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Wien sollte seine Residents fördern statt Unmengen für große Acts auszugeben

Zerstören große Namen auch in Wien die Preise und schaden langfristig der Clubkultur? Wir haben den DJ und Veranstalter Thomas Grün um einen Gastkommentar gebeten.

Foto: Thomas Grün

Thomas Grün hat als Mitveranstalter der Partyreihe Club Pompadour in Wien einiges erlebt und gesehen. Mittlerweile lebt er in Berlin, hat dort gerade das Label Untitled 100 gegründet und mischt in Wien nur noch bei einigen wenigen Veranstaltungen im Jahr (Gürtelaffäre, Karlsplatz Soiree, Phantastische Bredoullie) mit. Thomas hat vorgestern auf Facebook ein Posting zur Kommerzialisierung der Clubkultur allgemein, aber auch vor allem in Wien losgelassen, das für eine ziemlich lebhafte Diskussion gesorgt hat. Wir haben ihn gebeten, das Ganze für uns nochmal zusammenzufassen.

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Bereits seit längerem beunruhigt mich die Entwicklung der Elektronischen Musikszene und die unverhältnismäßig steigenden Gagen von DJs. Dass sich auch die letzte Ausgabe der Groove (Juli/August 2014, s. Foto) mit diesem Thema intensiv beschäftigt, zeigt, dass es europaweit ein aktuelles Thema ist. DJs werden in den Himmel gehoben und dadurch unbezahlbar. Das wiederum bewirkt ein gewisses Aussterben einer Subkultur, die unter anderem genau diese DJs mit aufgebaut haben. Fakt ist: Die kleinen Underground-Clubs und -Veranstalter werden von Mega-Events bzw. Großraumdiskotheken ausgebootet, bei denen natürlich der Profit, sprich die Ausbeute der Besucher, im Vordergrund steht.

Das wiederum wirkt sich auch auf die Gagen der DJs aus, die natürlicherweise auch bei diesem Luxuskuchen mitnaschen wollen. Stark mitverantwortlich sind darüberhinaus die Booker, die—teils auch ohne das Wissen der DJs—unverhältnismäßig hohe Gagen und Sonderkonditionen aushandeln. Auf solchen Mega-Events geht es schon lange nicht mehr um die Musik, um das Miteinander und das gemeinsame Feiern, sondern hier wird sukzessive ein Markt aufgebaut, um den Jungen das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Junge Konsumenten interessieren sich sowieso nicht mehr für richtigen Techno oder House und werden durch gekaufte Klicks bei Facebook, Soundcloud und Youtube, in ein Genre reingedrängt, das weder gut ist, noch mit Techno oder House im entferntesten zu tun hat. Manchmal kommt es mir so vor, als wären wir im Techno-Schlager-Ausverkauf. Auf der Strecke bleiben die heimischen DJs, die weder gut bezahlt bezahlt noch gefördert werden und dann noch durch Gratis- Gigs bzw. durch DJs die für 50 Euro geklaute Musik oder die Beatport Charts Top 100 von ihrem Laptop runterspielen, ersetzt werden.

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Ich hoffe, das bringt den einen oder anderen Veranstalter zum Nachdenken und er oder sie überlegt es sich zweimal, ob diese Preise überhaupt gerechtfertigt sind, die aufgrund der zahlreichen Massenfestivals (nach denen sich die Gagen derzeit richten) in die Höhe getrieben werden. Große DJs werden von Bookern in Wien für 6000-8000 Eur angeboten, während sie in einem Club wie z.B. dem Robert Johnson aus Prestigegründen um ein zehnfaches weniger spielen. Und besitzen dann auch noch die Frechheit, dies öffentlich in der letzten Groove Ausgabe preiszugeben.

Da frag ich mich: Wo bleibt hier der Idealismus und die entsprechende Fairness gegenüber den anderen Underground Clubs der Welt, die sich so einen Act nur aus Prestigegründen leisten können und Länge mal Breite draufzahlen? Hinzu kommen diverse Knebelverträge, bei denen beispielsweise höhere Gewalt bei Nichterscheinen trotzdem als Zahlungsgrund dient. Dann sollen diese DJs doch alle auf einer Ö3 Party oder beim nächsten Musikanten-Stadl spielen, weil genau dort passen sie dann auch hin.

Die heimischen Clubs sollen ihr Geld in sinnvollere Projekte stecken und wieder mehr auf Techno, House und vor allem auf Resident DJs setzen, denn diese gibt es in Österreich sowieso so gut wie gar nicht. Zumindest nicht in den namhaften Clubs wie ich sie kenne und das ist natürlich sehr schade.

Mein Fazit: Bitte orientiert euch nicht immer an den größten DJs. Die leben wie die schlimmsten Hedonisten und gefährden dadurch teilweise die Existenzen der Veranstalter und Clubs. Es gibt genügend DJs und Musiker die vielleicht nicht den „Big Name" haben, aber dafür mit der Qualität durchaus mithalten können oder sogar besser sind, da sie noch einen ehrlichen und nicht geldgetriebenen Zugang zur Musik haben.

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Qualität soll wieder vor Quantität stehen, bevor es wieder zu krachen beginnt, wie damals Ende der 90er bzw. Anfang der Nullerjahre, und dann die Szene wieder von neuem mit liebevoller und harter Arbeit aufgebaut werden muss. Mit Quantität meine ich auch die viel zu große Anzahl der Veranstaltungen pro Woche, für die es in Wien einfach nicht den Markt gibt, im Vergleich zu anderen Städten wie Berlin, London oder auf Ibiza.

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