FYI.

This story is over 5 years old.

Features

Wie du mit deinem sinnlosen Studienabschluss einen Job in der Musikindustrie ergatterst

Die Welt der Musik ist ein Paradies. Hier sehen alle gut aus, haben ein tolles Leben und jede Menge Sex. Du willst dazugehören? Kein Problem.

Lass dich nicht täuschen: Auch wenn alle Menschen aus dem Musikbusiness rumheulen, dass sie kaum noch was verdienen, viel zu viel arbeiten und früher alles besser war, ist die Welt der Musik noch immer ein Paradies. Eine Welt voller Glamour, Drogen, Sex und—an ein paar versteckten Orten—sogar noch etwas Geld. Es gibt genügend Gründe, Teil dessen werden zu wollen. Dafür brauchst du natürlich keinen Studienabschluss, aber wenn du einen hast, kann das auch nicht schaden. Wir haben deine Karriere in der Musikindustrie anhand deines Studienabschlusses vorgezeichnet.

Anzeige

Germanistik

Du hast Deutsch studiert, weil du in der Schule gut in Deutsch warst. Du warst auch gut in Bio, aber eine naturwissenschaftliche Hochschulkarriere konntest du dir dann doch nicht so recht vorstellen. Außerdem schreibst du gern, früher Tagebuch, heute Blog. Darin geht es um Fashion oder Food und deine besten Freunde finden wirklich toll, wie du schreibst. Während der Uni hast du auch mal für das Uniradio gearbeitet, aber schon da waren dir zu viele Ellenbogen im Spiel. Journalismus war einfach nicht dein Ding. PR klang da schon viel besser. Deine Ex-Radiokollegen reagierten darauf mit noch mehr Arroganz, deswegen hasst du Journalisten ja auch so sehr. Aber das macht nichts, denn als PR-Profi weißt du, dass eigentlich du die Macht hast. Du wickelst diese arroganten Arschlöcher mit einem süßen Lächeln und sanfter Stimme um den kleinen Finger, sodass sie am Ende doch noch die beschissenste Band in ihrem Magazin featuren. Gleichzeitig hast du den engsten Kontakt zu all den Musikern und kriegst viel mehr Glamour, Drogen und Sex. Gästelistenplätze sind für dich nirgendwo ein Problem und Free Drinks schlichtweg Alltag. Hat zwar überhaupt nichts mit deinem Germanistik-Studium zu tun, aber das war ja eh eine Verlegenheitswahl.

Screenshot aus ‚Verschwende deine Jugend‘

Kommunikations- und Medienwissenschaften

Da du in deinem Studium auch schon alles und nichts gemacht hast, kannst du nach dem Abschluss ebenso ziellos weiterarbeiten. Also Dinge tun, von denen du keine Ahnung hast und deren Sinn du nur so halb durchblickst, von denen aber alle anderen ebenso wenig Ahnung haben, weshalb du für den Blödsinn auch noch bezahlt wirst. Wenn auch sehr schlecht. Empfehlung: Irgendwas mit Social Media. Da ist deine Außenwirkung wichtiger als eventuell vorhandene Qualifikationen. Im Grunde machst du nur, was du sonst im Privaten auch machst—bei Facebook, Twitter und Instagram abhängen—, verschaffst dir aber den Anschein von absoluter Professionalität, indem du am Monatsende Zahlen in Excel-Tabellen schreibst und dieses als „Report“ rumschickst. Musiker, Labels, Magazine, alle brauchen jemanden, der sich um Social Media kümmert. Und weil alle diesen Job hassen, sind sie froh, wenn sie einen Freiwilligen finden, der sich für einen Hungerlohn darum kümmert. Du selbst machst also weiterhin „irgendwas mit Medien“ und bist Teil der Musikindustrie. Inklusive Gästelisten-Zugang—schließlich musst du die nervigen Verlosungen auf Facebook organisieren.

Amerikanistik

Du hast Amerikanistik studiert, oder wie du selbst sagst: American Studies. Denn eins ist dir sehr wichtig: All your classes have been held in English. Aldaugh ze English was werry Ostrian. Weil natürlich ausschließlich Österreicher Amerikanistik studieren. Anyway. Du hast dir dieses Fach ausgesucht, weil dir Germanistik zu Deutsch war. Du machst dir allerdings selbst weis, dass du Amerikanistik belegt hast, weil es dir um die Inhalte ging. Und Inhalte hattest du genug: Kultur, Geschichte, Literatur, Linguistik, Wirtschaft und so weiter und so fort. Das hat zwar alles nichts mit Musik zu tun, aber du weißt ja, dass die ganze Welt unter dem Einfluss Amerikas steht, insbesondere die Welt des Pop. In all deiner Überheblichkeit bist du der geborene Musikkritiker. Allerdings solltest du vorsichtig sein, dass dir und deinem Schwindel niemand auf die Schliche kommt. Vor allem nicht du selbst.

Screenshot aus High Fidelity

Anzeige

BWL

Du warst schon immer musikbegeistert, hast früher selbst in einer Band gespielt, aber es nie zum Durchbruch geschafft. Doch du kennst das Business von innen. Und du bist klug. Also hast du BWL studiert, weil du weißt, dass Musik ein verdammtes Business ist (und alle anderen in der Industrie keine Ahnung von Zahlen haben). Nach dem Abschluss hast du ein paar Jahre bei einem Majorlabel gearbeitet und Zahlen in Excel-Tabellen gehackt. Dann hast du dir ein, zwei vielversprechende Musiker geschnappt und wurdest zu ihrem Manager. Eine sehr gute Position. Zwar stehen deine Musiker im Rampenlicht, aber du hast die MACHT. Außerdem hast du das GELD. Das Booking solltest du bestenfalls auch selbst übernehmen, das bedeutet noch mehr MACHT und GELD. Wenn du dem noch einen oben draufsetzen möchtest, gründest du noch ein eigenes Label, so hast du endgültig die Kontrolle über deine Musiker. Was dir NOCH MEHR MACHT UND GELD BRINGT!

Journalistik/Publizistik

Was zur Hölle willst du im Musikbusiness? Mach dein Volontariat beim Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, aber mach verdammt nochmal etwas Vernünftiges. Du hast die Möglichkeit dazu! Also schlag dich in einem eh schon beschissenen Business nicht auch noch im allerbeschissensten Zweig durch. Abgesehen davon interessiert sich hier niemand für deine Kenntnisse über verschiedene Darstellungsformen.

Bild aus ‚Verschwende deine Jugend‘

Soziologie

Zehn Jahre ist das jetzt her, da kamst du frisch mit deiner Matura beladen von der Schule und wusstest nicht so recht, wohin mit dir. Also hast du geschaut, was man mit einer Durchschnittsnote von 3,5 so studieren kann und bist bei Soziologie gelandet. Ist ja auch echt interessant, oder? Du hättest natürlich eigentlich gern Musiker werden wollen, aber dafür fehlten dir die Fähigkeiten. Egal, viel wichtiger war dir schon immer das Gefühl, der Vibe, den du mit deiner Musik erzeugt hast. Im Soziologie-Studium warst du perfekt aufgehoben—alle anderen waren genauso schlechte Musiker wie du, haben aber alle mit der gleichen Inbrunst getrommelt, geschrammelt und geflötet. Du hast also die beste Zeit deines Lebens genutzt und 18 Semester in dein Bachelorstudium investiert. Leider kam dann die Studienordnung dazwischen und hat dich ohne Abschluss vor die Tür gesetzt. Zum Glück hast du in einer Bar ein paar Jungs kennengelernt, die mit ihrer Band momentan richtig durchstarten. Bei denen darfst du mit auf Tour: Erst verkaufst du Merchandise und wenn du nach 8 Semestern verstanden hast, wie der Hase läuft, steigst du eventuell sogar mal zum Tourmanager auf.

Medienpädagogik

Dein Studienfach ist eine reine Verlegenheitswahl, das wissen wir doch beide. Irgendwas mit Medien und irgendwas mit Pädagogik. In dem Bereich gibt es eh keine Jobs, aber du wolltest auch nie Medienpädagoge werden, sondern Musiker. Wobei du trotz endloser Tourneen durch schmuddelige Jugendzentren und ehemalige Szenebars niemals davon wirst leben können. Da hilft auch die eine Tour als Vorband einer mittelgroßen Amiband nicht. Aber du lernst daraus: Nämlich sehr viel über Gagen. Wenn du das mit den Zahlen auch noch irgendwie hinbekommst, solltest du Booker werden. Falls nicht, such dir jemanden, der BWL studiert hat zum Geschäftspartner.

Psychologie

Du warst so verdammt gut in der Schule, dass du danach eigentlich nur zwei Möglichkeiten hattest: Medizin oder Psychologie. Alles andere wäre Verschwendung deines Einser-Abiturs gewesen. Ziemlich schnell war für dich klar, dass es Psychologie sein würde, weil du erstens kein Blut sehen kannst und zweitens dich schon immer für dieses Fach interessiert hast. Wahrscheinlich, weil du entweder selbst ein Klatsche hast oder jemand aus deinem engsten Familienkreis nicht ganz richtig tickt. Wieso zur Hölle du mit diesem Hochschulabschluss, den du selbstredend ebenfalls mit einer Eins vor dem Komma erreicht hast, ausgerechnet ins Musikbusiness willst, weißt du vermutlich nicht mal selbst. Es muss eine Entscheidung des Über-Ichs sein. Dir bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder du pickst dir irgendeinen Job, den die anderen in der Musikindustrie belegen—womit dein gesamtes Strebertum über Schule bis zum Psychologie-Abschluss verschenkt wären. Oder du bietest deine therapeutischen Fähigkeiten den kaputten Musikern an und machst dich als Psychotherapeut selbstständig. Könnte ein lohnenswertes Geschäftsmodell sein.

Bild aus ‚8 Mile‘

Anzeige

Rechtswissenschaften

Du kluger, kluger Mensch. Als zynischer Jurist machst du im Musikbusiness einiges richtig, denn wenn du dich nicht allzu dumm anstellst, kannst du aus einem seit Jahren kränkelnden Business vampirgleich noch ordentlich Geld saugen. Zum Beispiel, in dem du Leute abmahnst, die sich illegal Musik runterladen. Dafür brauchst du keinen Auftraggeber, die Abmahngebühren gehören dir. Super gemacht, Arschloch! Du kannst dich auch auf Vertragsrecht spezialisieren und die Verträge aufsetzen, mit denen Streamingdienste Musiker knechten. Fette Provision inklusive. Oder du machst was mit Lizensierung für Werbespots und vertickst Musik an Vodafone, ohne den ahnungslosen Künstlern offenzulegen, dass du mit dem Deal das zehnfache von ihnen verdienst. Am Ende sind sie dir sogar noch dankbar, weil sie 2000 Euro verdient haben, die sie in neues Equipment investieren können. Während du mit deinem Porsche Bargeld in die Schweiz bringst.

Musikwissenschaftler

Klingt seltsam, aber in der Musikindustrie gibt es nicht sehr viele Musikwissenschaftler. Liegt vermutlich einfach an dem Fakt, dass das Hochschulfach fast ausschließlich aus klassischer Musik und Jazz besteht. Solltest du allerdings ein Musikwissenschaftler mit Zuneigung zu moderner Popmusik sein, würdest du dich eventuell ganz gut als A&R machen. Das sind die Leute, die entweder den neuen Justin Bieber entdecken oder Lena sagen, welches Image sie auf der neuen Platte verkörpern soll.

Ralph Siegel

Anzeige

Pop-Akademie

Der akademische Weg in eine akademische Popstar-Laufbahn. Ungefähr so spannend, wie in der Nase popeln. Manchmal kommt was dabei raus, das aufregend aussieht. Bis man beim zweiten Hinschauen merkt, dass es doch nur ein großer Popel ist.

Irgendeine Geisteswissenschaft, …

… von der du selber nicht weißt, was genau es war. Weil du nur einmal in deinem Leben in der Uni warst, nämlich an dem Tag, an dem du dich eingeschrieben hast. Vorher und nachher hast du deine Tage im Proberaum verbracht und deine Nächte in schäbigen Bars und Kneipen, wahlweise vor der Bar („Kann ich das anschreiben?“), hinter der Bar („Macht viereurozwanzig!“) oder auf der Bühne. Richtig, du bist der perfekte Musiker. Du hast dich nur eingeschrieben, weil du damit an ein Semesterticket gekommen bist. Einen Abschluss wolltest du nie machen. Deshalb hast du strenggenommen auch nichts in diesem Text zu suchen, aber erstens nimmst du es nie streng und zweitens: man kann doch keinen Artikel über Jobs in der Musikindustrie schreiben, ohne den Job des Musikers. Kann ich ja nichts dafür, dass Musiker so gut wie nie einen Uni-Abschluss haben.*

*Es sei denn, er wurde ihnen im Nachhinein als Ehrentitel verliehen. Nicht wahr, Kanye?

**

Folgt Noisey bei Twitter und Facebook.