwischendurch versucht hat, Pegida nach Österreich zu bringen. Sondern wegen einem Mitglied des Wiener Techno-Acts A-Brothers. Wie das FAZE Magazin berichtete, kommentierte die eine Hälfte des Duos—gleichzeitig ein Mitarbeiter von Driving Forces—ein Video, in dem eine junge Frau von einem dunkelhäutigen Mann attackiert und geschlagen wird. Das Video, obwohl Herkunft und Zusammenhang unbekannt, war mit dem Untertitel „Unsere lieben Zuwanderer … Die sind ja soooo traumatisiert….“ versehen. K. schrieb darunter, er würde diese „schwarze Kreatur mit einem Baseballschläger erschlagen“. Als er von einem anderen User deshalb kritisiert wurde, bezeichnet er diesen als „schwule Drecksau“, dem die „Schnauze eingehaut gehört“. Das riecht natürlich irgendwie nach Triumvirat des Arschlochtums: rassistisch, gewalttätig und homophob. Das lässt sich auch schwer mit einem schlechten Tag rechtfertigen.

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Die Geschichte mit dem FAZE geht aber noch weiter. Nachdem der Artikel erschienen ist, meldete sich Mario bei den Wuppertalern und forderte sie nach ihren Angaben auf, den Artikel von der Seite zu nehmen. Sie lehnten das ab und boten ihm stattdessen an, ein Statement auf ihrer Seite zu veröffentlichen. Das tat das Magazin daraufhin auch: „Liebes Face Team – ich persönlich wie auch alle Beteiligten der a-brothers unsere Booking Argentur als auch unser Publikum lehnen Rasissmus strengstens ab, sind jedoch strikt gegen Gewalt gegen Frauen, Kinder, Schwächere, Tiere etc. Für meinen Comment auf dieses Video möchte ich mich hier entschuldigen, aber einfach klar machen, dass ich nicht anders reagiert hätte, wenn Weisse hier auf ein dunkelhäutiges Mädchen eingeschlagen hätten! (…) All das soll keine Ausrede für mein Fehlverhalten sein und ich bitte nochmals um Entschuldigung!!!“ [(function(d, s, id) { var js, fjs = d.getElementsByTagName(s)[0]; if (d.getElementById(id)) return; js = d.createElement(s); js.id = id; js.src = "//connect.facebook.net/en_GB/sdk.js#xfbml=1&version=v2.3"; fjs.parentNode.insertBefore(js, fjs);}(document, 'script', 'facebook-jssdk'));](http://<div id=)

[so leute… ich glaube ich muss hier mal einiges klarstellen. ich habe ein video kommentiert wo zwei schwarze auf ein…](http://<div id=)

[Posted by](http://<div id=) Mario Kinle on Monday, 17 August 2015

" target="_blank">Der DJ äußerte sich später auch nochmal öffentlich ähnlich auf seiner privaten Facebook-Page.

Das kann man jetzt glauben oder nicht. Uns liegen Screenshots vor, nach denen solche Kommentare nicht nur einmal gefallen sein sollen. Diese können wir allerdings gerade nicht verifzieren. Ich wünsche Mario K. selbstverständlich, dass er seine Entschuldigung auch so meint.

Aber völlig unabhängig von dem konkreten Fall lohnt es sich, sich eine Sache wieder gegenwärtig zu machen: Nur weil wir alle nett nebeneinander im Dunkeln tanzen, lächeln und dieselben Drogen einwerfen, sind wir lange nicht alle nett und weltoffen. Und das heißt natürlich auch, dass es gut ist, die Augen offenzuhalten. The kids are not alright. Zumindest nicht automatisch.

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