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Wie Falco an "Rock Me Amadeus" verzweifelte

Gestern jährte sich der Todestag des größten österreichischen Popstars: Falco. Wir sind der Geschichte, wie Falco an seinem größten Erfolg verzweifelte, auf den Grund gegangen.

Am 6. Feburar, jährt sich der Todestag von Falco, dem ersten weißen Rapper und größten Popstar Österreichs. Falco, bürgerlich Johann „Hans" Hölzl, verstarb 1998 an den Folgen eines Autounfalls in der Dominikanischen Republik. Interessanterweise war Falcos Tod meine erste lebendige Erinnerung an Österreichs besten Popstar, als mir meine Mutter versuchte zu erklären, warum Falco so gut und jeder so traurig war. Falcos bewegte Karriere war von Höhen und Tiefen gekennzeichnet und Falcos plötzlicher Tod versetzte Österreich in einen tiefen Schock. Unser größtes künstlerisches Aushängeschild der Neuzeit war von uns gegangen. Viele Mythen ranken sich um den Tod Falcos und es ist bis heute nicht restlos geklärt, ob es ein Unfall oder ein absichtlicher Unfall war. Der möglicherweise wichtigste Wendepunkt seiner illustren Karriere war jedoch viel früher: Falcos tiefe Verzweiflung über seinen Nummer-eins-Hit „Rock Me Amadeus".

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Mit 29 Jahren hatte Falco das Unmögliche geschafft. Er hat mit einem deutschsprachigen Popsong den ersten Platz der Single-Charts der Vereinigten Staaten erreicht. Dieses Kunststück wurde weder vor, noch nach ihm jemals wieder vollbracht. Man würde erwarten, dass der als launenhaft beschriebene Falco von diesem Welterfolg in absolute Ekstase versetzt wurde, jedoch reagierte Hans Hölzl komplett anders. Für Falco war die Nummer eins nichts anderes, als der unüberwindbare Zenit seiner Karriere, den er zu früh erreichte. Er hatte immer an sich selbst den Anspruch, noch besser als zuvor zu sein und er befürchtete—oder wusste—dass es ihm nicht nocheinmal gelingen wird, eine weltweite Nummer eins zu haben. Er sollte Recht behalten.

Falco beschrieb in seinem letzten Interview seinen geistigen Zustand mit 30, nach seinem Welterfolg, mit den Worten „Mir ist es unglaublich mies gegangen. Weil ich nicht gewusst habe, um Gottes willen, was mache ich richtig. Was mache ich richtig, dass in Amerika 65 Millionen Leute meine Platten kaufen." Der Erfolgsdruck lastete schwer auf Falco und ließ ihn auch über Jahre hinweg nicht mehr los. Falco war in Amerika so erfolgreich, dass er in die kontemporäre Popkultur überging. Sogar die Kulturbrutalisten der Bloodhound Gang huldigten „Rock Me Amadeus" in ihrem Song „Mope". Über das von Metallica geklaute Bassriff sehen wir hinweg.

In einem anderen Interview gab Falco zu Protokoll, sein höchstes Ziel wäre es „seine eigene Mittelmäßigkeit zu überwinden". Ein so erfolgsorientierter und auch erfolgsverwöhnter Falco wurde mit der Realität konfrontiert, dass er mit „Rock Me Amadeus" wahrscheinlich den absoluten Höhepunkt seiner Karriere überschritten hatte. Es schien, als wäre der ständige Drang noch erfolgreicher zu sein, die einzige Konstante in Falcos Leben gewesen, welche ihm Ziel und Richtung gab. Das oft tumulthafte Privatleben von Falco wurde gerne vom Boulevard ins Rampenlicht gezerrt, jedoch waren es möglicherweise seine Zweifel an sich selbst, die ihm am meisten zu schaffen machten. Nach seinem größten Erfolg kam auch seine Tochter auf die Welt. Er versuchte, als Familienvater eine neue Richtung einzuschlagen. Diese Entscheidung wurde von manchen seiner Fans nicht positiv aufgenommen. Das Bild des warmen Familienmenschen stand in krassem Gegensatz zu seinem Image als sogenannter Lebemann. Es sollte sich Jahre später herausstellen, dass Falco nicht der echte Vater des Kindes war.

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Dass Künstler an ihren eigenen Zweifeln und Ansprüchen zu zerbrechen drohen, wurde auch schon von anderen thematisiert. Richard Kruspe von Rammstein nannte in einem Interview mit Spiegel TV seine Selbstzweifel als einen der Gründe für seine Drogenprobleme. Ähnlich wie für Kruspe war auch für Falco der Erfolg nie Erfolg genug. Er wollte nach dem großen kommerziellen Erfolg auch durch künstlerischen Erfolg die Musikwelt ein zweites Mal auf den Kopf stellen. Sein letztes zu Lebzeiten veröffentlichtes Album Data De Groove involvierte modernste Produktionselemente und beschäftigte sich mit den neuen Entwicklungen der Computertechnik. Falco versuchte der modernste Künstler der Welt zu sein und scheiterte an den Erwartungen seiner Fans und möglicherweise auch an den Erwartungen an sich selbst.

Falcos Grab auf dem Zentralfriedhof | Foto via Flickr | Ethan Prater | CC BY 2.0

Falco selbst thematisierte seine Zweifel an sich immer nur in kurzen Anekdoten, nie in genauen Aussagen. Vielleicht versuchte er, seine Zweifel nicht nur vor der Öffentlichkeit, sondern auch vor sich selbst zu verheimlichen, sodass sie einfach irgendwann verschwinden. Das größte Problem an Selbstzweifeln ist der komplette Objektivitätsverlust. Ob Musik gut oder schlecht ist, ist subjektiv, aber durch die Zweifel wusste Falco wahrscheinlich selbst nicht mehr, ob ihm sein neues Material gefällt oder nicht. Der Drang, immer mehr zu erreichen und die komplette Orientierungslosigkeit in Sachen Image und musikalischer Stilistik, machten Falcos Launenhaftigkeit noch schlimmer und gestalteten die Produktion neuer Musik schwierig.

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Die Zweifel an der einzuschlagenden Richtung, Europa oder Amerika, Familienvater oder Lebemann, Klassik oder moderner Pop zeigten sich auch in der Auswahl der ersten Single von Falcos viertem Album Emotional. Als erster Song wurde „The Sound Of Musik" ausgewählt. The Sound Of Music ist ein im angelsächsischen Raum bekanntes Musical über die österreichische Familie Trapp, die nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich in die USA immigrierten und als Chor ihren Unterhalt bestritten. Trotz des pompöseren „amerikanischeren" Sounds, noch mehr Englisch in den Lyrics und der The Sound Of Music-Referenz konnte Falco den Erfolg des vorigen Albums Falco 3 nicht wiederholen, da dem Song einfach die einprägsame Geradlinigkeit seiner früheren Hits fehlte. Er gilt daher in den USA als One Hit Wonder.

Screenshot via YouTube

Falco sagte hier, dass er sich, nach über 10 Jahren Karriere, endlich stilsicher genug fühle, um zu wissen, was er will. Dies kann man als ein Zeichen sehen, dass Falco seine Orientierungslosigkeit unter Kontrolle hatte und eine neue Vorstellung davon gewann, welche Rolle er mit seiner Kunst spielt oder zu spielen hat. Im Endeffekt musste Falco jedoch zuerst sterben, um dann für immer leben zu können. Ironischerweise wurde dies von ihm selbst kurz vor seinem Tod im Song „Out Of The Dark" thematisiert. Das gleichnamige Album erschien drei Wochen nach seinem Unfall.

Falco war eine so prägende Person, dass sein Geist bis heute nachwirkt. Der Donauinselauftritt ist immer noch legendär und sein Leben wurde im Film Falco—Verdammt, wir leben noch! aufgearbeitet. Manuel Rubey als Falco zerschlägt im Film eine goldene Schallplatte, als er vom Erfolg von „Rock Me Amadeus" erfährt und der Song war so definierend für die Person Falco, dass er ihn sogar auf seinem Grabstein verfolgt.

Der Autor versucht auch seine Mittelmäßigkeit zu überwinden: @igrpp

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