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Wenn Xavas zum ESC fahren, ist das Deutschlands Ende

Zu beobachten, wie Kool Savas sich selbst demontiert und mehr offene Fragen als Antworten hinterlässt, tut wirklich weh.

Als Kool Savas vor Kurzem in einem Interview ankündigte, mit Xavier Naidoo zum ESC fahren zu wollen, um für Deutschland anzutreten und auf dieser Seite entsetzt reagiert wurde, war das Geschrei groß. Wütende Savas-Fans erklärten, der Rapper wäre durchaus ein idealer Kandidat für einen Schlager-Wettbewerb wie den Eurovision Song Contest und würde doch heutzutage total schöne, aufbauende und radiotaugliche Songs machen, ohne zu erkennen, dass genau das kritisiert wurde. Soweit ist es also gekommen: Die Masse unserer deutschen Nachbarn fordert, Kool Savas doch bitte zum ESC schicken zu dürfen, schließlich wäre er längst brav genug geworden. An sich könnte man einfach leise in sich hinein weinen, ein paar alte M.O.R-Tapes auflegen und erneut das Ende einer Ära bejammern. Wenn da nicht auch noch sein immer wieder durch abstruseste Gedankengänge auffallender Partner in Love, Xavier „Freiheit für Deutschland“ Naidoo, wäre.

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Es wurde viel geschrieben in letzter Zeit. Das ein oder andere Medium begann zwar erst zu berichten, als zu befürchten war, dass Naidoos krude Thesen nun auch außerhalb Deutschlands ein Thema werden könnten und mancher ihrer ESC-Nachbarn vielleicht etwas schief schauen würden, wenn sie mitbekommen würden, wem wir da tagtäglich zur besten Sendezeit eine Plattform bieten. Aber besonders die Zeilen aus dem Song „Wo sind sie jetzt?“ wurden bereits zur Genüge zitiert. Gähn, weiß man doch alles. Seine Theorien zu Themen wie der BRD GmbH und dem nicht vorhandenen Friedensvertrag Deutschlands, Rothschild-Finanzierungen und dem Babylon-System (die in ihrer letzten Konsequenz oftmals dazu führen, die Kriegsschuld vom deutschen Vaterland zu nehmen) sind inzwischen bekannt und werden selbst von erklärten Antifaschisten wie dem Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel in der Show „Sing meinen Song“ gekonnt weg gelächelt. Kommt doch mal mit was Neuem.

Mehr als nur fragwürdige Liedtexte wie etwa „Baron Totschild gibt den Ton an, und er scheißt auf euch Gockel/Der Schmock ist'n Fuchs und ihr seid nur Trottel“ werden von Sendeanstalten und einigen Massenmedien einfach ignoriert. Immerhin geht es hier um den Xavier der Deutschen. Der hat doch mit deren Nationalmannschaft zusammen auf der Fanmeile gesungen und die Fans haben alle gejubelt. Das kann doch nicht alles falsch gewesen sein.

Und Savas? Der will—darauf angesprochen—gar nicht so sehr ins Detail gehen. Der deutsche King of Rap sagt dann lieber Sätze wie „Wenn man das Politische weglässt, ist Europa ein schöner Fleck auf der Erde.“ Eine treffende Beschreibung, die so in etwa halt auch auf Nordkorea, Texas oder Mordor zutrifft. KKS hat sich bisher immer sehr zurückgehalten, was seine ziemlich offensichtliche Vorliebe für schwierige Themen und sein Verhältnis zur „Lügenpresse“ angeht. Oftmals hat man das Gefühl dass seine politischen oder gesellschaftlichen Aussagen falsch verstanden werden und er eigentlich etwas ganz anderes sagen möchte, als beim Empfänger ankommt. Ziemlich merkwürdig für einen derart sprachgewaltigen und pointierten Künstler.

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Der Grad ist schmal zwischen schwachsinnigen YouTube-Videos über Chemtrails oder das Finanzjudentum und dem oftmals nötigen Hinterfragen des Systems und seiner Machthaber. Savas agiert da bisher wie ein dilettantischer Slack-Liner, immer kurz vor dem Absturz, aber eben auch ungeübt und naiv, deshalb immer leicht putzig. Sein Pendant Xavier hat hingegen sämtliche Masken fallen lassen und stellt sich ganz offen auf eine nationalistische und von unzähligen Faschisten besuchte Kundgebung oder trifft sich mit rechtsnationalen Vordenkern wie Jürgen Elsässer zum Gedankenaustausch. Berührungsängste gibt es da nicht. Warum auch, hey, wir sind doch alle für den Frieden oder so. Und wer kann schon gegen Frieden sein? Nicole war auf jeden Fall für ein bisschen Frieden. Also auf zum ESC. Eine entscheidende Frage konnte allerdings auch der YouTube-Professor Dr.Naidoo noch nicht beantworten: Warum der Sänger für ein Land antreten will, welches seiner Meinung nach gar nicht existiert.

Die Internet-Experten in den Kommentarspalten hingegen wissen genau, dass das alles nur Kampagnen der Bilderberger-Marionetten sind. Xavier ein Nationalist mit eindeutig rechtsextremen Argumentationsketten? Geht ja gar nicht, der hat ja ausländische Wurzeln. Da machen sich die Linksfaschisten mal wieder lächerlich, lautet der einhellige Tenor auf den einschlägigen Websites. Oftmals sind das die gleichen Menschen, die behaupten, sie wären einfach nur patriotische Deutsche oder aber auch Österreicher. Und für die gibt es nicht Schöneres als einen Alibi-Migranten wie Xavier, den Sie vor sich stellen können, um ihren tiefsitzenden Hass zu kaschieren. Dabei dachten viele, sie hätten schon mit dem vulgären Sarrazin-Double Akif Pirinçci den Jackpot geknackt.

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Denn eine beliebte Weisheit in Österreich und Deutschland lautet: Ausländer oder Migranten können keine Rassisten sein. Und Türken können ja auch keine Faschisten sein und ich esse Döner also…ihr wisst schon. Und überhaupt, die eigentlichen Nazis sind ja eh die links-grün-versifften Gutmenschen, weil die wollen die intolerante Haltung der deutschtümelnden Suppe einfach nicht tolerieren. Auch Naidoo, selber scheint etwas verwirrt. „Ich bin Rassist, aber ein Rassist ohne Ansehen der Hautfarbe. Ich bin nicht mehr Rassist als jeder Japaner auch.“ Da kann man nur gratulieren, das ist fast so schön wie seine Theorie, dass Gott ihn auf die Erde geschickt hat, um Mannheim (sic!) zu retten.

Savas will das Ganze etwas lockerer sehen, weniger verkrampft. Offensichtlich hat er wirklich Gefallen an diesem Event, auf dem sich jedes Jahr kreischende Osteuropäer, schlechte britische Boybands und zwei oder drei Freak-Kapellen wie Lordi die Klinke in die Hand geben. Gerne erzählt er davon, wie er 1982 mit sieben Jahren in Aachen auf der Couch saß und den Sieg von Nicole verfolgte, anscheinend eine positive Erinnerung.

Wenn es um Conchita Wurst geht, hört der Spaß allerdings auf. Auf die bärtige Dame angesprochen, über deren musikalische Qualitäten man natürlich geteilter Meinung sein kann, äußert Savas sich eindeutig: „Ich finde das nicht cool, oder weltoffen oder frei. Ich finde das unnötig und überflüssig.“ Die Definition von weltoffen und frei scheint hier einer ganz speziellen Fährte zu folgen. Als langjährigen Hörer trifft es einen natürlich doppelt, derartige schwachsinnige Aussagen von jemandem zu hören, dessen teilweise alles verachtenden und unterdrückenden Textzeilen man gerade deshalb so gefeiert hat, weil man dem Interpreten einen besonderen Grad der Intelligenz zusprach. Und nun darf man tagtäglich beobachten, wie sich einer der besten Rapper Deutschlands bei seinem merkwürdigen Spagat selbst demontiert und mehr offene Fragen als Antworten hinterlässt.

Die wichtigste Frage in diesem Fall lautet natürlich: Warum wollen die beiden denn nun eigentlich für Deutschland zum ESC? „Ich glaube, wir könnten etwas von Deutschland repräsentieren, was sehr positiv ist. Wir sind beides Deutsche, die nicht typisch deutsch sind.“ antwortet KKS. Lieber Savas, hier irrst du am meisten.

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