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Warum ich mir vorgenommen habe, trotz Gästeliste immer zu zahlen

Früher dachte ich, dass Gästeliste-Plätze leiwand sind. Heute will ich das loswerden.

Hier wird gerade die Gäseliste geschrieben. Foto via hausgemacht

Mein Name ist Fredi und ich veranstalte Partys. Das bedeutet auch, dass ich oft bei anderen Partys auf der Gästeliste stehe. Davor war ich ein ganz normaler Gast. Ich habe in der Warteschlange meinen Wodka gesoffen und brav meine 15 Eier oder mehr bezahlt. Jedes Wochenende. Ist mir voll am Arsch gegangen—keine Frage. Ich dachte mir immer, dass Gästeliste-Menschen die coolsten Menschen überhaupt sein müssen.

Sie sind immer an der Schlange vorbeispaziert und schnell in den Backstage verschwunden. Sie schienen sich nie zu kümmern, wenn die Party zu voll oder zu leer war. Sie waren ja eh hinten. Sie haben ja eh keine 15 Eier bezahlt. Sie waren ja eh cooler als wir, der Mob. Ganz viel früher dachte ich, dass Gästeliste-Menschen dafür ja irgendwie an der Party beteiligt sind. Deko, Musizieren, Promo—wie auch immer. Bis mir auffiel, dass ein paar Freunde aus meiner Umgebung oft nichts gezahlt haben. Für gar nichts. Sie haben nichts gemacht. Trotzdem waren sie immer auf der blöden Liste. Noch besser: Ohne die wären sie nie auf die Party gegangen. Auf die Party, bei der ich eben meine 15 Eier bezahlt habe.

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Dann habe ich angefangen, eigene Partys zu veranstalten. Meine Partys haben eigentlich ganz, ganz lange nicht mehr als fünf Euro gekostet. Es gab sogar Partys um drei Euro. Dann passierte das Unerklärliche: Bei der ersten Party haben mich Menschen angeschrieben und um „Liste” gefragt. Ich war noch zu neu und zu nervös um zu sagen, dass die Party mit fünf Euro Eintritt darauf abzielt, dass ich bei Null rauskomme. Also habe ich eine Liste geschrieben. Am Ende hatte diese Liste fünf A4-Seiten. An der Party selbst war davon ein halbe A4-Seite tatsächlich beteiligt.

Aber als Veranstalterin habe ich noch etwas bemerkt—man hat viel Stress. Aus Stress entwickelt sich Angst. Ich hatte Angst, dass niemand kommt. Ich hatte Angst, dass wenn ich diese Listenplätze nicht vergebe, dass dann weder der Listenplatz-Frager noch sonst jemand kommt. Ich habe mich an meine fünf A4-Seiten geklammert, als wären es meine einzigen Gäste. Die einzige bekannte Variable in meiner verschlüsselten Gleichung war die Gästeliste. Bevor ich mit einem Verlust aussteige und noch die Schmach einer leeren Party ertragen muss, steige ich doch lieber nur mit einem Verlust aus und einer halbvollen Party. Oder? Fun Fact: Nach über einem Jahr weiß ich, dass von den Gästeliste-Namen eh nur die Hälfte erscheint.

Auch ich bin ab Mitte des Monats pleite. Ich weiß, wie es ist, wirklich keine fünf Eier übrig zu haben. Aber aus Kosten-Sicht braucht man so einen Gast definitiv nicht—nicht nur, dass er sich weder an den Deko-Kosten, DJ-Gagen und Lokal-Kosten beteiligt ( die hauptsächlich für ihn—den Gast—da sind), sondern er bringt dann wahrscheinlich auch keinen Bar-Umsatz. Mir ist der Bar-Umsatz wurscht und den meisten Veranstaltern auch. Aber den Lokalen, die ihre Leute wiederum zahlen, nicht. Aus der zwischenmenschlichen Sicht kann man auf den Gast auch oft verzichten.

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Ich weiß, wie es war, feiern zu gehen, ohne das große Drumherum im Kopf zu haben. Ohne an die Menschen hinter der Party zu denken. Es ging mir stets nur um meine Freunde und mich. Und unserem möglichst gut verbrauchten Rausch. Und ich erwarte jetzt nicht vom Gast, dass er sich Gedanken macht, wer, was, wie, wo macht. Das ist meine Aufgabe. Die Gäste sollen so feiern, wie ich einst feiern war. Aber ich erwarte es mir von Gästeliste-Menschen.

Die Menschen, die ich vor nicht allzu langer Zeit beneidet habe und cool fand, regen mich heute nur noch auf. Sie nehmen den arbeitende Menschem im Backstage den Platz weg. Sie zeigen keinen Dank für den geschenkten Eintritt. Sie sind mir einfach unsympathisch geworden.

Auch ich finde Eintritte ab 15 Euro irgendwie blöd. Also auf einer Party, die über 15 Euro kostet, sieht man mich heutzutage selten. Wenn Veranstalter nicht für Gäste mitdenken, dann sage ich jetzt resoluter als damals, dass ich nicht hingehen werde. Aber Partys bis 10 Euro haben ihre Berechtigung in Wien—reich ist kein Veranstalter. Wenn ein Wiener DJ postet, dass er wegen der Gästeliste für ein Charity-Event gefragt wird, dann greife ich mir am Kopf.

Die Gästeliste-Szene ist in Wien mit Abstand die dreckigste und größte Szene. Da kommt nicht die DJ-Szene, die Lokalität-Szene und auch nicht die Jahrgangsszene ran. Und das Schlimmste? Sie wird einfach hingenommen, gefüttert von allen Lokalen und Veranstaltern. Auch von mir. Mit der vermeintlichen Hoffnung, dass der Mensch andere Menschen mitnimmt, die zahlen. Wie oft das tatsächlich der Fall ist muss ich nicht erläutern—die Gästeliste-Menschen haben fast ausschließlich Gästeliste-Freunde. Unter anderem, weil man sich im Backstage kennen und lieben lernt.

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Bei der zweiten Party hat sich nichts geändert—wieder war die Angst und das Sicherheitsklammern größer, als mein „Geht’s scheißen”-Gefühl. Heutzutage trage ich guten Freunden dann zumindest kleine Aufgaben wie „Teil halt die Veranstaltung” zu. Die „Eierkraul-Liste” für Geschäftspartner und Kollegen drucke ich nur noch wortlos aus. Ist eh wurscht, weil die kommen eh nie bis selten. Mittlerweile habe ich mich damit abgefunden und schaffe es, komplett random Anfragen zu ignorieren. Den Sinn des Eintrittes zu erklären will man ab irgendwann nicht mehr. Aber cool finde ich es nicht—vor allem, weil die Anfragen meistens von Menschen kommen, die eh jedes Wochenende fort sind und wissen sollten, wie viel Arbeit und Unsicherheit dahinter steckt. Ihnen geht es oft nur um das elitäre Gefühl, mir geht es um eine erfolgreiche Veranstaltung, die alle Mitarbeiter entlohnen kann.

Und nicht falsch verstehen—ich war oft genug im letzten Jahr ein Gästeliste-Mensch. Aber ich habe Vorsätze für das neue Jahr gefasst. Ich mag wieder Gast sein. So lerne ich am besten, was ich auf meinen eigenen Partys verändern kann. So lerne ich neue und normale Menschen kennen. So fange ich bei mir an, bevor ich mich über andere aufrege. Die Gesichter da hinten habe ich satt.

Außerdem schätzt man die Party so viel mehr und man löst sich von dem „Eigentlich keine Lust fortzugehen, aber Gästeliste”-Gedanken. Meine Bitte: Betrachtet das Eintritts-Geld als Kohle für ein Gesamtkunstwerk, liebe Frager. Nur weil ihr forsch genug seid und der Veranstalter in der stressigsten Zeit—vor der Party—keine Kraft hat um abzusagen, heißt es nicht, dass ihr nicht als unempathische und unsympathische Schnorrer in Erinnerung bleibt.

Schätzt die DJs, die Dekoration, die Location, die Organisation. Ihr könnt sie ja auch lange genießen. Und ihr kennt ja jemanden, der da mitarbeitet—ihr seid also eh schon supercool mit euren Kontakten und bekommt bestimmt ein Getränkebon in euer feuchtes Handerl gedrückt. Hinter eurem Rücken arbeiten vorher, nachher und währenddessen Menschen. Die ganze Zeit! Egal, wo ihr hinsieht. Es ist eh so, wie man sagt, dass es ist: Gute Freunde lassen sich auf die Gästeliste schreiben. Die besten Freunde bezahlen.

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