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Warum Gaga, Katy und Bieber schlecht beim Twittern und schlecht für Twitter sind

Wer hat was davon, sechs mal an 41 Millionen (größtenteils Fake-) User zu tweeten?

Twitters Ankündigung von letzter Woche, die unpopuläre #music App einzustampfen, hätte ein Indikator dafür sein können, dass der Social Media-Dienst sein Engagement für den Musikbereich etwas zurückschrauben will. Aber ganz im Gegenteil scheint es so, als ob sie sich gerade neu formieren und nach anderen Ansätzen zur Einbindung des Musikmarktes suchen. Wie das Wall Street Journal berichtete, befindet sich Twitter gerade in Verhandlungen mit mehreren Vertretern der Musikindustrie wie den Streamingdiensten Beats Music und Vevo, sowie Sony Music Entertainment, wohl in der Hoffnung, Musik besser in die User Experience einzubauen.

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Das scheint auch wirklich sinnvoll zu sein, da Musik eines der meistbesprochenen Themen auf Twitter ist. Aber in jedem Artikel, in dem das Thema aufkommt, werden immer wieder die gleichen Halbwahrheiten verbreitet, die die Diskussion um Musik auf Twitter auf wacklige Füße stellt. Auch ein Artikel der New York Times über den angekündigten Deal mit Billboard weist darauf hin, dass sieben der zehn beliebtesten Accounts Popstars gehören. In den Top 100 finden sich 41 Musiker.

Wegen der schieren Zahl von Followern dieser Stars, mit Katy Perry und ihren 52 Millionen Followern auf der Spitzenposition, knapp gefolgt von Justin Bieber mit 50.5 und Lady Gaga mit 41 (Barack Obama, dessen Nachfolgealbum allgemein verrissen wurde, kommt mit 42.2 Millionen auf den dritten Platz) ist es schwer, dem etwas entgegenzusetzen—oder vielleicht doch nicht? (Dazu gleich mehr.) Sagt die Tatsache, dass beliebte Popstars auf Twitter beliebt sind, irgendetwas über Twitter aus oder bedeutet das einfach, dass beliebte Popstars einfach überall beliebt sind, egal wo sie auftauchen?

So sehr auf der Tatsache rumzureiten, dass Musiker unter den meistgefolgten Leuten auf Twitter sind, erweckt den Anschein, dass das „etwas zu bedeuten hat“, aber eigentlich handelt es sich dabei um eine Antithese zu dem, was Twitter eigentlich sein sollte. Popstars haben vielleicht die meistgefolgten Twitteraccounts, aber, so wie es aussieht, sind die meisten von ihnen schlechte Twitteruser.

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Oder noch schlimmer, sie sind schlechte Schauspieler auf Twitter.

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Wie verschiedene Auswertungen der tatsächliche Zusammensetzung der Twitter Follower unter den Top Accounts gezeigt haben, gehört ein signifikanter Anteil davon einfach zu Fakeaccounts. Nach der Website Gizmodo sind 78% von Katy Perrys Followern entweder Fake oder innaktive Accounts. Diese Zahlen sind bei Taylor Swift noch schlimmer. 53% ihrer Follower sind Fake und 28% inaktiv. Ähnliche Zahlen finden sich durchweg bei den zehn beliebtesten Twitteraccounts.

Das wirft jetzt nicht unbedingt das beste Licht auf den Social Media-Dienst. Und selbst wenn alle Follower echt wären, bliebe die Art, wie die Stars mit ihnen interagieren, weiterhin problematisch. Die größte Innovation von Twitter und gleichzeitig der größter Anreiz—wie die meisten, die das Portal regelmäßig benutzen, wohl bestätigen können—ist nicht seine Fähigkeit, als Verteiler von Informationen über irgendwelche Popstars zu dienen. Stattdessen geht es um die demokratisierende Zusammenführung von News und den Reaktionen darauf; in anderen Worten: „join the conversation“. Der durchschnittliche User ist nicht länger nur ein passiver Leser von Nachrichten und Updates, wir sind selber Teil der Nachrichtenverteilungsmaschinerie und finden uns plötzlich Seite an Seite mit Popstars, Journalisten und anderen geistigen Mitstreitern. Oder wir können einfach in einem Kreis von ähnlich tickenden Freunden über die für uns relevanten Themen diskutieren (oder darüber mit unseren Feinden streiten, wie es in meinen Kreisen oft der Fall ist).

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Wenn man bedenkt, wie Twitter von den meisten der populären Accounts benutzt wird, stellt das eine grobe Missachtung der ursprünglichen Idee dar. Viele von ihnen kann man kaum als Twitternutzer im eigentlichen Sinne bezeichnen. Sie sind eher so etwas wie glamouröse Hausbesetzer, die sich ein glitzerndes Schild an die digitale Ladenwand gehängt haben und zwischendurch mal vorbeischauen, um einen Blick auf die Schlange vor ihrer Tür zu werfen.

Schau dir nur Adele an, sie steht auf Platz 21 der beliebtesten Accounts, mit fast 20 Millionen Followern, und hat 206 Tweets rausgeschickt. Eminem, auf dem 29. Platz, verschickte 328; Lil Wayne auf Platz 34 tweeetete 945 mal; Drake auf Platz 40 immerhin 1531 mal; Christina Aguilera, auf Platz 57, zwitscherte 596 mal. Beyoné hat sich sage und schreibe acht mal dazu herabgelassen, für ihre 13.3 Millionen Follower zu tweeten, während Kanye West ganze 66 Lebensweisheiten unter seine 10.3 Millionen Follower brachte. Auf der anderen Seite des Spektrums haben wir Nicki Minaj auf Platz 30 mit beachtlichen 26.000 Tweets.

In den Top Ten wächst die durchschnittliche Anzahl der Tweets etwas, aber man kann nur von Justin Bieber mit seinen über 26.400 Tweets behaupten, dass er ein wirklicher Twitternutzer ist. Im Vergleich dazu haben Katy Perry, Lay Gaga, Taylor Swift, Britney Spears und Justin Timberlake alle so zwischen 2- und 5.000 Tweets. Alle ihre Accounts wurden entweder 2008 oder 2009 erstellt. Das macht dann grob geschätzt ein bis zwei Tweets pro Tag, was sich für Menschen, die sich nicht regelmäßig auf Twitter rumtreiben, erst mal nach viel anhört, aber es repräsentiert bei Weitem nicht das tägliche Engagement, das Twitter gerne von seinen Nutzern sehen würde. Es scheint dann schon etwas komisch, mit den prominentesten Nutzern für ein Produkt zu werben, das diese anscheinend selber gar nicht nutzen wollen. Das wäre in etwa so, als ob Sky mit seinen beliebtesten Sendern werben würde, die nur zehn Sekunden Programm am Tag ausstrahlen.

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Und das alles, ohne überhaupt den Interaktionsaspekt von Twitter mit einzubeziehen. Die meisten Stars benutzen die Plattform als digitales Megaphon, das sie bei Gelegenheit mal rauskramen, um die Ankündigung für ein neues Video oder Album rauszuposaunen—aber eben ohne sich mit dem gemeinen Pöbel abzugeben; Du weißt schon, Twitter so zu benutzen, wie es eigentlich gedacht ist. Viele von ihnen delegieren ihre Twitter-Verantwortlichkeiten wahrscheinlich sowieso an irgendwelche Assistenten.

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Für Twitter macht das Promoten derartiger Accounts aus geschäftlicher Perspektive auf kurze Sicht durchaus Sinn, da es ja auch immer für schöne Schlagzeile in der Art von „Katy Perry überholt Bieber!“ oder ähnlichem sorgt. Prominente Accounts als Marketing- und Werbeinstrument zu benutzen, ist etwas, das wahrscheinlich jedes Medienunternehmen machen würde, wenn es könnte. Für den durchschnittlichen User ist es aber ein entmutigender Blick in die Richtung, in die der Konzern anscheinend gerade geht, um ein profitables Geschäftsmodell zu entwickeln, und sich dabei immer mehr zu einem klassischen, hierarchisch gestrickten Medienunternehmen entwickelt, während es seinen Status als Spielplatz für laterale Kommunikation immer weiter verliert. Für mich sieht das nach einer Entwicklung in die falsche Richtung aus. Das Thema Musik ist auf Twitter nicht so populär, weil Musiker, die wir hören, ab und an mal bei Twitter auftauchen und etwas von sich geben, sondern weil wir, die User, uns entschieden haben, dass wir uns gerne darüber unterhalten wollen.

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Luke O’Neil ist bei Twitter und benutzt seinen Account natürlich so, wie es gedacht ist—@LukeOneil47

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