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Wir sprachen mit dem Mann, der die Musik für Wes Anderson aussucht

Zum Start von ‚The Grand Budapest Hotel‘ haben wir mit Randall Poster gesprochen—dem Mann, der die wundervoll unkonventionellen Filme von Wes Anderson vertont.

Er muss sich vielleicht den Vorwurf zu viel gewollter Skurrilität gefallen lassen (ich denke an dich, Darjeeling Limited), aber zu denken, bei Regisseur Wes Anderson gehe es immer darum, möglichst weit in die Niederungen des Verstands abzudriften, ist eben zu leicht gedacht. Seine Filme sind meistens schlichtweg lustig, kunstvoll und rührend. Sein neuester—The Grand Budapest Hotel—ist da keine Ausnahme. Tatsächlich ist es sogar sein bester Film seit Rushmore, der unbestritten sein Meisterwerk ist. Anderson hat die letzten Jahre mit dem gleichen Filmmusikberater zusammengearbeitet: Randall Poster, der mit dem Regisseur sowohl die Songs aussucht, als auch die gesamte musikalische Ausrichtung des Films festlegt. Ich habe mich mit Randall unterhalten, um herauszufinden, was für ein Job das überhaupt ist—und wie ich ihn bekomme.

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Noisey: Wie bist du zur Filmmusikberatung gekommen? Bist du selbst Musiker, oder einfach ein Mensch mit einem großartigem Musikgeschmack?
Randall Poster: Ich bin kein wirklich guter Musiker und ich habe auch nicht für eine Plattenfirma gearbeitet, ich war einfach nur verrückt nach Musik und Filmen. Es hat damit angefangen, dass ein Freund und ich ein Drehbuch über einen College-Radiosender geschrieben haben. Wir haben es am Sundance-Institute entwickelt und dann umgesetzt. Es hieß A Matter of Degrees und beinhaltete sehr viel Musik—woraufhin ich entschied, dass Musik das ist, was ich zu meinem Schwerpunkt machen wollte.

Wie ist die Sache mit Wes Anderson zustande gekommen?
Ich traf Wes direkt nachdem er Bottle Rocket fertiggestellt hatte. Er fragte mich, ob ich ihm helfen könne, den Soundtrack dafür zusammenzustellen. Seitdem arbeiten wir zusammen.

Ich denke mein Lieblingssoundtrack ist der von Rushmore, der hat diesen 60er-Jahre-Vibe. Der zieht sich durch den ganzen Film und passt wirklich gut zum Film und zu dem Jungen—der Hauptperson, Max Fischer. Ist das eine Zeit, der du dich besonders verbunden fühlst?
Ich denke bei Rushmore war die Idee, einige der weniger bekannten Bands der British Invasion zu nehmen. Wes spricht immer davon, wie diese Jungs Mäntel und Schlipse auf ihren Plattencovern trugen, während ihre Musik aggressiv und rebellisch war. Ich denke, das passt zu Max Fischer. Er ist der Typ Junge, der unter der Oberfläche auszubrechen versucht. Die Musik korreliert mit seinem Charakter, der nicht im Einklang mit der Welt ist. Das ist ein wiederkehrendes Motiv in unseren Filmen, du findest es bei M. Gustave H. in Grand Budapest Hotel—der sich aber eher gesittet und vornehm verhält.

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Wie schlägt sich das in der Musik nieder?
Musikalisch sind wir bei dem Folk-Sound der Balalaika gelandet [eine Balalaika ist ein russisches Saiteninstrument. Du kannst hier einem ungewöhnlichen, jungen Typen dabei zusehen, wie er das Super Mario-Thema darauf spielt]. Dieser Klang geht auf eine eher grundlegende Menschlichkeit zurück und darauf, an menschlichen Werten festzuhalten, die nichts mit Mode zu tun haben. Dem haben wir dann die Eleganz von Vivaldi gegenübergestellt.

Es gibt den vornehmen Ralph Fiennes [M. Gustave H.], der immer noch ein ungewöhnlicher Charakter ist, und Alexandre Desplats rasende Filmmusik, die ihn unterstützt. Wie arbeitet ihr mit Komponisten?
Alexandre und ich haben zusammen mit Wes an seinen letzten drei Filme gearbeitet. Es gibt Sachen, die ich mit Wes mache, bevor Alexandre sich mit Wes auseinandersetzt. Wir versuchen bei einem Sound oder einer Sensibilität zu landen, durch die Alexandres Musik dann gefiltert wird. Ich denke, das ist die Art, wie Wes es organisiert. Unsere gemeinsame Arbeit—Songs auszusuchen, aber auch einen Sound für die Filmmusik festzulegen—hilft ihm anschließend mit Alexandre zu arbeiten, der dann die Musik dazu kreieren kann. Als Alexandre diese Melodien erschaffen hat, hatten wir die Vorstellung, dass wir diesen Folk-Sound verwenden würden.

Ein Großteil der Musik ist sehr temporeich. Ich fragte mich, wie ihr das im Hinblick auf die eher emotionalen Momente im Film gesteuert habt.
Die Wendungen sind schön und ich kann sagen, dass die Musik in Wes’ Filmen immer genauso ist, wie er sie haben möchte. Die Balalaika und die komponierte Filmmusik helfen, den Film voranzutreiben. Ich glaube das hilft der Spannung. Allerdings gibt es auch Pausen, wenn wir diese schönen und emotionalen Momente haben.

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Wenn Wes die Musik genau so haben will, wie er es sich vorstellt, gibt es manchmal Phasen, in denen ihr euch in die Haare bekommt?
Das sorgt nicht für Spannungen. Aber dafür, dass ich mitten in der Nacht Reisen für dreißig russische Balalaika-Spieler und ihre Aufpasser buche.

Und die haben bekanntermaßen anspruchsvolle Aufpasser … Ihr habt für ein paar der Filme Musik von den Stones verwendet. Das ist nicht sehr üblich—ich nehme an, weil sie so teuer sind. Wie denkst du über Budgets und kannst du mir einen Eindruck davon verschaffen, wie viel ein bestimmter Song kostet?
Ich will nicht indiskret sein und in diesem Zusammenhang über Geld sprechen. Meine Verpflichtung gegenüber all den Regisseuren, mit denen ich zusammenarbeite, ist, ihnen alles zu besorgen, was sie wollen. Künstler sind sich der Größe bestimmter Produktionen bewusst. Es ist ein Unterschied, ob du an einem Film arbeitest, der ein 100-Millionen-Dollar-Budget hat—oder ein Budget von 500.000 Dollar zur Verfügung hast. Hoffentlich wissen die Urheber aufgrund meines Mitwirkens zu schätzen, dass ihre Musik zumindest auf gute Art und Weise genutzt wird. Die meisten Musiker sind deshalb bereit, sich dem Budget anzupassen und sehen die Vorteile: Dass sie davon profitieren, wenn der Film gut läuft.

Und das galt auch für Mick und Keith?
Bei den Stones war es so, dass wir für den Soundtrack mit dem Label ABKCO arbeiteten, das auch die Sachen der Stones vor Sticky Fingers veröffentlicht hat. Das ist unsere Lieblingsphase der Stones. Ich will das nicht so leicht daher sagen, aber ab einem bestimmten Zeitpunkt wurden die Rolling Stones eine Art Hausband für uns.

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Ein hartnäckiger Vorwurf an Wes Andersons Filmen ist, dass sie oft zu gewollt skurril sind. Ist das etwas, über das du nachdenkst und was was ist deine Antwort darauf?
Manche Künstler können nur die Arbeit machen, die sie machen. Wenn die Kritik an Wes Andersons Filmen ist, dass sie zu sehr wie Wes Anderson-Filme seien, dann weiß ich nicht, was ich dazu sagen soll. Ich finde Wes’ Filme sowohl auf kreativer als auch auf emotionaler Ebene sehr befriedigend und die Sorgfalt, die er in seine Filme steckt, ist unvergleichlich. Sag mir wenn ich falsch liege, aber im Sport heißt es manchmal: „Wayne Rooney gibt auf dem Platz alles“. Wenn Wes einen Film fertiggestellt hat, hat er auf dem Platz alles gegeben. Die andere Sache, die ich all diesen Kritikern sagen will, ist, dass sie die Klappe halten sollen!

Das ist besser!
Die Klappe halten und sich ansehen, was auch immer sie sich ansehen wollen …

Ein paar Michael Bay-Filme …
Ja, oder Frozen.

Kommen dir schon beim Lesen des Drehbuchs Ideen für die Songauswahl? Wie sieht der Prozess aus?
Es gibt Filme, an denen ich gearbeitet habe und die zu einer bestimmten Zeit spielen, die du beachten musst. Oder es gibt ein musikalisches Element vor laufenden Kameras, bei dem die Darsteller die Künstler sind. Oder das Setting benötigt Livemusik … Das bestimmt die Gedanken darüber, welche Musik es sein könnte. Andere Ideen kommen wiederum zustande durch den Dialog mit dem Regisseur, welcher Sound oder welche Emotion oder welcher Gegensatz mit der Musik erzeugt werden soll. Manchmal entstehen die Ideen erst, wenn du im Schneideraum sitzt und siehst, was aus den Aufnahmen wird—womit du dann ausführlich spielst. Das ist nicht nur eine intellektuelle Aufgabe: Ab einem bestimmten Punkt hast du einen lebendigen Film, mit dem du arbeiten und mit Songs experimentieren kannst.

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Wie sehr stimmst du die Musik auf bestimmte Szenen ab?
Das passiert hauptsächlich durch viele Unterhaltungen, bevor Wes überhaupt das Drehbuch schreibt. Bei Rushmore und The Royal Tenenbaums wussten wir, welche Songs wir im Film verwenden wollten. Es wurde also zu einer Art Spiel, davon so viele wie möglich zu benutzen. Einer der Gründe, warum Wes und meine Zusammenarbeit auf musikalischer Ebene so fruchtbar ist, ist, dass wir viel Zeit zwischen den Filmen damit verbringen, über Musik nachzudenken.

Gab es mit anderen Regisseuren mal erhebliche Meinungsverschiedenheiten?
Selbstbewusste Künstler sind froh, wenn sie ein bisschen Widerstand spüren und sich auf einen Dialog einlassen, der vielleicht als Meinungsverschiedenheit angesehen wird. Das ist das Wunderbare am Filme machen: Du kannst von der Leidenschaft anderer Leute profitieren. Das bringt dich weiter. An verschiedenen Bereichen eines Films arbeiten Leute, die versuchen das Ding voranzutreiben. Ein großer Regisseur muss mit solchen Herausforderungen und Kräften umgehen können.

Und es bringt dir nichts, dich mit Schleimern oder Idioten zu umgeben.
Im Verlauf der Jahre habe ich wahrscheinlich immer weniger geweint, wenn es nicht nach meiner Nase lief.

Davor hast du geweint?
Ja, ein bisschen. Meistens heimlich im Badezimmer, aber mir ist das ja alles auch wirklich wichtig!

Wir alle in unserem Arbeitsleben schon einmal diesen wütenden oder tränenreichen Badezimmermoment gehabt … Manchmal braucht man ein bisschen Emotionalität, um zu merken, was einem wichtig ist.
Dem stimme ich zu.

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Eine letzte Sache: Sind Music-Supervisor im Herzen frustrierte Musiker?
Ich bin sehr entfernt davon, frustriert zu sein. In Anbetracht dessen, wie ich Bass gespielt habe, habe ich wohl den richtigen Weg für meinen musikalischen Ausdruck gefunden.

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