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Wie du dir dein Musikerleben finanzierst

„Ein Musiker ist jemand, der 5000 Franken-Equipment in ein 500 Franken-Auto verstaut, um 100 Kilometer weit an ein Konzert zu fahren, wo er 50 Franken Gage bekommt.“

Wie alt der Spruch ist, weiss ich nicht und auch nicht, woher er kommt, aber wenn du mit ein paar Musikern oder Szene-Leuten auf Facebook befreundet bist, geistert er immer wieder (und wieder und wieder) Mal über deine Pinnwand: „Ein Musiker ist jemand, der 5000 Franken-Equipment in ein 500 Franken-Auto verstaut, um 100 Kilometer weit an ein Konzert zu fahren, wo er 50 Franken Gage bekommt.“

Ob man Musik nun als Berufung versteht, als Risiko-Investment oder als teures Hobby: Nur für die allerwenigsten springt etwas dabei heraus. Bands, die mit Gagen (falls es denn überhaupt gibt) oder Alben-Verkäufen ihre Ausgaben decken können, müssen sich schon glücklich schätzen. Und wer davon leben will, der lebt mit Verzicht, mit Büchsen-Ravioli, durchgelatschten Turnschuhen und angewiesen auf den Grossmut seiner Freunde. Oder man quersubventioniert sich den eigenen Traum klangvoller Selbstverwirklichung auf eine oder mehrere der folgenden Arten:

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Mit einem hundsgewöhnlichen anderen Job

Nein, kreativ ist das nicht. Und wirklich spannend auch nicht, aber das haben gewöhnliche Broterwebe so an sich. „Pay jobs“ nennen das die Amis und mehr müssen sie auch nicht ausser: Fürs Leben zahlen. Zwar kenne ich Jungs, die behaupten, ihr Job als Sozialarbeiter oder Spengler sei der perfekte Ausgleich zum Sounden—„Wenn du davon leben müsstest, wäre es sicher nur noch halb so cool“—, aber eigentlich wissen wir alle: Wäre es finanziell möglich, würden sie, vom Tracks bastelnden DJ-Lageristen bis zum Skalen runternudelnden Jazz-Buchhalter, ihre „richtigen“ Jobs an den Nagel hängen.

Dafür wirst du anständig bezahlt (heisst: chices Equipment und fette Albumproduktion). Und vor allem sind deine Abende frei und deine Wochenenden auch. Das wiederum heisst dagegen auch: Aufstehen müssen. Und das meistens früh, auch wenn die Probe oder die Show am Abend davor etwas länger dauerte und du wieder nicht deiem Abstinenzgelübde hast treu bleiben können.

Foto: Flickr | Travis Rigel Lukas Horlung | CC BY 2.0

Heute Akt-Modell, morgen LSD-Proband: Gelgenheitsjobs

Musiker sein ist irgendwie wie Student sein. Deine Hauptbeschäftigung besteht aus Dingen, die eben kein Geld einbringen (und im Falle einer Modern-Freejazz-Noise-Band oder eines Philosophie-Studiums auch nie Geld einbringen werden). Also weichst du auf Gelegenheits- und Mini-Jobs aus. Klar ist Versuchskaninchen für das nächste Wundermittel der Pharma zu spielen riskant, aber als Nachfolger von Jimi und Kurt machst du es ja eh nur bis 27.

Obi-Wan statt Luke: Lehrer

Ein gesteigertes Sendungsbewusstsein ist das, was Bühnen-Menschen oft antreibt. Sei es in poetischen Lyrics, in politischen Ansagen oder einfach als Kopf auf einem T-Shirt: Musiker finden es geil, wenn man ihnen zuhört, ihnen folgt (auf Twitter, auf Tour, in den Backstage), zu ihnen hochschaut. Lehrer ist da der perfekte Plan B, sollten die kreischenden Teenies einen noch nicht zum Halbgott erkoren haben.

Foto: Flickr | Thomas Koller | CC BY 2.0

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Also gibt man seine Skills weiter, wie Obi-Wan oder Yoda damals an Luke, und hofft, dass sein Schützling irgendwann das erreicht, was man selber nicht geschafft hat. Oder enerviert sich jede Woche über den blonden Bengel, der wieder nicht geübt hat und lieber Fussball spielen gehen will, dieser Proll.

Irgendwas sonst mit Musik halt

Nicht jeder kann im Scheinwerferlicht stehen. Irgendwer muss den Spot ja auch noch an die Decke hängen, ausrichten und während der Show bedienen. Und jemand muss diese Show organisieren. Und wieder jemand muss die Bands an den Veranstalter vermitteln, diese dann dorthin karren, um ihr Album zu promoten, das von jemandem produziert wurde, dessen Mikrofon irgendwer verkauft und gebaut hat und vielleicht schon einmal geflickt hat.

Zumindest im Musikbusiness gilt „Knapp daneben ist auch halb vorbei“ irgendwie nicht, denn ob du nun als Mischer, Veranstalter oder Journalist im R'n'R-Zirkus mitmischst: Du lernst Leute kennen, lernst die Tricks und kannst dich dazu erst noch (gratis) betrinken.

Reich wirst du davon aber nicht: Ein Bekannter von mir ist Drummer in drei Bands, arbeitet in einem Plattenladen, macht das Booking für einen Club, vermittelt Bands und bringt sie auf seinem eigenen Label raus. Und verkauft Ende Monat trotzdem hin und wieder seine alten Band-Shirts schweren Herzens auf Facebook.

Mit Musik von anderen

Foto: Flickr | Senjiu | CC BY 2.0

Ein anderer Kumpel hingegen spielt in vier Bands Gitarre. Drei davon treten mit eigenen Songs an, die erste, sein Baby, macht folkigen Pop, die zweite Stoner Rock, die dritte wandelt auf den Spuren von Mumford & Sons. Und die vierte? Eine Cover-Band, mit welcher er alle anderen Bands quer subventioniert. An Hochzeiten, Firmenanlässen und Festzelt-Abenden nämlich sind die Leute spendabel und so verdient er mit geschliffen biederen Versionen von „Stand By Me“ oder „Surfing USA“ mehr als Einzelmusiker als mit allen anderen Bands zusammen.

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Das Problem nur ist, dass Hochzeiten dann sind, wenn auch Konzerte wären und plötzlich entscheidest du dich für den Gig mit der besseren Gage, dem 4-Gang-Menü und der Übernachtung im Romantik-Hotel. Doch lass dir von mir, dessen Hochzeitsband-Freund immer noch Single ist, sagen: Wenn du jeweils zusammenräumst, sind (zumindest die attraktiven) Brautjungfern bereits verschwunden.

Mit Musik für andere (die du selber nie hören würdest)

Wer seine Steuererklärung wirklich und einzig mit dem Wort „Musiker“ als Berufsbezeichnung abschickt, der muss nicht unbedingt DJ Bobo oder Chris von Rohr heissen (Wobei bei ersterem die Bezeichnung Musiker natürlich genauso falsch wäre wie DJ und der zweite sich wohl eher als „Super-Rocker“ bezeichnen würde). Auch ohne, dass man das Hallenstadion füllt, kannst du aber von der Musik leben. Voraussetzung: Du machst das, was den Leuten gefällt und nicht dir selber.

Also verkaufst du dein Talent und deine Integrität und zwar für gar nicht so üblen Lohn. Ein guter (und möglichst simpler) Song ist Gold wert und verschafft dir nicht nur ein Honorar, sondern, hast du gut verhandelt und sollte deine besoffene Bier-Idee wirklich zum Hit werden, auch jahrelang Urheberrechtstantiemen. So schämst du dich zwar jedes Mal ein wenig, wenn die neue Single von Beatrice Egli im Radio gespielt wird, aber du hörst gleichzeitig auch die Kasse klingeln.

Was anderes Kreatives

Foto: Flickr | Quinn Dombrowski | CC BY 2.0

Schon Jim Morrison wollte lieber Gedichte schreiben, Tom Waits kennen wohl mehr Leute als Schauspieler denn als Musiker (wobei dann wohl nicht namentlich), Marylin Manson macht gleich beides zusammen und zeichnet danach noch ein paar Bildchen mit seinem eigenen Absinth. Zugegeben: Im Falle grosser Rockstars ist es mehr ein Können denn ein Müssen. Aber auch mit weniger Bekanntheit machen zwei Berufe in der Kreativwirtschaft gar nicht so wenig Sinn.

Um feste Arbeitszeiten kommst du komplett drum herum und dein Plattencover oder das Bandfoto kannst du selber machen, kannst dir somit den Gang zum Grafiker-Kumpel sparen (den du entweder mit schlechtem Gewissen oder teurem Geld bezahlen würdest). Was dafür besteht ist die Gefahr dich zu verzetteln. Noch ein Job mehr, der mehr Zeit erfordert, als bezahlt wird, noch einmal abhängig davon, dass andere gut finden, was dir die Muse ins Ohr flüstert.

Doch sind wir ehrlich: Als Musiker wirst du immer das Gefühl haben, dass alles andere Zeitverschwendung ist.

Daniel Kissling spielt Bass und schreibt und barkeept und veranstaltet und ist auf Twitter.

Noisey Alps macht auch irgendwas mit Musik und zwar auch auf Twitter und auf Facebook.