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Warum gehen gerade Facebook-Events so durch die Decke?

11.000 Zusagen für Wu Tang, 8.000 für Gigi D'agostino, fast 15.000 für ein Food Festival, das es (noch) nicht gibt. Was ist da los? Wir haben jemanden gefragt, der sich auskennt.

Events sind die erklärte Hassliebe alle Facebooknutzer. Sie sind einerseits total praktisch: Für den Veranstalter, weil sie ein relativ billiges Promo-Tool sind, sich im Bestfall selbstständig verbreiten und man mit einfacher Mitteln (früh anlegen, regelmäßig reinposten) die Leute immer wieder daran erinnern kann. Aber auch für den potentiellen Gast, der in der Eventspalte seinen eigenen, personalisierten Kalender hat. Dadurch habe ich seit ewig nicht mehr in die tollen Partykalender geschaut, die FM4, auchsuperwichtig, falter oder auch wir jede Woche produzieren. Andererseits sind sie aber auch nervig. Super nervig. 75 Prozent meiner Notifications haben etwas mit Veranstaltungen zu tun, vor allem seitdem Facebook entschieden hat, einen auch noch darauf aufmerksam zu machen, dass der Veranstalter oder einer deiner „Freunde" etwas in Veranstaltung x gepostet hat. Facebook-Veranstaltungen sind ein bisschen wie der WG-Putzplan der Clubkultur: Niemand mag sie so richtig, aber darauf verzichten kann man auch nicht.

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Vor relativ kurzer Zeit hat Facebook ein paar Dinge bezüglich Events geändert. Darunter kleinere, eher auffällige Dinge wie das man eine „Nicht vergessen: x hat dich zu Veranstaltung y eingeladen!"-Notification bekommt, wenn man sich entschieden hat, irgendetwas zu ignorieren. Oder auch, dass es mittlerweile „is interested in going to …" statt „is going to" heißt. Das ist übrigens sehr konsequent: Unter Veranstaltern ist seit längerem bekannt, dass Facebook-Zusagen und Ticketverkäufe nur sehr grob korrelieren. Jeder klickt eben gerne mal mal auf Attending, sei es aus Coolness-Gründen (die „Hipster-Zusagen"), sei es aus ironischer Begeisterung oder einfach, um Veranstaltungen zu bookmarken.

Aber irgendwie ist auch plötzlich etwas grundlegend anders. Man braucht nur mal auf Wien schauen: Das Wu Tang-Clan-Konzert in der Arena hat—nicht mal drei Wochen nachdem die Veranstaltung anglegt wurde—über 11.000 Zusagen. Ein Singer/Songerwriter-Festival unter der Rossauer Brücke steht bei fast 8.000. Gigi D'Agostino im WUK hat die 7.500-Schwelle durchbrochen. Und das wirklich bizzarste: Das Vienna Food & Wien Festival hat innerhalb so kurzer Zeit 14.000 Zusagen gesammelt, dass jemand eine ursprünglich als Parodie gedachte Veranstaltung angelegt hat. Die mittlerweile mehr Attendings als das Ursprungsevent hat. Die Veranstalter—man kennt sie übrigens von der Geschichte ums Jessas—wurden davon ein bisschen überrollt und sind gerade dabei auszuloten, wie man daraus tatsächlich eine Veranstaltung im Real-Life machen kann.

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Das alles kann kein Zufall sein. Ja, auch früher sind schon einzelne Facebook-Veranstaltungen explodiert. Manche „Gedenktage“ wie der Jogginghosentag haben erst dadurch überhaupt eine Bekanntheit erlangt. Und international relevate Events wie die Marty McFly Welcome Party hätten auch schon früher ziemlich durch die Decke gehen können. Aber über 8.000 Zusagen für lokale Events ohne richtige Headliner? Fast 600 für Easter im Club U—woran man übrigens sieht, dass davon nicht nur virale, Groß-Veranstaltungen, sondern durchaus auch mittelgroße Events profitieren? Nope. Da muss irgend etwas passiert sein.

Zum Glück sitzen bei uns im Haus ja nicht nur vermeintlich coole Schwätzer, die irgendwas mit Medien machen. Sondern auch ein paar kluge Menschen, die ihr Geld wirklich mit Social Media-Management und -Monitoring verdienen. Die müssten sowas eigentlich wissen. Also habe ich mir einen Kaffee genommen, bin die Treppen in den vierten Stock heraufgestiegen und bin ihnen auf die Nerven gegangen.

Klaus Heller ist im Agentur-Teil unserer Firma quasi als „Facebook-Flüsterer“ bekannt. Ihm ist das natürlich auch schon aufgefallen, und er hat auch eine Erklärung: „Offizielles von Facebook gibt es dazu leider nicht. Meiner Meinung nach spielen da mehrere Faktoren eine Rolle. Zum einen das veränderte Userverhalten: Facebook hat den Vielleicht-Button bei Events ja mehr oder weniger abgeschafft. Das führt, denke ich, dazu, dass User leichter mal auf Teilnehmen klicken, ohne zu wissen, ob sie wirklich teilnehmen werden. Zum anderen checken die Veranstalter das natürlich auch und legen Events immer früher an, was auch dazu führt, dass User einfach mal auf teilnehmen klicken, so kann sich das Event aber natürlich viral leichter weiterverbreiten. Der Newsfeed-Algorithmus pusht durch die höhere Zahl an Zusagen den Event vermehrt in den Newsfeed. FB-Events bekommen so mehr Aufmerksamkeit.“

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Fuck, es stimmt. Es ist mir nicht aufgefallen, aber wahrscheinlich kommen wir der Sache damit ein bisschen näher: Facebook schafft den „Vielleicht"-Button sukzessive ab. Natürlich—wie bei fast allen Veränderungen—kommt das nicht auf einen Schlag, sondern Schritt für Schritt und in unterschiedlicher Geschwindigkeit. Noch sind nicht alle Accounts betroffen.

Früher sah das bei allen so aus. Mit den drei Möglichkeiten Teilnehmen/Vielleicht/Absage, und klar ausgewiesenen Zahlen rechts unten—es sei denn, der Veranstalter hat die Gästleliste versteckt.

In einem ersten Schritt hat Facebook das Ganze dann still zu dem hier geändert. Schaut sehr ähnlich aus. mit einem entscheidenen Unterschied: Ich kann nicht mehr richtig absagen oder auf vielleicht drücken, zumindest nicht mit einem einfachen Klick.

Irgendwann wird das dann bei uns alles allen so ausschauen. Nur noch die Möglichkeit zuzusagen, und auch nur noch die Zusagen werden angezeigt.

Facebook, du alter Schlawiner. Änderst einen entscheidenen Faktor in der Art, wie viele von uns ihr Ausgehverhalten organisieren, und sagst uns nicht mal Bescheid.

Die Änderungen sind allerdings noch zu neu, um sagen zu können, ob das auch Auswirkungen im realen Leben hat. Kommen dadurch mehr Leute zu den Veranstaltungen? Wird es noch unberechenbarer? Wir bleiben dran.

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